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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 45.1940, (Nr. 1-13)

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Nr. 11
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vieles Landvolk sichtbar, mit grünen Zweigen
aus ihren Hüten, mit blanken Sensen in ihrer
Hand, zum Teil aber auch mit blanken Helle-
barten und Speeren. Ei Gott, sagte die Haus-
frau, es ist doch jetzt nicht Erntezeit! Und wo
wollen sie denn überhaupt so mit Sang und
Klang hinaus? Sieh einmal, wie das Morgen-
rot auf ihren Sensen blitzt. — Hm, die müssen
irgendwo ein sehr ernsthaftes Nrähcn gehalten
haben, murmelte der Ritter; denn er kannte das
Rot an den blanken Stahlklingen viel zu gut,
um es, wie seine Frau, für Morgenrot anzu-
sehen. Währenddessen hatten die Lanöleute
einen Halbkreis um das ehrwürdige Paar ge-
schlossen, und zwischen dem Sensen- und Lan-
zenwetzen, welches sie nach beendigtem Liede
anhuben, trat Diotwina aus ihren Reihen her-
vor, ging wie verklärten Antlitzes auf die stau-
nenden Eltern zu und sprach: Wer früh zuni
Beten geht, findet gute Frucht. Hier an des
Waldes Saum sind mir jetzt eben diese Helden-
männer begegnet und wollen, daß ihr S zuerst
aus meinem Munde hören sollt: sie haben auch
Eure Burg wieder erfochten; die Gegend ist
frei, der Dränger tot!
Der greise Ritter starrte umher, als sei er
wachend in die Träume der vergangenen Nacht
zurückgesunken; da nahte sich ihm der älteste
der bewaffneten Lanöleute, auch ehrwürdig

grauen Hauptes, wie sein Dbcrherr, und indem
er ihm leise Hacke und Spaten aus den Händen
nahm, legte er ihm einen alten, silbernen, mit
Gold eingelegten Stab in die Arme, den Leut-
hvlds Ahnen seit undenklichen Zeiten geführt
batten, und der jetzt mit den übrigen beiligen
Familienrechten rückerobert war. Dazu jubelten
die Männer im Kreise beständig DiotwinenS
Worte nach: Die Gegend ist frei, der Dränger
tot! und ließen Waffen und Sensen lustig an-
einanderklingen. — Es ist wirklich so, sprach
der alte Lanömann zu den noch immer zweifel-
haft staunenden Eheleuten. Euer DruderSsohn,
Richard, ist von seinem Kreuzzuge heimgekehrt,
mein edler Herr, und hat seit gestern abend, wo
er sich in den ersten Gehöften sehen ließ, all
diese Wunder vollbracht. Er mochte wohl schon
wissen, wie innig wir uns nach unserem alten,
rechten Herrn sehnten, denn er redete uns alle
darauf an, daß wir Speer und Senfe für Euch
erfassen müßten, wie auf ein notwendiges, schon
längst vorauSbesprvchenenS Tun; und da glaub-
ten denn mich die Unentschlossenen, es könne
nicht anders sein. Drauf klangen die Sturm-
glocken, leuchteten die Kriegsfeuer von den Ber-
gen, und schnell zusammengeströmt, waren wir
durch den jungen Helden ebenso schnell geordnet,
und wundersam durch seine Reden begeistert.
Da ging es, wie im Fluge, die Täler auf und

nieder, wo sich irgend des Grafen Wafsenkncchte
nur blicken ließen. Endlich erstürmten wir die
Burg, und der Graf stürzte verzweifelnd in sein
Schwert. Der junge Sieger führte uns bis un-
fern von hier Euch entgegen, dann sprengte er
nach eurem Stammsitze zurück, wohl um alles
zu Eurem Empfange zu ordnen. Zst es Euch
nun gefällig, von uns dahin geleitet zu werden,
so stehen drei sanfte, wohl gerittene Rosse aus
den Rwrställen Eurer eigenen Burg für Euch
und die edle Frau lind das holde Fräulein in
unserer Schar. Mit weit ausgebrcitetcn Armen
segnete der alte Herr sein treues, tapferes Volk;
die Rosse wurden herbeigeführt, man hob die
drei verehrten Herrschaften hinauf, und zog im
frommen Zubel den Weg nach der Stammburg
entlängS.
Der alte Landmann schritt immer neben des
Ritters Pferde hin und erzählte von deni
Kampfe dieser Nacht und von den wunder-
samen Taten Richards. Wie nun Leuthold mit
wachsender Freude und Verwunderung des
Neffen Großherzigkeit und Feldherrnkraft und
Heldengeist in vielfach wechselnden Begeben-
heiten vernahm, schwoll ihm endlich das edle
Herz so ungestüm vor dankbarer Begeiste-
rung, daß er laut auscief, den ganzen Zuge
vernehmlich: So gelob' ich denn bei meiner
ritterlichen Ehr' und Treue, daß unjcr mutiger
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Meindert Hobbema: Zeichnung ohne Titel
 
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