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Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0021
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I. Einleitung.

§ i-

Entstehung und Art der Untersuchung.

Die wahre Bildung des Menschen zeigt sich in der Art und
Kraft seines Handelns. Dieses ist — abgesehen von einem Kern an-
geborner Willensbegabung — abhängig von der Tiefe unserer Einsicht in
die Gründe und von der Grösse und Mannigfaltigkeit unserer Gewöhnung.
Wie stark die Macht der Übung auf Kraft und Sicherheit des Handelns
wirkt, dessen ist sich jener am besten bewusst, der in schweren
Kämpfen gegen eigene Interessen sich zu einer mutigen Tat aufraflt.
Er fühlt geradezu nach vollbrachter Tat den Kraftzuwachs seiner
Willensstärke, wie umgekehrt die ewigen Vermittlungsmenschen immer
schwächer und schwächer werden in allen Willensentscheiden, bei
denen die eigene Behaglichkeit in Frage steht. Bei heftigen inneren
Kämpfen wirkt aber nicht bloss der angeborene oder erworbene
Mut entscheidend, sondern auch die Tiefe der Einsicht, die uns die
Tragweite der Handlung in allen Wirkungen überschauen lässt.
Diese Einsicht wird erworben aus der Erfahrung, die wir in persön-
licher Arbeit gewinnen, und aus der Belehrung, die uns unsere Mit-
menschen zuteil werden lassen. Das auf dem ersten Wege erworbene
Wissen ist für unser sittliches Handeln das wertvollste, denn es ist
fester mit unserm ganzen Seelenleben verwachsen als das angelernte
Wissen. Das letztere gewinnt erst dann Kraft in uns, wenn das
Erfahrungswissen den Boden bereitet hat, in dem es Wurzeln schlagen
kann, wenn es den geistigen Hunger befriedigt, der jedem Erfahrungs-
wissen anhaftet, wenn es die Lücken füllen hilft, welche in der Er-
fahrung des Einzelnen immer bestehen müssen, wenn es durch
ununterbrochene Arbeit vollständig mit unserem Erfahrungswissen
verwächst.

Buchwissen
und Erfahrungs-
wissen.
 
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