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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Uusere Lildcr. vcui Friedrich Occht

der Taselrunde der Hamburger Künstler die Historien-
malerei charaktervall vertritt. An den Ruths'schen Winter
reiht sich dann ein herzerguickendes Stück deutschen Früh-
lings, von Defregger: der Kops eines eben aufknospenden
Tiroler Mädchens, bei dem man wohl fragen kann, wo
in aller Welt, bei melcher Nation schönere Blüten dieser
Art zu finden sein möchten? Türste es doch schwer, ja un-
möglich sein, harmlose Unschuld
liebenswürdiger zu schildern. Oder
wo hätte denn die so oft über-
schätzte alte Kunst z. B. ein
solches Kindcrgesicht besser, ja
entzückendcr gegebcn? Man muß
da allemal gleich zn Rafael
wandern, nm nur ähnliches zu
finden in unseren Galerien, die
gerade an Unschnld so arm sind,
wenn wir ehrlich sein wollen.
Tenn die Fiesole'schen Engel
haben leider den Fehler, nicht
lebensfühig zn sein, als gc-
schlechtslos anf dieser Welt ab-
solnt keinen Platz zn haben, wäh-
rend diese junge Tirolerin ihre
Heimat beim ersten Blick verrät,
so gut, als daß sie dort dereinst
manchem den Kops verdrehen
dürfte, der ihn heute noch ganz
gerade auf den Schnltern sitzen
hat. — Haben aber selbst die
Jtaliener dergleichen höchst selten
aufzuiveisen und Spnnier, Fran-
zosen, Niederländer erst gar nicht,
so muß man immcr wieder anf
nnsere Altdentschen znrückgreifen,
um ähnliche Unschuld zu finden.
Nur daß diese Kinder und Back-
fische dieser Art überhaupt
fast gar nicht oder höchst nngeschickt schildern. Die kritik-
losc Vergötternng der Alten ist aber nicht nnr Ungercch-
tigkeit gegen die Lebenden, sondern sie steht anch allem
wirklichen Fortschritt im Wege, man kann sie daher nicht
entschieden genug bekänipsen, wie großcn Reipekt man auch
sonst vor diesen alten Meistern haben möge.
Nachdem wir bereits die neuesten Wcrke dcr beidcn
Hauptvertreter der großcn monnmentalen Kunst in Wien,
Kundmannund Zumbusch, unseren Lesern vorgcsührt,
frenen wir uns doppelt, ihnen hente eine ganz besonders
anmutige Spezialität der Wiener Skulptur in den Arbeiten
Professor Otto Königs vorsühren zu können, samt
dem Bildnis des Schöpfers all' dieser ebensoviel Grazie
als Schalkhastigkeit vcrratenden Älrbeiten. Taß man dem
1838 in Meißen geborenen und in Tresden durch Hähnel
gebildeten Meister den Humoristen beim ersten Blick an-
sieht, dars einen nicht wundern, wenn man dann ersl
seine Werke betrachtet. Denn so aussallend ist die durch-
ans selbständige künstlerische Formensprache, die der schon
1869 nach Wien an das östcrreichische Museum alS Lehrer
der Klein-Plastik berufene Künstler sich allmühlich dort ans-
gebildet hat, daß wir in diesem so pikanten, unaufhörlich
wechselnden Vortrage alsbald den Hnmoristen ehren, ehe

wir noch untcrsncht haben, was er darstellt. Besonders
reizvoll sehen wir denselben in dcn vier Gruppen ent-
wickelt, in welchen er uns die vier Teile einer Symphonic
schildert, da er hier in vollkommener Harmonie mit der
schalkhasten Aufiassnng des Stosses steht, die den Amor
als den größtcn Schelm aus dicscr Welt zeigt. Wie an-
mntig lauscht da die Muse des Gesanges im Allegro
dcn Einslüsternngen des spitz-
bübischen Gottes, im voraus
cntschlossen, ihm alles zu glau-
ben, was er ihr auch vor-
schmeichcln möge. Welch' komische
Biedermannsmiene wendct er
dann an, um selbst dcn Herkules
im Adagio zn entwafsnen und
ivie toll übermütig weiß er im
Scherzo den Fann znni Tanzen
zu reizen! Aber welcher Trinmph
erst spricht aus dem schelmischen
Gotte, dcr als Sieger im Finale
die arme Psyche völlig unterjocht
hat. Das ist alles so sinnvoll,
so getränkt von glänzender Heiter-
keit und Anmut und dabei so
dnrchaus originell in der lau-
nigen Formenbildnng, daß man
den oroßen Erfolg wohl begreift,
den diese Gruppen seiner Zeit
hatten. Von einer ganz anderen
Seite zeigt sich der Knnstler
in dem köstlichen Weihwasser-
gefäße, auf dessen Rückwand er
die Himmelskönigin in einer Nische
mit dem göttlichen Knaben thronen
läßt. Tas erinnert direkt an die
schönsten dcrartigen Schöpfungen
der italienischen Renaissance und
ist doch in der Aussassung des
Charakters der Madonna wie des Kindes echt deutsch.
Welchc entzückende Temut und Reinheit, aber auch welcher
dldel spricht ans dem lieblichen Kopfe, wie reizend bercchnet ist
die graziöseVerzierung derArchitektur, um die Einsachheit nnd
Größe derForm bei den Figuren zu heben. Gerade daß er das
Gesetz der malerischen Kontraste in der Behandlung iveniger
beherrscht, als sich von ihm beherrschen läßt, das charakteri-
siert diesen trefflichen Künstler als Hnmoristen, der be-
ständig von einer Empfindung zu ihrem Gegenteil über-
springt nnd uns dadnrch stets in Spannnng erhält.
Daß aber König in der monumentalen Sknlptur, wenn
diese auch seinem Temperamente am mcisten entspricht, nicht
weniger Treffliches als in der Kleinplastik leistet, das
werdcn wir demnächst dnrch eine große Gruppe von ihm
beweisen.
Einc andere Wendung ninimt der Humor in
dcr drolligen Grnppe, welche nns des Düsseldorfers
Hiddemann Skizzenbuch geliefert. Meisterhast gezeichnet
wie sie es beide sind, ironisiert da doch der Städter die
Bauern, während z. B. bei Defregger die Bauern diese
von oben herab ansehen, bei König aber gar der Künstler
nns die völlige Unüberwindlichkeit des weltbeherrschendcn
Gottes mit schalkhaftem Achselzncken schildert. —
 
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