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A ltons I, Herzog von Ferrara, war der erste italienische Fürst, der
Tizian beschäftigte; er hat ihm den Weg aus dem Kreise der Insel-
stadt in die Welt der Höfe eröffnet. Vor Jahren erhielten wir die ersten
genaueren, wenn auch fragmentarischen Mitteilungen über dieses Verhältnis
durch den um die Kenntnis eines der wichtigsten Kunstherde Italiens ver-

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dienten Grafen Giuseppe Campori, und zugleich Aufschlüsse über einige
der köstlichsten, von jeher gefeierten Werke des Meisters von Gadore.
Für die ferraresischen Bacchanalien, einst, nebst Antonio Lombardi's Skulp-
turen, der Stolz von Alfonso's »Alabasterkammern«, würde man heute gern
einen Olymp der üppigen Griechengöttinnen späterer Jahre hingeben. Das
»Venusfest«, ohne Gleichen unter den Palingenesien antiker Stoffe, hat
eine ganze Klasse späthellenischer Kunst, die Kinder- und Erotenstücke, den
Malern der Folgezeit erschlossen. Der Künstler selbst scheint vom Glücke
dieses Wurfs, dieser Intuition besonders erbaut, ja überrascht gewesen zu
sein. Das philostratische Gemälde hatte ihm der obwohl ungelehrte Herzog
Alfonso selbst angegeben, und eine skizzirte Figur dazu geliefert. Tizian
gestand, daß diesmal sein Erfolg ganz das Verdienst der Idee sei; die Seele
habe der Herzog gegeben, er nur den Leib. Er fügt hinzu (er war auf
dem Wege ein Hofmann zu werden), er sei wieder bestärkt worden in seiner
Meinung, daß die Maler die Größe ihrer Kunst zumeist, ja ganz der Mit-
hilfe der großen Fürsten schuldeten, die ihnen mit soviel findigem Ver-
stand ihre Aufgaben zu stellen wußten1).

Von 1516 an bis zu des Herzog Tode war Tizian oft als Gast im
Palast zu Ferrara. Der Schloßherr liebte den Verkehr mit Technikern,
Künstlern, Handwerkern; nicht ohne Aergernis der Umgebung, die solche
Unterschätzung der Etikette mit einer Unterschätzung seiner Person ver-
galt, die ihm einmal beinahe verhängnisvoll wurde. Es war nicht immer
leicht mit diesem eisernen Topf zu schwimmen, diesem seltsamen Kunst-

') Qua Ii ingeniosissimi Ii ordinaveno.
CAMPORI, Nuova Antologia 1874. Diese
Stellen werden gewöhnlich auf das Baccha-
nal in Madrid bezogen und die figurina
bo^ata auf die schlummernde Bacchantin
im Vordergrund, die einem antiken Relief |

entlehnt sein soll. Die Worte Tizians
passen aber besser auf ein neues Thema
wie das Kinderfest, als auf jene fete cham-
petre, die ja nur eine Variante der Belli-
nischen Tafel war, auf der sogar die
schlafende Figur bereits vorkommt.
 
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