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S. Augustin.

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Mehr als einmal hat Murillo in diesen Jahren einem sehr beliebten Heiligen aus der
spanischen Prälatur, dem im Jahre 1658 von Alexander VII. kanonisirten Thomas von
Villanueva, Erzbischof von Valcncia (7 1555), seine Kunst zur Verfügnng gestellt. Die
„Almosenspende" nannte er „seine Leinwand" (sn lionro), vielleicht anch weil er hicr
wieder sein liebes Bettelvolk anbringen konnte. Der Kirchenfürst, ein bleiches, längliches,
mageres, edles Antlitz, stcht, den Krummstab in der Linken, an einem Altar, Silbermünzen
verteilend. Ein Lichtstrahl fällt von links zwischen zwei Säulen her auf das Gesicht;
rechts gewährt ein Thor die Aussicht auf seinen Palast. Arme und Krüppel kommen
um den Altar herumgcschlichen, gedrückt und befangen, jedoch ohne ihre uatürlichen
Regungen ganz zu unterdrücken; die Münze genau prüfend, verstohlen aufblickend zu
dcm Spender. Ein Knabe zeigt den Real vergnügt seiner Mutter. Umkreist von dieser
zerlumpten Schar in tiefem Dunkel, taucht die ruhige, vornehme Gestalt mit hohen weißen
Mitra wie ein Marmorbild ins Licht empor.

Das im Museum vermißte Stück, der heil. Michael, ist wahrscheinlich in einer Wie-
derholung (in der Kapuzinerkirche zu Cadiz) noch erhalten. Aber wie zu erwarten, hat
Murillo den streitbaren Erzengel weniger begriffen als dessen Kollegeu, deu Kinder-
freund Raphael. Jn blauem Waffcnrock und roten Sandalcn, in der Linken eincn
großen Palmzweig, erhebt er die Rechte nur wie symbolisch, und nur als leichtes Ge-
wölk schwebt auf seiner Stirn der Zorn.

So hat der Meister, nachdem er in der Caridad als geschickter, farbenreicher Erzähler
heiliger Geschichten sich Genüge gethan, in der Kapuzinerkirche noch einmal alle Elemente
dcr Andachtsmalerei seiner Zeit zusammengefaßt. Jn jenen Madonuen und Kindern
brachte er eine reiche Blumenlese des Schönsten, was er in der Welt draußen gefunden,
dem heiligen Hause dar, für die Männer dagegen fand er unübertreffliche Modelle in ihm
selbst: denn dieser Orden Pflegte sich ja, dank seiner strengen Observanz, aus den natur-
wüchsigen, unverbildeten Volksklassen zu rekrutiren. Mächtige Prophetengestalten, greise
Kindcrsreunde, schwärmerische Jünglinge, weltverachtende Asketeu wechseln mit Bildern
der heil. Jungfrau, in den Freuden und Schmerzen ihres Erdenlebens und in ihrer Ver-
klärung; der Jubel des herabsteigenden Empyreums mit dem frommen Bettlerstück. Die
pathetischsten und die volksmüßigsten Accente Murillos fanden sich in diesem Mönchs-
tempel beisannnen.

S. Angusttn.

An die Kapuzinerbilder schlossen sich bald die ühnlich gemalteu Altarwerke für
die Kirche des Augustinerklosters (1678). Über dem Hochaltar sah man den Kirchen-

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