Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3°°

RUBENS UND DER INFANT FERDINAND

die daheim. Die Kirmeß in Antwerpen (August 1639) ist besser als die
Brüsseler: ein großer Aufzug mit vielen Triumphbogen, »zum Schluß geht
es an's Schmausen und Trinken und vor allem Sichbesaufen, denn ohne
das giebt es hier zu Land kein Fest. Wahrlich, sie leben in diesem
Lande wie das liebe Vieh.«

Aber die Brüsseler Damen haben Gnade gefunden vor den Augen
S. Eminenz. »Die Frauen sind sehr schön in allen Classen; besonders
reizend sind die mit schwarzen Augen und weißem Teint; da ist die
Hilfe Gottes hochnöthig, um sich vor ihnen zu retten, denn es sind wahre
Teufel. Und die Ungenirtheit (Llane\a) ist so groß und schafft soviel
Gelegenheit. Diese Leichtigkeit des Verkehrs bezieht sich indeß nur aut
die Gesellschaften; denn zu Hause sind sie schwierig, und nichts ist zu
erreichen, was ein großes Leidwesen ist (grau trauafoj.« Besonders findet
er die Tracht selbst auf Bällen so, daß der bloße Anblick abkühlt. Die
spanische Mode, namentlich der steife Kragen (golilla) ist so verhaßt, daß
die Cavaliere nach der Audienz sich umkleiden, weil die Damen sonst
nicht mit ihnen sprechen wollen. »Es ist hier üblich, Audienzen in mei-
nem Zimmer zu geben, und das ist ein Teufelsding, ja einige verlangen
gar geheime. Bis jetzt aber hat sich nichts besonderes zugetragen . . .
Ich bin schwankend zwischen Donna Bianca Coloma und ihrer älteren
Schwester, der Princessin von Chimay, ich schwöre E. M., das sind die
schönsten Weiber, die ich je gesehen habe —■ das sag' ich E. M., nicht
als meinem König, sondern als Caballero honrado.« Ueber jene Audienzen
geruhte S. M. eine Warnung zu erteilen. Denn am 4. Februar 1635 heißt
es: »Bei den geheimen Audienzen der Damen werde ich mich verhalten,
wie E. M. mir befiehlt, und ich küsse höchstderselben die Hand mit der
schuldigen Ehrfurcht für diesen Befehl, in dem ich die Rücksicht E. M.
für meinen guten Ruf erkenne, der am Ende ja auch der E. M. ist.«

Armer vierundzwanzigjähriger Cardinal! Wie bald sollte er die schöne
Welt verlassen, die er so berufen war, zu kennen und zu genießen! Die
vielfachen Anstrengungen, denen er sich mit rücksichtslosem Loshausen
auf seine Kräfte unterzog, in Feldzügen, Jagden, Geschäften und Ver-
gnügungen, nebst den Anfällen des Wechselfiebers, hatten seine Lebens-
kraft bald aufgezehrt. Sein Tod war einer der vielen Unsterne in der
Unglücksconstellation, die im fünften Jahrzehnt des Jahrhunderts über die
spanische Monarchie heraufzog. Während nun der Abgrund sich öffnete,
den das Walten des Olivares gewühlt, Portugal verloren ging, Catalonien
sich empörte; verlor der König rasch nach einander den einzigen Bruder,
seinen ersten Ratgeber, die Gattin und den einzigen Sohn und Erben.
In welch anderem Sinne galt nun von ihm, was Ferdinand in einem der
ersten Briefe geschrieben (5. August 1632), als er die Nachricht von dem
Tode seines Bruders Don Carlos vernommen: »Mein größter Schmerz
ist der Gedanke an die Einsamkeit, die E. M. nun beschieden ist.«
 
Annotationen