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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Reber, Franz von: Fritz von Uhde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0271

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Fritz von !Ibde


zwar zu einer gewissen äußerlichen, hauptsächlich lokalen Wahrheit, aber abgesehen von den anachronistischen Wider-
sprüchen kam dabei die innere gegenständliche Wahrheit entschieden zu kurz. Ilnd nicht besser fuhr man auch auf
einem anderen Wege, indem man statt des modernen Lokaltypus den modernen Nationaltypus substituirte und modernes
Judentum in die biblischen Darstellungen trug. Denn dabei verwickelt sich der christliche Maler in eine ähnliche
Schwierigkeit, wie bei der Übersetzung des Biblischen ins Beduinische, indem er vom Althebräischen in modernen
Judenjargon überträgt, mithin auch von einer Sprache in eine andere, die ihm beide nicht geläufig sind, wobei über-
dies der häßliche Beigeschmack des Hohnes gegen die modernen europäischen Semiten kaum vermeidlich erscheint.
Tie beste Rettung vor Künstelei und archäologischer wie ethnographischer Gesuchtheit einerseits, wie vor An-
klammerung an die zum Teil ausgefahrene Tradition andererseits ist in der That der Anschluß an die unmittelbare Gegenwart
und an die eigene Umgebung. Dieser Anschluß ist freilich keineswegs neu, da das Studium nach dem Leben sast
niemals ganz vernachlässigt worden ist, neu aber ist jene
Exklusivität, welche außer dem unmittelbar Gesehenen nichts
mehr gelten lassen will und sich bemüht, alle Traditivn hinsichtlich
der Auffassung wie der künstlerischen Technik abzuschütteln. Es
ist in allen Dingen und so auch in der Kunst eben nicht leicht,
der süßen und in ihrer Wirkung bewährten Gewohnheit zu entsagen,
welche sich wie ein trübendes, färbendes, jedenfalls aber alterieren-
des Medium zwischen Auge und Gegenstand schiebt. Auch bedarf
es eines tapferen Entschlusses, aus den Zinsengenuß des in der
Tradition anfgesammelten Kapitals zu verzichten, namentlich für
jenen, der an den Akademien, der Administration des Überlieferungs-
schatzes, gewissermaßen bis zum Kouponschnitt gelangt ist. Leichter
wird die Entsagung demjenigen, welcher von vornherein niehr auf
autodidaktischem Wege gewandelt und so frühzeitig auf sich selbst
gestellt, das Traditionelle von Auffassung und Technik nicht mehr
aus sich hinauszutreiben habt.
Die Franzosen sind uns hierin vorangegangen. Nach der
Emanzipation eines Delacroix und Descamps sind es zunächst
die Jntimisten der Landschaft, welche den angebahnten Weg weiter
verfolgt haben. Die letzteren konnten leicht zu den Jmpressionisten
verwildern, welche den angestrebten „Eindruck" jener künstlerischen
Haltung entkleideten, in welche er bei den Jntimisten gehüllt
war. Jedenfalls aber haben erst die Jmpressionisten die Schranke
ganz niedergerissen, welche die Vorgänger noch immer mehr oder
weniger in der Manege der Tradition hielten. Doch waren die
Jmpressionisten noch nicht bei der vollen Wahrheit angelangt, in-
dem ihre prinzipielle Snbjektivität die objektive Hingabe an ihre
Gegenstände behinderte. Es war ihnen mehr um eine Para-
phrase des Eindrucks als um eigentliche Realitüt zu thun, wo-
durch mancher geniale Griff ermöglicht, aber anch der Halbheit
Thür und Thor geöffnet wurde. Das Spontane des Eindrucks
begünstigte das Skizzenhafte und Flüchtige der Wiedergabe. Man
konnte sich auf ein fatamorganatisches Traumsehen beschränken,
welches in seiner unklaren Verschwommenheit weder scharf noch
im einzelnen faßbar ist. Beruht daher schon die Kunst der Jn-
Aus Fritz von Uhdes Skizzeiibuck timisten auf einem sozusagen triefäugigenSehen, so gilt das noch
mehr von jener der Jmpressionisten. Jch gebe zwar zu, daß ich
auch den Eindruck von der Natur haben kann, wie er mir aus impressionistischen Landschaften entgegentritt, aber wirk-
lich sehen kann ich die Natur nur als Kurzsichtiger oder Augenkranker so, wie sie die Jmpressionisten geben. Sie liefern
mir nicht das Bild, sondern den Eindruck eines Bildes und arbeiten daher meiner eigenen Empsindungsarbeil in einer
Weise vor, welche ich aus einem anderen Genußselde „Vorkauen" nennen würde.
Jch habe daher an einer anderen Stelle*) die französischen „Jmpressionisten" von den Anhängern der
„Sincerite" sondern zu müssen geglaubt. Jn der That sind sie sich prinzipiell so gegensätzlich, wie in der Litteratnr
ein A. de Musset und ein Flaubert. Denn wenn sie auch beide viele Grundsätze mit einander gemein haben und
darin einig sind, alles Traditionelle abzuschütteln, mit den Ateliertheorien zu brechen, die bisherige Fächertrennung, die

> Geschichte der neueren deutschen Kunst. II. Aufl., III. Bd., S. 45 fg.
 
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