Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Ehemaliger Kreis Wimpfen — Darmstadt, 1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18713#0200
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WIMPFEN A. B.

175

auf einem Quaderstein der Mauerkante, hat die Pietät der Ueberlebenden das Andenken
des Erbauers durch folgende wohlgemeinte Reimschrift verewigt:

fjaitf? 2tff 6er 2lclteft eibaumet midj
Sein 2IIter auff 70 3abr erftritt ftd?
Unno '590.

An dem gegenüber gelegenen Hause Nr. 184 treten aus dem Quaderwerk des
Untergeschosses zwei Wappenschilde vor. Das Feld des einen Schildes zeigt in
meisselfertigem Relief einen zähnenfletschenden Wolfsrachen; der andere Schild trägt
die Jahrzahl 1525.

In unmittelbarer Nachbarschaft steht ein mit Nr. 183 bezeichnetes kleines Haus,
an dem viele Besucher des Burgviertels gleichgiltig vorübergehen. Und doch ist die
wenig beachtete Behausung in einzelnen Theilen für die
Wimpfener Baugeschichte von Bedeutung, weil darin
das älteste bürgerliche Heim, wenn auch als noch so be-
scheidenes Beispiel der verschwundenen Wohnbauten
der freien Reichsstadt aus frühmittelaltriger Zeit, kenn-
bar an Pforte und Fenster sich erhalten hat. Dem im
baukünstlerischen Sehen geübten Auge verräth sofort
der von einem derben Rundstab umzogene, in gediege-
ner Werktechnik ausgeführte Bogeneingang den roma-
nischen Ursprung. (Fig. 94.) Das Erdgeschoss lehnt sich
mit seiner Rückseite an den Zug der Burgmauer und
ist an dieser Stelle von einem Fenster durchbrochen,
welches das Tageslicht einem jetzt als Futterraum—~
dienenden Gemache zuführt. Die Lichtöffnung ist ein
sogenanntes gekuppeltes Doppelfenster mit einer spät-
romanischen Säule, welche die beiden Abtheilungen Fig. 94- Wimpfen a. B.
scheidet. (Fig. 95.) Das Basament der in der Abbildung Eingang eines roman. Hauses
zeichnerisch erneuerten Säule besteht aus einer Hohl- der Schwibbogenstrasse.

kehleneinziehung zwischen zwei Pfühlen und einer unterlegten Plinthe, deren Vor-
sprünge mit plattförmigen Eckknaggen verziert sind. Der polygone Säulenschaft hat
eine Ornamentation von Zickzack-Linearzügen. Ein Ring, sogen. Anulus, vermittelt
den Schaftübergang zum Kapital, das von Palmetten umkränzt ist, die durch ein
Astragalband zusammengehalten werden. Ueber dem Palmettenkranz lagern Voluten
mit kugelförmigen Abschlüssen. Kein Zweifel, dass diesen Ueberresten die gleiche
Zeitstellung zukommt, wie den Palalialruinen und dass darum das unansehnliche
kleine Bauernhaus ein gleiches Anrecht auf Schonung und Schutz vor Vernichtung
erheben darf, wie die Trümmer der Kaiserpfalz.

Ein Zeitraum von mehreren Jahrhunderten trennt das romanische Häuschen Gemming
von dem unweit davon erbauten stattlichen Hofgebäude der Freiherrn von Gemmingen
und Zelenhard. Das Herrenhaus ist in stilistischem Betracht minder bedeutsam. Die
Thorfahrt hingegen wird von kraftvollen Pfeilern flankirt, deren Barocco-Kämpfer
 
Annotationen