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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Über die staatliche Kunstpflege in Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0146

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Ilber die staatliche Aunstpslege in Bayern


N0
schichte machtce Denn ohne die das tiefste Jnnere erfassende, den Höchsten wie den Niedrigsten packende Machl
der Kunst, ist jene blitzartig auftauchende Gemeinsamkeit der Empfindungen unmöglich, welche die Nationen
erst unwiderstehlich macht. Man dars daher mit vollem Recht behanpten, daß es die Poeten und die Künstler
waren, welche das deutsche Reich erst ermöglichten.
Wie kommt es nun, daß trotz alledem unsere staatliche Kunstpflege heute mehr als je in einem geradezu
beschämenden Gegensatz zur französischen steht, obwohl die Republik, dank dem überhandnehmenden Radikalismus
und Sozialismus weit weniger sür Kunst thut, als alle ihr vorangegangenen Regierungen und obwohl bei uns
denn doch immer mehr eingesehen wird, wie genan die produktive Kraft der Nation mit dem höheren oder
niederen Stande ihrer Knnst zusammenhänge, so daß man wohl behaupten kann, daß es an gutem Willen in
dieser Beziehung weit weniger sehle als an der richtigen Einsicht. Denn getren unserem unseligen Hang zur
Schulfuchserei, geben wir für Kunst und kunstgewerblichen Uuterricht sogar noch viel mehr aus als Frankreich.
Aber leider ist die Beförderung der Schulmeisterei die schlechteste Form der Kunstpflege, da sie immer säet
ohne je zu ernten. — Denn darum kümmern sich Regierung und Kammern gleich wenig, 'ob in den Schnlen
auch etwas gelernt werde, und ob die Künstler, die sie im Übermaß erzogen, hinterher auch Gelegenheit finden,
ihre Fähigkeiten für den Staat nutzbar zu machen. — Ja, man betrachtet in gewissen Kreisen nur zu oft
die Kunst als eine lästige Bettlerin, der man von Zeit zu Zeit ein Almosen hinwirft, um sie wieder für ein
Jahr los zu werden. Daß aber eine Herrschaft aus der Pflege der Kunst Macht, Reichtum, Festigkeit, die
Anhänglichkeit und Liebe der Bürger für den Staat ziehen könne, das ist ihr an den meisten Orten ein ver-
schlossenes Buch geblieben, denn davon steht ja weder im Corpus juris noch im Landrecht auch nur ein Wort
zu lesen. So kommt es denn, daß z. B. im ganzen deutschen Reichstag nicht ein halb Dutzend Kunstver-
ständiger sitzt, und daß in der Reichsregierung der geniale Stephan allein einen Begriff von der Stellung zu
haben scheint, welche die Kunst im öffentlichcn Leben einznnehmen hätte- Wie es in dieser Beziehnng im
Kunststaate Bayern, dessen Einslnß und Ansehen doch durch die Kunst so unendlich erhöht wurden, aussieht,
wollen wir lieber nicht nntersuchen, sondern uns darauf beschränken zu wiederholen, was der jüngstverstorbene
Ministerial-Referent für Kunstangelegenheiten, von Bezold, ein ebenso wohlwollender als intelligenter Mann,
in seinen Erinnerungen sagt: „Daß die Kunst in München sich lediglich durch sich selbst erhalle." Könnte
man unserer modernen Regierungsweisheit aber ein zweifelhafteres Zeugnis ansstellen? Also auf die Macht,
die das Gemüt der Deutschen mehr beherrscht als jede andere, hättet Jhr ench jedes Einflußes begeben? Und
da wundert Jhr Euch noch, wenn Reichstag und Landtage der Nation immer gleichgiltiger werden? Was
ist es denn, was hente nach Jahrtausenden noch die Blicke der Welt an Athens Trümmer, an Rom nnd
Florenz unwiderstehlich fesselt, wenn nicht die Knnst, welche gerade die größten Staatsmänner dort mit
vollem Bewußtsein pslegtcn? Was ist es, was Hunderttansende alljährlich nach Paris, nach München zieht?
Muß man es denn immer wieder sagen, daß die katholische Kirche ihre Überlegcnheit im Kampfe mit dem
Staat vor allem ihrer so viel geschickteren Benützung der Kunst verdankt, deren Geunß ja sie dem Bauern
noch ganz allein vermittelt.
Was nun die 20,000 Mk. anbelangt, die zu Aukäusen für die beidcn Pinakotheken bestiinmt werden
sollen, so wäre doch zu bemerken, daß dies eine lächerlich geringe Snmme ist neben den kolossalen jedes Jahr
steigenden Auswendungen, welche man für die drei Landes-Universitäten macht. Tie Regiernng des halb so
großen Sachsens giebt alljährlich 80,000 Mk. für den gleichcn Zweck ans und Preußen hat bekanntlich dem-
selben sogar erst 2,000,000 — allerdiugs nur sür alte Kunstwerke — gewidmet, nachdem die Negiernng indes
doch fortwährend eine Anzahl monnmentaler Arbeiten ausführen läßt. Jn Frankreich aber kauft der Staat, dcr
wie die Stadt Paris alle seine Gebände mit Skulptur und Malerei verzicren läßt, außerdem noch anf jeder
Ausstellung dnrchschnittlich ca. 24 der bedeutendsten Bilder und etwa 12 Staluen, die er teils der Galerie des
Luxembourg, teils den Museen der Provinzialstädte überweist. Für letzteres Systcm möchten wir nnn ganz
entschieden eintreten. Wir haben in Augsburg, Nürnberg, Würzburg, Bamberg, Aschaffenburg Galerien, die
aus grohenteils mittelmäßigen alten Bildern bestehend, jetzt recht wenig besucht werden. Dnrch Zuteilung
moderner wertvoller Stücke würden sie aber unzweifelhaft eine viel größere Anziehungskraft erhalten. Denn
die Vergangenheit interessiert uns nur, wenn wir sie mit der Gegenwart in irgend eine Verbindung bringen
können. Weshalb soll nun die Münchener Neue Pinakothek allein bedacht werden? Dieselbe hat überdies
dermal oft eine große Anzahl Bilder von demselben Meister, von denen sie recht gut einen Teil an die Pro-
vinzialmuseen abtreten könnte, damit anch diese Werke von Kaulbach, Rottmann, Stieler, Peter Heß, Adam u. a.
besäßen und man so in jencn Sammlnngen doch endlich eine Entwicklung und Fortsetzung dargestellt sähe.
Ebenso muß man sich auch gegen die Planlosigkeit der bisherigcn Ankäufe erklären. Wenn dic Neue Pinakothek
einen Sinn haben soll, so muß sie einerseits die alte fortsetzen und vor allem eine Geschichtc dcr Münchener
Schule darstellen. Da findet man aber überall die klaffendsten Lücken. So bcsitzen wir vom größten koloristischen
Talent des Jahrhunderts, das doch bei uns gebildet worden, von Hans Makart, kein einziges Werk. Nicht
minder müßte die Ausstellung endlich einmal eine möglichst historisch-chronologische werden, so daß man doch
 
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