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Vierte Reise (Herbst 1877)

An die Mutter

Parma, d. 20. August 1877

HEUTE, grade eine Woche nach unserer letzten unter Regen,
Donner und Blitz geendigten Partie nach Gosfelden, diesem
mir in früher Jugend, wenn alle Mittel der Besserung fehlschlugen,
so oft angedrohten Straf- und Zuchtort, heute muß ich Dir einen
Bericht von meiner ersten Reisewoche schicken. Dies kann ich
aber nicht, zumal da eigentlich nur von großen Fahrten und flüch-
tigen Städtebesuchen zu berichten ist, ohne vorher ein Wort der
Sehnsucht und dankbarer Wehmuth dem schönen stillen kühlen
Stübchen mit dem weinumrankten Fenster zu widmen, das ich fast
täglich bereut habe, so bald wieder verlassen zu haben. Denn ich
habe noch wenig Stunden bisher zu zählen, die nicht unbehaglich
gewesen wären. Auch die Mitreisenden, die in der Schweiz blieben,
und in der kräftigenden Bergluft in energischer Bewegung ihre
Nerven stärken wollten, beneidete ich. Denn ich bin hier in eine
Hitze gerathen, daß die 23 Grad im großen schattigen Saal für
Kühle gelten können. Die gestrige Fahrt von Turin bis Parma,
von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags hätte man jemand
als Strafe für seine Sünden diktiren können. Die von der Sonne
glühend gemachten Seiten und Decken der Wagen wirkten wie ein
Ofen; auch sagte fast jeder, der einstieg: „e un fornace". Die Luft

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