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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Vincenti, K. von: Die Wereschagin-Ausstellung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0113

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Von A. von

v i n c e n t i.

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sind sich mit rnssinierteni Ausstellungs-Geschick gegenüber-
gestellt: hier das alte Thor in Delhi aus Rotstein und
das weißmarmorne Fenster an Achbar's Grabmal, dort die
Hauptmoschee von Delhi im Abeuddämmer, der Moskauer
Kreml bei Maimorgenlicht. Beim elektrischen Glühlicht strahlt
der verwitterte Sandstein des alten Thores mit seinem
reizvollen Bogenmotive wie rosige Glut; daneben blendet
in glühweißer Besonnung der weiße Marmor des Grabmals;
Tempelhüter in weiß hocken aus der Verandabank unter
dem durchbrochenen Marmor-Gitterfenster. Man muß
sehen, wie diese Figuren mit dem Spachtel aus dem Blüt-
weiß herausmodelliert sind, wie
sich die rotgelben Reflexe unter
den blauen Schatten spielen, je
nachdem das Sonnenlicht von
oben, oder von der Scite ein-
fällt! Pastose Reliefwirkungen,
wie sie kaum je ein Maler
riskiert hat. Ebenso wie des
sreien, sv ist er auch ein Meister
des gedümpften, gefangenen
Lichts. Diese marmornen und
buntsliesigen Sanktuarien der
Agraer Perlmoschee und der
Futipor - Sikri - Moschee, dies
Jnterienr ausskulptiertem Rot-
stein iin Berbul-Hause mit dem
sarazenischen Bogen und dem
indischen Zapfenschmuck sind
voll der reizendsten Effekte.
Tie beiden liebsten Bilder
würen mir jedoch der „Tadsch"
zu Agra in Morgen- und
Abendbeleuchtung. Ter Mar-
mordom, unter welchem die
Gunstsrau Schah - Dschihan's
schläft, ist eine der herrlichsten,
kostbarsten Tenkmale mos-
lemisch - indischer Architektur.
Von Cypressen nmrauscht,
steigt er aus einem märchen-
haften Gartengrunde empor
und spiegelt sein schimmerndes
Haupt im stillen Weiher.
Welch' wunderbare Ruhe liegt
aus diesen Bildern, welch'seliger
Frieden; es weht ein Hauch
der Ewigkeit über diesem
Schlummergrunde und wie der
leise Nachhall eines Betruf-
liedes zieht es durch die be-
ruhigte Seele .. . Mit feinstem
Auge geschaut und unter Ge-
fahr und Mühsal erkümpst sind
die Himalaya-Bilder (Sonnen-
aufgang); zwei Tage lag Wereschagin bewußtlos im Schnee,
nur seine Frau hatte bei ihm ausgeharrt. . . Beide waren
bis zur hochstgelegenen Touristenhütte der Welt, aus eine
Vorstufe des Himalaya bei Dschongri, aufgestiegen. Unter
den Charakterköpfen sind besonders die Tibetanischen Lama-
Priester, mongolische Butijas von Sikkim und einige Hindus
hervorzuheben.

Vielleicht das größte Aufsehen erregen die Bilder aus
Patästina und insbesondere die realistischen Darstellungen aus
dem Leben Jesu, welche — von des Künstlers Seite sicher-
lich unbeabsichtigt — ein gewisses Ärgernis hervorgerufen
haben, so daß man von gewisser Seite ivegen Entfernung
speziell der „hl. Familie" an den Künstler herangetreten
war. Wir sehen uns einem müßig großen profanen
Genrebilde gegenüber, welches die Pflegeeltern und Pflege-
geschwister Christi im Hofe des Zimmermannshauses zu
Nazareth in ganz alltäglicher Weise versammelt. Links ab-
seits sitzt der rotblonde Knabe Jesus, in eine Schriftrolle

vertieft; Josef, der Nährvater, arbeitet rechts, von eineni
Gesellen assistiert, an der Hobelbank, während Maria mit
zwei Pflegetöchtern unter dem Thorbogen, wo bunte Laken
vom jWäschesell hängen, eine Gruppe blldet und die beiden
Pflegebrüder mitten im Hofe lungern. Die über die hohe
Mauer schräg einfallende Sonne bringt einen reizenden
Lichteffekt in das warm gestimmte Bild, für dessen Dar-


Studir. Don N). N). N)ereschagin.
 
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