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Kauffmann, Hans; Donatello [Ill.]
Donatello: eine Einführung in sein Bilden und Denken — Berlin: G. Grot'sche Verlagsbuchhandlung, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.62770#0177
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B. David und Judith

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in einer ringsum vollwertigen Statue, deren Allseitigkeit durch die kreisrunde
Basis511) bekräftigt wird, Gestalt verliehen. Forscht man nach, wo diese Konzep-
tion in Donatellos Lebenswerk ihresgleichen habe, so wird man auf die Judith hin-
gewiesen.
Von Vasari geleitet haben die Gelehrten des 19. Jahrhunderts David und Judith
in einem Zusammenhang besprochen512); durch die Erkenntnis der späten Ent-
stehungszeit der Judith wurde er unterbrochen, aber nach der Spätdatierung des
David513) stellen wir ihn wieder her.

Obgleich für die J u di th nähere Kunde fehlt, hat sich die Forschung mit hin-
reichendem Grund darauf geeinigt, daß sie um ein gutes Menschenalter dem
Abraham am Campanile gefolgt sei514). Wieder beschäftigte den Meister eine
statuarische Gruppe, und er bewältigte sie auch diesmal durch völlige Subordina-
tion, der Partner geht so sehr in den Umriß der Hauptfigur ein, daß sich das Figu-
renpaar wie eine Einzelgestalt ausnimmt. Grundsätze der gotischen Monumental-
statue und gotischer Gruppenbildung in einem Steinblock stehen den mehr frei-
räumlich komponierten antiken Gruppen entgegen; daher sieht Donatellos Judith
aus der Ferne betrachtet manchem gotischen, selbst nordisch-spätgotischen Bild-
werk nicht unähnlich515). Wie aber aus dem Sockel die sieben Wasserstrahlen des
Brunnens ringsum sprühten, greift auch die Gruppe nach allen Richtungen in den
Raum aus, und in der Seitenansicht entfaltet Holofernes seine barbarische Wildheit
im räumlichen Leben seines Kontraposts und seiner Gliederspreizung. Obwohl der
Front die überlegene Würde gehört, erschließt sich doch erst dem umschreitenden
Beschauer das Bildwerk in seiner dramatischen Gegensätzlichkeit. Das ist ein
Anzeichen später Entstehung und damit geht das Nachleben der Holofernesfigur
als freie Nachahmung einer antiken Schöpfung in einer Bronzestatuette Bertoldos
(Museo Nazionale-Neapel516) zusammen (Tfl. 29).
Aber der Unterschiede von der Abrahamgruppe sind noch mehr. Diese stellte
zwei Gestalten in loser Berührung nebeneinander; dagegen wurde Holofernes mit
Judith verschmolzen, so daß sein Rumpf nur halb freiliegt. Die Campanilegruppe
wurde durch Isaaks Faceansicht und vorstoßendes Gliederwerk zum Beschauer hin
aufgeschlossen; die Judithgruppe bekam durch die Rückenansicht des Holofernes
einen Abschluß. Abraham und Isaak divergieren, Judith und Holofernes sind zen-
tripetal zusammengehalten, alle Bewegung gravitiert zur Mitte; dort schwingen
Schrägen und Kurven, hier regieren bei strengerer Frontalität Senkrechte und
Waagerechte, und das starre Ragen der Hauptfigur verbindet sich mit der harten
 
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