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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0313

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13. Darstellungen von Menschen

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im normalen minoischen, vom Festlande unverändert übernommenen Typus mit
ausgespannten Schwingen und flachem Kopfschmuck, aus dem der Haarschopf wie
ein Helmbusch hervorkommt: Evans II 778 Abb. 506; Bossert Abb. 228 f.

Etwas vielseitiger ist der Greif vertreten, auch er meist in der gewöhn-
lichen kretischen Stilisierung: Goldbleche 29, XXVII und 47, XXVI; laufende
Greifen auf dem Dolche 747, XCI und der Schwertklinge 416, S. 101 Abb. 34.
Ganz verwildert ist die Wiedergabe auf dem Nadelkopfe 274, XXXII (zu den
Löwen s. oben S. 298); und diese führt zu dem ohne solche Zwischenglieder gar
nicht als Greifen erkennbaren Ungetüm der mattbemalten Vase 948, CLXXIV,
die ihrerseits einer melischen Gruppe nahesteht: Evans I 558 f. Abb. 405 f. Selb-
ständig ist auch in diesen Typen das Festland nicht.

Von dem Seeungeheuer auf dem silbernen Rhyton 481, S. 176 Abb. 85
ist leider nur ein Teil des Kopfes erhalten, so daß sich darüber nichts Näheres
sagen läßt1). Besonders betont muß werden, daß die menschengestaltigen, tier-
köpfigen minoischen Dämonen in den Schachtgräbern noch vollkommen fehlen.
Erst einige Jahrzehnte später ziehen sie auf dem Festlande ein.

13. DARSTELLUNGEN VON MENSCHEN

Über die Menschendarstellungen aus unseren Grüften kann ich
mich in diesem Zusammenhang kurz fassen. Von den kleinen, goldenen Frauen 36,
XXVII ist oben S. 182 das Nötige gesagt. Die beiden nackten Göttinnen
27/8, XXVII stehen fast ganz isoliert in der mykenischen wie in der minoischen
Kunst, die bei beiden Geschlechtern Nacktheit geradezu verabscheut — ein inter-
essanter Gegensatz zum Neolithischen und Kykladischen wie auch zum Nachmyke-
nisch-hellenischen. Immerhin sind Inselidole nicht nur nach Kreta gelangt, sondern
dort auch nachgebildet worden; Evans I 47 ff. Abb. 13 gibt hierüber eine lehrreiche
Zusammenstellung. Und daß aus sakralen Gründen noch in der Spätzeit nackte
Figürchen hergestellt wurden, wenn auch nur in ganz vereinzelten Fällen, lehrt
das weibliche Exemplar aus der kleinen knossischen Kapelle, Evans I 52 Abb. 14.
Nun ist in demselben Raum auch ein Idol des bekannten, gewiß altertümlichen
Typus mit zylindrischem Leib gefunden worden (BSA. VIII 99 Abb. 56), das ein
Vögelchen auf dem Haupt trägt, genau wie die beiden mykenischen Göttinnen. Die
Frage bleibt also offen, ob diese minoischer oder alteinheimischer sakraler Über-
lieferung entstammen. Ich neige allerdings zu letzterem. Wir können auch nicht
entscheiden, ob solche Goldbleche bloß als Teile des Schmuckes der Lebenden oder
mit betonter religiöser Absicht ins Grab gelegt worden sind. Das hebt Nilsson,
Minoan-mycenaean Religion 259 (vgl. 290. 340 f.) scharfsinnig hervor. Indessen

l) Vgl. Sp. Marinatos, 'Ap/. AeXriov 1926, 51 ff.; zur Deutung der ganzen Darstellung ebda. 78 ff.
 
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