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DIE PORTUGIESISCHE MALEREI DES XVI. JAHRHUNDERTS

ausbreitete, an Punkten der Erdoberfläche ihr Panier aufpflanzte, gegen die
des römischen Reiches Marksteine provinzartig waren. Und wie in der
Natur des Landes, verbindet sich in ihren Malereien das Entlegenste: Süden
und Norden, Altes und Neues.

Die Verbindung mit den Niederlanden erscheint als kein bloßer Zufall.
Beide Nationen haben in ihren Schicksalen etwas Verwandtes. Obwohl sie
weder durch Größe noch durch geographische und ethnologische Ab-
geschlossenheit zu besonderen Staatswesen bestimmt schienen, sind sie durch
geschichtliche Umstände dahin geführt worden, nach Selbstständigkeit zu
trachten; sie haben diese beharrlich und tapfer verfochten und dauernd
behauptet. Durch die Natur zu seefahrenden Nationen erzogen, war ihnen
eine Zeit lang die Herrschaft des Welthandels zugefallen, dadurch kam
Reichtum und eine Macht, die in keinem Verhältnis stand zu ihrem Um-
fang. Der Kampf gegen Unterdrückung brachte, Dank den Interessen
mächtiger Nationen, Sieg, mit dem Siege hohes Selbstgefühl.

Die portugiesische Malerei des XVI. Jahrhunderts, obwohl zum teil
Schülerin, fast ein Ableger des Nordens, und sogar geborene Niederländer
aufnehmend, kann doch auf den Rang einer Nationalschule Anspruch
machen. Gewiß, sie würde anders nuancirt sein, wenn sie sich auf einer
breiten Basis eigener Ueberlieferung entwickelt hätte, oder von Italienern
geleitet worden wäre. Aber selbst geborene Fremde, wie jener Frey Carlos
haben sich dem Geist des Orts nicht entziehen können. Das Land, in dessen
Dienst sie traten, hat ihnen nicht bloß ihre Aufgaben gestellt, es hat ihnen
Nationaltypen und Art des Gebahrens, landschaftliche und bauliche Scenerien
und einen höchst originellen Ornamentstil gegeben, kurz einen Familien-
typus. Die niederländische Art mit ihrer Offenheit gegen die Außen-
welt war ja selbst eine Erziehung zur Originalität. Die Freude am Detail,
den Manieristen so ärgerlich, die wohlverstandene und treufleißige Charak-
teristik der äußeren Dinge, eines gotischen Kronleuchters, eines Robbia-
reliefs, eines Renaissancethrons, — die Liebe zur landschaftlichen Natur,
scheint germanische Mitgift; die vertrauliche Anpassung der Legende an
die Umgebung des alltäglichen Lebens ist wohl allgemein quattrocentistisch;
aber in der Erfindung und Anlage der Bilder spürt man die luftige Weit-
räumigkeit des romanischen Südens, der sich auch in einem Zug der Ein-
fachheit und Leichtigkeit, der Lebensfreudigkeit und des großen Stils nicht
verleugnet.
 
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