Kommunikative Distanz
Zu den Anfängen der Fassade am Beispiel des Trierer Doms
Die Fassade ist eine Erfindung des späteren n. Jahrhunderts. Dieser etablierten Meinung
wird hier nicht widersprochen; es werden aber mit dem Blick auf den Trierer Dom ein
nicht angemessen gewürdigtes Objekt und eine frühere Zeitstufe anvisiert. Wenn die For-
schung, vor allem die französische, die »facade harmonique« um 1080 in Nordfrankreich
entstehen sieht, so übersieht sie die äußerst anspruchsvolle Konzeption des Trierer West-
baus.1 Aber es geht hier nicht um Prioritäten. Es wird auch nicht behauptet, daß Trier ent-
scheidenden Einfluß auf die weitere Entwicklung genommen hat. Noch ist und bleibt das
Spektrum der »Westlösungen« verwirrend vielfältig.2 Aber eine erneute Betrachtung des
Trierer Ensembles kann die Grundfragen einer Bauaufgabe klären helfen und die Fakto-
ren und Motive studieren, die zur Genese der Fassade führten.
Da wir also von Anfängen sprechen, werden wir Widersprüchlichkeiten in Kauf neh-
men müssen. Gleichwohl läßt sich die Trierer Domfassade ohne Zwang unter eine allge-
meine Definition dieser Bauaufgabe bringen, die folgendermaßen lauten könnte:
1. Eine Fassade ist in Umfang, Aufbau und Artikulation ein eigener, aber kein selbstän-
diger Bauteil, der in seiner Gänze und unverstellt wahrgenommen werden will. Die
Fassade hat eine Eigenlogik, sie bildet einen überschaubaren Zusammenhang aus
Ästhetik und Sachgesetzlichkeit, der sich auch in seinen bescheidensten Ausprägun-
gen als Komposition darbietet.
2. Ihrer Funktion nach ist die Fassade die Mittlerin zwischen Innen- und Außenbau und
zwischen Bau und Umgebung des Baus. Ein Bauwerk mit Fassade hat und braucht
Raum. Diese reflektiert den Raum hinter ihr, und sie reflektiert auf den Raum vor ihr.
Die Funktion des Vermittelns zwischen Innen und Außen drückt sich mediengerecht
darin aus, daß die Fassade eine raumhaltige Zone eigener Zuständigkeit ausbildet. Ihre
bevorzugte Artikulationsform ist das mehrschichtige Relief, das in - wörtlich verstan-
den — komprimierter und oft auch in symbolischer Form über diesen speziellen Bau,
seinen Auftrag, aber auch über Architektur generell spricht.
Ich benutze hier das Wort »reflektieren«, um das Wort »repräsentieren« zu vermeiden, das
an dieser Stelle regelmäßig fällt. Es hat ebenfalls seine Meriten, aber seine Verwendung hat
1 Zur Fassade im Mittelalter vgl. zuletzt den Sammelband: La Facade Romane. In der Reihe: Cahiers de
civilisation medievale 34, 1991, H. 3/4.
2 Siehe dazu zuletzt den Kongressbericht von Werner Jacobsen in: Kunstchronik 52, 1999, S. 564fr. Kubach
und Verbeek unterscheiden in ihrem Handbuch (wie Anm. 7) »wenigstens zehn verschiedene Arten des
Westabschlusses«.
Zu den Anfängen der Fassade am Beispiel des Trierer Doms
Die Fassade ist eine Erfindung des späteren n. Jahrhunderts. Dieser etablierten Meinung
wird hier nicht widersprochen; es werden aber mit dem Blick auf den Trierer Dom ein
nicht angemessen gewürdigtes Objekt und eine frühere Zeitstufe anvisiert. Wenn die For-
schung, vor allem die französische, die »facade harmonique« um 1080 in Nordfrankreich
entstehen sieht, so übersieht sie die äußerst anspruchsvolle Konzeption des Trierer West-
baus.1 Aber es geht hier nicht um Prioritäten. Es wird auch nicht behauptet, daß Trier ent-
scheidenden Einfluß auf die weitere Entwicklung genommen hat. Noch ist und bleibt das
Spektrum der »Westlösungen« verwirrend vielfältig.2 Aber eine erneute Betrachtung des
Trierer Ensembles kann die Grundfragen einer Bauaufgabe klären helfen und die Fakto-
ren und Motive studieren, die zur Genese der Fassade führten.
Da wir also von Anfängen sprechen, werden wir Widersprüchlichkeiten in Kauf neh-
men müssen. Gleichwohl läßt sich die Trierer Domfassade ohne Zwang unter eine allge-
meine Definition dieser Bauaufgabe bringen, die folgendermaßen lauten könnte:
1. Eine Fassade ist in Umfang, Aufbau und Artikulation ein eigener, aber kein selbstän-
diger Bauteil, der in seiner Gänze und unverstellt wahrgenommen werden will. Die
Fassade hat eine Eigenlogik, sie bildet einen überschaubaren Zusammenhang aus
Ästhetik und Sachgesetzlichkeit, der sich auch in seinen bescheidensten Ausprägun-
gen als Komposition darbietet.
2. Ihrer Funktion nach ist die Fassade die Mittlerin zwischen Innen- und Außenbau und
zwischen Bau und Umgebung des Baus. Ein Bauwerk mit Fassade hat und braucht
Raum. Diese reflektiert den Raum hinter ihr, und sie reflektiert auf den Raum vor ihr.
Die Funktion des Vermittelns zwischen Innen und Außen drückt sich mediengerecht
darin aus, daß die Fassade eine raumhaltige Zone eigener Zuständigkeit ausbildet. Ihre
bevorzugte Artikulationsform ist das mehrschichtige Relief, das in - wörtlich verstan-
den — komprimierter und oft auch in symbolischer Form über diesen speziellen Bau,
seinen Auftrag, aber auch über Architektur generell spricht.
Ich benutze hier das Wort »reflektieren«, um das Wort »repräsentieren« zu vermeiden, das
an dieser Stelle regelmäßig fällt. Es hat ebenfalls seine Meriten, aber seine Verwendung hat
1 Zur Fassade im Mittelalter vgl. zuletzt den Sammelband: La Facade Romane. In der Reihe: Cahiers de
civilisation medievale 34, 1991, H. 3/4.
2 Siehe dazu zuletzt den Kongressbericht von Werner Jacobsen in: Kunstchronik 52, 1999, S. 564fr. Kubach
und Verbeek unterscheiden in ihrem Handbuch (wie Anm. 7) »wenigstens zehn verschiedene Arten des
Westabschlusses«.