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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Voss, Georg: Das griechische Fest im Berliner Ausstellungspark
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Fulda, Ludwig: Der Musentempel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0371

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2yo Das griechische Fest im Berliner Ausstellungsxark. von Gg. voß — Der Musentempel. von Ludwig Fulda


Schatten der sterblichen und unsterblichen Berliner in
seinem Nachen über die Fluten. An dieser Stelle und
im Schein einer beständig wechselnden Belenchtung konnte
der Park, den die Natur sonst gerade nicht mit reichen
Gaben ausgestattet hat, wirklich hübsch aussehen. Tas
Beste that natürlich die Staffage der buntgekleideten Fest-
genossen, deren malerisches Gewimmel überall die Anlagen
erfüllte. An den Wegen des Parkes standen die Griechen
und Griechinnen in lustig bemalten Buden, um scherzhaft
erfundene Altertümer feilzubieten. Sogar das Mädchen,
welches hier in einer Bude alltäglich warme Würstchen
verkauft, trug an diesem Abend den griechischen Peplos.
Eine Menge von guten nnd schlechten Witzen enthielten
die Schaubuden. Jn der einen stieg man auf einer Leiter
in den Bauch des trojanischen Pferdes. Alle sagenhaften
Tiere des Plinius, von Herren mit Fellen und lslnskcn
dargestellt, waren in einer Tierbude zn sehen. Dort wurde
das Bild von Sais entschleiert. An einer anderen Stelle
hielt ein Ägypter wunderkräftige Liebestränke feil. Tie
Wirkung derselben schien ziemlich kräftig zu sein, und wie
in Goethes Hexenküche konnte man bald an allen Ecken
und Enden des Parkes beobachten, wie die Berliner
Jugend „mit diesem Trank im Leibe bald Helenen in
jedem Weibe" erblickte. Eine besondere Sehenswürdigkeit

bildete die von Fischer-Cörlin ausgemalte Bnde, in der
die Schindnng des Marsyas dargestellt wurde. Jn dem
gegenüber liegenden Tingeltangel wurden die zwölf
Thaten des Herkules nach der Melodie „Wir zieh'n nach
Friedenau, dort ist der Himmel blau" besungen. Die
Ausmusterung des Augiasstalls bildete sogar den Text
zu einem besonderen Festspiel. Eine wirkungsvollere
Popularisierung kounte die antike Mythologie wohl schwer-
lich finden als in den Versen:
Über Berg und Thal
Ragt der Augiasstall,
Wo im Aeiteulauf
Stch viel saminelt auf
Kommt der Herakles
Schwemmt vou danneu es — u. s. w., bis der Stall rein ist.
Gcgen Mitternacht lockte Tanzmusik die Paare in den
großen Saal, und Priester nnd Kvnige tanzten Walzer
und Polka bis das graue Morgenlicht durch die Scheiben
blickte. Schöner war es dranßen im Freien, wo sich in-
zwischen das lärmende Gewoge gelegt hatte. Kein Miß-
ton trübte die Stimmung des Abends und die Erinnerung
an die Gaben echt künstlerischer Geselligkeit, welche die
Mitglieder des Vereins Berliner Künstler hier ihren
Gästen darboten, wird noch lange im Herzen der Teil-
nehmer nachllingen.

Der Musrmempel. Von eudwig Lulda

as die Klassiker erivähnen,
Trägt gewitz der Wahrheit Steinpel:
Einst im Lande der Hellenen
Gab es einen Musenteinpel.
Diesen durfte wohl zuzeiten
Alles Griechenvolk betreten,
Uin zur Kunst, der benedeiten,
Wie zu einem Gott zu beten;
Doch die solches unternahmen,
Mußten bis zum Sonntag warten,
Und die Kiinstler nur bekamen
Auch am Werktag Eintrittskarten.
Bialer sah man dorten häufig,
Die fiir ihre kiinft'gen Thateu
Stottenid oder auch geläufig
Beifall sich und Ruhm erbaten.
Andre rangen in Gebeten
Nach des Goldes süßer Labung,
Andre wiederum erflehten
Sich ein wenig mehr Begabung.
Kam ihr Fleh'n aus Herzenstiefen,
Ward es schnell erfüllt den nieisten;
Doch die wenigsten nur riefen:
„Laß mich etwas Großes leisten!"
Eiustmals in der Wochenmitte
Stieg eiu Mann von jungem Ruhme
Mit bedächtig stolzem Schritte
Still empor zum Heiligtume.
Ruhiger als andre Männer
Konnte Der treppaufwärts schreiten,
Weil ihm alle wahren Kenner
Große Zukunft prophezeiten.
Andren, die mit neid'schem Hecheln
Jhn umsonst gesucht zu ducken,
Gab er Antwort durch ein Lächeln
Oder durch ein Achselzucken. —
Deutlich sah der Tempelwächter,
Daß er diesmal öffnen mußte,
Weil der Fremde sich als echter
Künstler auszuweisen wußte.
War ihm doch sür Pinselblüten

