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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Über die Nachahmung in den bildenden Künsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0176

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I. Iadrgang. dcl't io

l5. Februar ;zz6


Untrr brsondrrrr Witwirkung von Lr. pecht, hrrausgrgrbrn von drr verlagsanstalt firv luim't und winenichaft
vormals Friedrich Bruckmann in München.

^Die Kunst für Alle" erscheint in öalbmonatlichen Hesten von ca. 1^-.,—2Bogen reich illusbriertemText und ca. 4 Bilderbeilagen in Umschlag. Abonnementspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis 14. Nachtr. 2916c, bayer. Kerzeichnis 386^) 3 M. 60 Ps. sür das Vierteljabr (6 Heste): das einzelne
Heit /5 Ps. — Jnserate die viergespaltene Nonpareillezeile 30 Ps. 6000 Leilagen 45 Mark, bei größerem Format oder Umfang Preisaufschlag.

Über die Uachabinuiig in den bildenden Küm'ten.
Von Lr. Pccht.
die bildendeu Künste ganz aus der Nachahmung der Natur fußen, so liegt ihnen begreiflich auch die
^ Benützung dessen sehr nahe, was andere Zeiten und Nationen nach dieser Richtung hervorgebracht. Es
besteht also unzweifelhaft eine gewisse Solidarität in der Kunst aller Zeiten. Wie nun diese bildenden Künste
in ihrer Thätigkeit einen fortlaufenden Entwicklungsprozeß darstellen, in welckiem bald dieses, bald jenes Volk
an der Spitze steht, so haben wir auch wieder besonders günstige Perioden, wo alle großen Kultnrvölker sich
ihre eigene Knnst erzeugen, d. h. den allgemeingeltenden Kunstformen eine spezielle, von der aller anderen
wesentlich verschiedene Ausbildung bei sich geben, indem sie ihren eigenen nationalen Charakter, ihre Sitten
und Anschauungen in besonders energischer Weise in der Kunst ausprägen. Eine solche in ihrer Art höchst
merkwürdige Periode war die Renaissance, die man ganz mit Unrecht als eine bloße Wiederaufnahme der
antiken Kunstformen bezeichnet, was sie ganz und gar nicht war, sondern im Gegenteil eine Zeit wirklicher
geistiger Wiedergeburt, der Losreißung von den erstarrten und darum unbrauchbar gewordenen Formen des
gotisches Stils durch ein erneutes allgemeines Zurückgreifen auf die Natur, zu dem die Bekanntschaft mit
den darin so viel vorgeschritteneren Alten blos den Anstoß gab. — Ja es ist gerade nach dem Eintreten des
Klassizismus, also der vollständigen Herrschast der antiken Knnst wenigstens in der Architektur nnd Skulptur,
mit der Wiedergeburt sofort wie mit der Schöpferkraft dieser Periode vorbei. Man kann daher weit
besser die Knnstgeschichte in nationale und kosmopolitische Perioden einteilen, d. h. in solche, wo sich die ein-
zelnen Völker ihre eigene Kunst erzeugen, und solche, wo sie die anderer lediglich nachahmen.
Der Grund der ersteren Erscheinung liegt darin, daß alle großen Kultnrvölker, wie ihre eigene
Sprache, so auch ihr eigenes, tief mit ihrer ganzen Natnr zusammenhängendes Formenbildungsgesetz in sich
tragen, das nun mit dem ererbten Nachahmungstrieb in beständigem Streite liegt, wo denn in den Perioden
des nationalen Aufschwnngs das erstere, in denen des lNiedergangs der allcn gemeinsame Nachahmnngstrieb
die Oberhand erhält.
Das entscheidende Moment ist indes nicht, daß man etwa einmal gar nichts Fremdes mehr aufnehme,
was ebenso thöricht als hente vollkommen unmöglich wäre, sondern daß man es dem eigenen Wesen
gemäß umbilde und es dadurch erst zu einem lebendigen Besitz mache, während man dies in den Perioden
des nationalen Niedergangs unterläßt und dadurch erst geistloser Nachäffung verfällt.
Taß die nationalen Unterschiede sich nrsprünglich dnrch räumliche Absondernng gebildet haben, in der
die Völker dann im Bestreben, sich den Bedingungen des Klimas, des Bodens rc. anzupassen, ihre Eigenart ent-
wickelten, ihre eigene Sprache, also auch die Formenwelt ausbildeten, die nichts anderes als eine Sprache für
die Augen ist, wie die gesprochene fürs Ohr, das unterliegt wohl keinem Zweisel. — Es ist das um so sicherer,
als wir noch heute bei den einzelnen besonders begabten sJndividuen regelmäßig die Jsoliernng, bald zu-
fällig, bald instinktiv herbeigeführt, als die Quelle der Originatität vorsinden. Alle großen bahnbrechenden,
neue Wege eröffnenden Künstler haben sich isoliert, oder ihr Talent im Stillen gebildet, wie Goethe das aus-
drückt; meistens wie Leonardo, Correggio, Holbein, Dürer, Murillo, Rembrandt, Makart durch die Umstände ge-
zwungen, bald auch wie Michel-Angelo, Tintoreto, Delacroix, Menzel, Feuerbach, Böcklin durch gewollte und
hartnäckig festgehaltene Abschließung. Gerade deshalb, weil sie die Entwicklnng der Originalität gewaltsam
Die Liuni) für Alle l 19
 
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