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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Raupp, Karl: Vor tausend Jahren: von den Denkmälern aus romantischer Zeit auf Frauenchiemsee
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0076

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Oor tausend Iahren. von Uarl Rauxp.


Hcrrenchiemsee die >Hrche ausgeweiht. Fasr gleichzeitig
wird mau die Errichtuug des Frauenklofters anuehnie»
kduucu. vbgleich Urkundeu desselbeu. sreilich als schvu lauge
besteheud, zum erstennial uuno 894 erwähuen. Ju diesem
Jahre bauute Kvnig Arnulph seine uahe Berwaudte Hilde-
gard, eiue Tvchter König Ludwig's, des Bruders Carl-
mauus uud Karls des Dicken, in das Kloster Chiemsee.
Jedensalls dieselbe, welche heute uoch von deu Kloster-
sraueu uuter dem Nameu Jrmengard als erste Äbtissiu
verehrt wird. Wahrscheiulich iu Folge der Regieruug
dieser Äbtissin, welche eiue von vier Halbzirkelu geschlossene
Kroue trug, ward dem, von dem Kloster Herrenchiemsee
abhäugigeu Kloster, eine größere Selbständigkeit gewährt
uud dasselbe von da au auch urkundlich erwähnt. That-
sächlich sind beide Klöster schou 789 d. 24. Skt. von
Kärl dem Großeu dem Erz-
bistum Meb verliehen, 890
aber vvn Aruulph wohl aus
praktischeu Griinden, dem
uühergelegeueu Erzbistum
Salzburg uuterstellt wordeu.
Bald uach deni Tode Jr-
mengard's, um 908, brach
die Sturmslut der Huunen
hereiu, beide Klöster zerstörend.
Frauenchiemsee erhob sich rasch
zu ueuer Blüte, spät erst, im
12. Jahrh., erstand Herreu-
chiemsee wieder. Das roma-
nische Portal nuu, dessen um-
gelenke Formeu deunoch uu-
zweiselhast romauischen Eha-
rakter verraten, aber gleichsam
noch als erste Eutivickluugsstuse
architektonischer Gliederung sich
darstelleu, wer wollte bei der
Betrachtuug desselben zweiselu,
vor einem Zeugen aus der
srühesteu Zeit unseres Klosters
zu steheu?
Eine Gruppe vou Säuleu
trägt auf beiden Seiten des
Eingaugs deu mehrsach prv-
filierteu uud oruameutierten
Rundbogen, unter dem jetzt
eine kupserneThür ausgotischer
Zeit, quasi in lebendiger
Jllustration des Wechsels alles
Jrdischeu äen prächtigen Löwenkopf eines romauischeu Thür-
klopferS, wie eine barrocke Thürschloßeinfassung nebst
Trücker uoch zeigt. Eiueu Gypsabguß des Löwenkopses
besitzt das Germanische Nationalmuseum iu Nüruberg.
Tie schwachen, jetzt im Boden steckenden Sockel, auf
welcheu die dünnen und ziemlich uiederen Säuleu ruhen,
sind kleiu und gedrückt, teils umsponuenen Kisseu ühulich,
teils in Köpfen grotesker Art bestehend, aus denen unver-
mittelt alsdann die Säule hervorwächst. Ebenso finden
wir die Kapitäle iu weicher, runder, wulstiger Form mit
ornamentalem Flechtwerk umziert. Tie beideu äußersten,
aus Köpfeu ruhendeu Säulen treten alleiu völlig aus der
Mruer hcrvor, sie zeigen an ihrem Käpitäl ebensalls deu
gleichen Charakter, nur recken sich hier an den Eckeu des

Wulstes je zwei Köpfe odcr Fratzcn, unlicbeuswürdigsteu
Aussehens, dem Beschauer unvermutet entgegen.
Sicherlich hatten diese äußereu Säuleu znr rvmauischeu
Zeit eine stützende oder tragende Bestiiumung und uur die
spätere Einschaltuug des romanischen Portals iu deu gotischeu
Neubau ließ dieselben ihres Zweckes verlustig gehen. Auch
die beideu pyramideuartigen Aussütze mögeu ursprüuglich
audere Verweudung gehabt habeu uud kamcu uur durch
Uukeuutnis au ihre jetzige Stelle.
Ter Rundstab des Bogeus, sowie dic Fülluug der
Thüre sind ebeusalls ornameutiert, bei letzterem sogar scheint
offeubar das Blatt der Wasserrose, wie bei den ältesteu
Wappeuschilderu auf Frauenchiemsee zur oruamentalen An-
wcudung gelaugt zu sein.
Gewiß ist das Priuzip dekorativer, architektouischer
Ausbildung hier schon zum
vollen Ausdruck gebracht, so
sehr auch alle Formeu, wie
bereits gesagt worden, noch
uaiv, rauh und stumpf sich
zeigeu uud selbstverständlich
durch die vielfache Tünche,
welche im Laufe der Zeit
darüber gelegt ward, weder
schürser noch klarer werden
kounten.
Ikuter der Patiua des 2ll-
ters, dcm Ganzen eiu solch
malerisch ehrwürdiges Aus-
sehen gebend, verzieh mau die
Sündeu der srüheren Maler-
meister von Frauenchiemsee
zuletzt gerue. Schou manche
Stasfelei staud iu der Vor-
halle und so manche Lein-
ivaud darauf trug das ge-
treue Abbild dieses Portals.
Tie malerischeu Jutentioneu
des Bkaurers Habammer vou
Fraueuchiemsee aber, der deu
jüngst ihm gewordeueu Auf-
trag, eiue seuchte Ttelle des
spätgotischeu Gewölbes der
Vorhalle auszubessern, offen-
bar zu Ehreu des erwarteten
ueueu Herru Psarrers auf das
ganze Portal ausdehnte, hätleu
solchen Studieu ohne das
Tazwischeutreteu der Traunstciuer Baubehörde wohl für
lauge Zeit eiu Ende bereitet. Toch schou in dieseu Tageu
bereits ward die sleißige illrbeit des vielseitigeu Maurers
wieder sorgsältig heruntergewascheu — die Freude war
kurz — uud hiermit das neueste Attentat einer brutaleu
Verschöneruugssucht zum Glück gegeustandslos gemacht, das
ehrwürdige Äußere dieser Klosterpforte hoffentlich für immer
gerettet. Vor allen Dingen jedoch gemahnt dieser Fall,
deu kulturhistorischen Tenkmalen aus so fernliegenden Perio-
den uuserer Geschichte, deren wir iu Bayern nicht viele
besitzeu, eine erhöhte konserviereude Beachtuug zu schenken,
uichts achtlos zur Seite liegen zu lassen; mehr als der
nimmer ruhende Zahu der Zeit zerstört unbeaussichtigter
Unverstand die wenigen Reste alter Kunstdenkmale, welche


Porkal des Rlostrrs Fraurnchiemsre.
Zeichnung von Hermann Koch.
 
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