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Kallius, Erich
Anatomie und bildende Kunst: Rede zur Jahresfeier der Universität Heidelberg am 22.11.1923 — München, [1924]

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https://doi.org/10.11588/diglit.15407#0007
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Herr Staatspräsident, sehr verehrte Gäste,
liebe Kollegen und Kommilitonen ?

Wir haben uns entschlossen, auch in diesem Jahre nach altem
guten Brauch den Anfang des akademischen Jahres am Stiftungs«
tage der Ruperto - Carola in gewohnter Weise feierlich zu begehen.
Das soll diesmal weniger denn je ein prunkhaftes Fest sein; wenn der
Rahmen auch danach aussieht, die Herzen sind ernsthaft bedrückt
und die Trauer des Landes liegt auf uns wie Zentnerlast. Und doch
ist es in solchen schwersten Zeiten unseres Vaterlandes besonders
wünschenswert, sich in kleinem Kreise zu sammeln, um wieder ein«
mal eng beieinander zu sein in dem Gefühle des Zusammengehörens
im Schöße unserer gütigen Mutter, der wir unser Leben geweiht
haben, und von der Sie, liebe Kommilitonen, Segen und Kraft für
ein ganzes Leben gewinnen wollen. Und wie seitaltersher bei solchen
Festen ein jeder Früchte seines Ackers oder Blüten seines Gartens
darbringt, so will ich heute in der Pause, in der wir ruhen von der
Last des Tages, die uns jetjt alle besonders zermürbt, beim Antritt
meines Amtes etwas bringen, was am Rande meines Arbeitsfeldes
steht, wobei ich allerdings leider gestehen muß, daß ich leicht in
Gebiete hineinkomme, auf denen ich nicht recht Bescheid weiß, die
mir nicht eigentlich gehören, was Sie damit entschuldigen wollen,
daß man gerne an Sonn« und Feiertagen seine besondere Lieb»
haberei hervorholt.

Ich will Ihnen reden von den Beziehungen der Anatomie im
weiteren Sinne zu dem Gebiete der bildenden Kunst, auf dem so
oft der Anatom gebeten oder ungebeten zu Worte gekommen ist.
Leicht scheint es, als wenn sich die Beziehungen beider, des Künstlers
und des Anatomen, von selbst ergeben, denn so oft hört man, daß
die Darstellung des menschlichen Leibes höchstes Ziel der bildenden
Kunst sei und jedermann weiß, daß der Künstler nicht nur das
lebende Modell, sondern auch die anatomischen Studien benutzen
muß, um Vorteil für sein Schaffen zu haben.

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