Schon ein erster Preis geworden,
llnd vom Könige der Skythen
Trug er einen hohen Orden.
Langsam trat er zum Altare,
Vor der Muse Marmorbildnis,
Schüttelte zuriick der Haare
Sorglich eingeölte Wildnis,
Glättete des Mantels Faltung,
Half dem Bart durch leichtes Drehen,
llnd in sieggewohnter Haltungi
Blieb er vor der Göttin stehen.
Sein Gebet, so mocht' er meinen,
Werd' auch ohne Kniefall gelten;
Auf des Bodens nackten Steinen
Konute man sich leicht erkälten.
„Muse", sprach er, „blieb ich ferne
Vormals deinem Angesichte,
Heute kam ich, weil ich gerne
Dir niein Dankgebet verrichte.
Denn du bist mit Huld begegnet
Meinem ehrbegier'gen Hasten,
llnd in Gnade ward gesegnet
Pinsel mir und Farbenkasten.
Alle griechischen Barone
Geben ohne jeden Einwand
Tausend Drachmen mir zum Lohne
Für ein Stückchen bunte Leinwand.
Vor dem Goldglanz meiner Rahmen
Dränget sich die Welt, die feine;
Mich vergöttern alle Damen
Jm Athener Kunstvereine.
Mich verehrt — ich bin kein Prahler —
Schon der Jüngling in der Quarta,
llnd ich bin bekannt als Maler
Von Epirus bis nach Sparta.
Auch vou Persien trägt mein Streben
Mir so manchen reichen Schatz ein;
Jn der Galerie von Theben
Nehm' ich einen Ehrenplatz ein,
Und daß würdig mein Gestalten
Jmmer größerer Verbreitung,

Sagte jüngst auf sieben Spalten
Die Byzanzer Morgenzeitung.
Was ich male? Ei, beim Hinimel,
Weiß ich es doch selber schwerlich!
Solch verwirrendes Gewimmel
Vou Gestalten schaff' ich jährlich.
An Gewandtheit unvergleichlich
Komm' ich immer rasch ins Reine,
Denn Modelle hab' ich reichlich,
llnd Gedanken brauch' ich keine.
Denken sollen nur die Deuker,
Deuken sollen nur die Schreiber,
Doch ein rechter Pinsellenker
Malt nicht Seelen, sondern Leiber,
Leiber, wenn auch streng und sittlich:
Meine Bilder sind es immer
llnd dabei so appetitlich,
Hängt nian sie ius Speisezimmer.
Hehre Muse, sei veruünftig!
Nun du solch' Verdienst erfahren,
Wirst du deine Huld auch künftig
Meiner edlen Kunst bewahren."
Sprach's, und wie das Wort zerstoben,
Sollte sich die Göttin neigen;
Doch sie blickte kalt von oben,
Marmorstill, in tiefem Schweigen.
Als er furchtsam aufwärts schielte,
Blieb sie stumm und ohne Regung,
Nur auf ihrem Antlitz spielte
Leis unmerkliche Bewegung.
War's ein Lichtschein, dessen Fächeln
Sie mit Leben überflogen,
Oder hatte höhnisch Lächeln
Jhren holden Mund verzogen?
Heimwärts schritt er unverdrossen
llnd berauscht von eignen Worten;
Doch am Sonntag drauf erschlossen
Sich dem Volk die Tempelpsorten.
Pflichtgemäß erschien die Menge,
Zu der Muse Bild sich wühlend
Und im peinlichen Gedränge
 
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