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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Trautmann, Franz: König Ludwig I. und die Künstler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0410

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Aönig Ludwig I. und die Aünstler


a>:ch Jtalienisches größeren Umfanges war in der Samm-
lung zu finden, aber in der Minderzahl,
Jch versenkte mich just in Betrachtung eines Ivirkungs-
reichen Nachtstückes von van der Neer, als die Haus-
glocke auffallend erscholl. „Das kann nur Majestät sein!"
sagte mein neben mir stehender Gönner und wollte, so
viel es sein etwas breit und ziemlich schwer gewordener
Staatsratskorpus erlaubte, zur Thüre, als der kleine
schmächtige Kammerdiener Ebert schon dieselbe öffnete
und den König unter schier unermeßlicher Verbeugung
einließ — worauf sogleich jene Worte Ludwigs an Kirsch-
baum ergingen. Jch wollte möglichst das Feld räumen.
Aber ein Wink des hohen Angekommenen bannte mich au
Ort und Stelle, dazu kam Frage nach Namen und „ob
ich Freude an schönen Kunstwerken habe?" was ich ehr-
fürchtig mit gutem Gewisseu bejahte. Ludwig darauf:
„Recht so — folgen Beispiel von Vater — Kunst schön
— macht Sinn immer edler —recht so!" Jch blieb und
wurde dabei Zeuge lebhafter, keineswegs allerhöchst erst-
maliger Besichtigung und Besprechung der und jener Perle
der Kunst.
Nicht so ost, aber immerhin nicht zu selten, besuchte
König Ludwig auch den nicht großen, mageren, ein wenig
asketisch ausschauenden Tomherrn von Speth, welcher
gleichfalls vortreffliche Bildwerke besaß uud zu den feinsteu
Kennern zählte. Beides, uud daß sich überdies Gelegen-
heit zu religiösen Gesprächen gab, machte den würdigen
alten Herrn bei Allerhöchst belicbt, obwohl Kirschbaum
noch weit mehr Teilnahine einerntete. War dieser ja doch
zu „Kronprinz"-Zeiten Reisebegleiter des jungen Fürsten
gewesen, zumal dorthin, „wo die Zitronen blühen und im
dunklen Laub die Goldorangen glühcn", dorthin, wo des
eventuellen Herrschers angeborcner Enthusiasmus für
Kunst so reiche Nahrung gefunden hatte — und wohl
auch jener für „Schönheit" überhaupt. Auf Grund welches
letzteren Enthusiasmusses es dazumal, wie der oder der
wissen wollte, ein paarmal zu nicht ganz unerheblichen
Kvnflikten zwischen Schützling und Beschützer gekomnien
sein soll, und wobei letzterer im ganzen den kürzeren
gezogen habe. Aber lieber Himmel, wer war denn iu
jüngeren Jahren nicht für Schönheit begeistert? Man
hat Beispicle, daß das selbst noch in ziemlich späten Jahren
der Fall sein kann, und welcher Tugendaffekurator hat
nicht am Ende doch gar zu große Besorgnissc gehegt?
Kurzab, so viel geht aus Besuch und Worten zu
Kirschbaum hervor, daß seitens der Majestät die gute
Absicht, respektive srüher stranime Zügelführung des
Mentors längst als gerecht anerkannt und mit Dank er-
widert wurden, welcher sich mehr durch freundlich scherz-
haften Ton, als viele Worte kundgab.
So bei Kirschbaum und Speth, von welchen der
erste, nebenbei gesagt, gerade über der „Maxburg" im
mittleren der zusammenhängenden drei Häuser au premier
wohnte, während der zweite im kleinen, letzten vor der
„Treifaltigkeitskirche" friedlich unter seinen Kunstschätzen
dahinlebte und sich manches Mal, fromm die Hände reibend,
der Zutraulichkeit des höchsten irdischen Gebieters freute.
Wie nun Ludwig zu diesen beiden Männern, an
welchen er Wärme für Kunst und rein geistigen, wie
ethischen und religiösen Einfluß achtete und so recht auf
Vertrauensfuß zu ihnen stand, so hielt er es auch wesent-
lrchst mit jenen, durch deren Mithilfe er seine projektier-
tcn Werke in die Welt setzte, oder welche frei und selb-

ständig auf artistischem Gebiet irgend würdiger Beschaffen-
heit schufen und schafften.
Er betrachtete sie mehr oder minder gleich „Mit-
teilnehmern" an eigener Begeisterung, bemüht, „das pro-
saische Leben durch das Schöne über sich selbst zu er-
heben", und ließ sich deshalb gerne in frisch zuthulicher,
wechselnd ernster, oder auch manches Mal ziemlich akuter
Weise heraus. Jm ganzen trug da immerhin alles, was
er hinwarf, den Zug dcr Aufmunterung, einer etwa ge-
gebenen erhabenen Aufgabe bewußt zu bleiben, hinwieder
— nicht so bedeutsameu Meistern gegenüber — alles
anzuwenden, um selbst das Gewöhnlichere möglichst zu
adeln! Na, wo dazu keine Aussicht war, ließ er es an
Kaustik nicht gebrechen, zuzeiten selbst nicht an einem
ziemlich verständlichen Tadelworte.
Gleichviel, iu sämtlicher Verausgabung vou Zutrau-
lichkeit, Milde und Aiierkeiinung, oder auch Kundgebung
etwaigen Mißvergnügens über Geleistetes folgte er einer
guten Zahl seiner Thron-Antezessoren oder deren hoch-
fürstlichen Agnaten.
Man dürfte, was Zutraulichkeit und Milde betrifft,
nur an Kaiser Ludwig deu Bayer gemahnen, an Herzog
Albrechts tV. gemütvollen Bruder Siegmuud, ja,
und noch mehr an Herzog Wolfgang, dessen intimer
Verkehr mit „pictoribus et nausicis", mit Bürgern und
Landvolk — männlichen und weiblichen Geschlechtes —
freilich notorisch blieb. Von Herzog Christophs, des
ritterlich mannhaften, sittenreinen, hoher Volkstümlichkeit
gar nicht zu reden. Der fünfte Albertus bewies sich
auch kräftig zuthulich gegen Meister der Kunst und Gelehrte,
bis weiter herab, gerne alert, wenn ihm nicht gewisse
„ckolores" ins Gebein fuhren — und selbst dann soll es
dem humorvollen Vorgänger Ludwigs I. nicht an einem
Scherzwort gefehlt haben, wie ernst und autokratisch er
auch angelegt sein mochte. Was Kurfürst Max III., den
herzensguten, dabei geistigem Aufschwung geneigten an-
belangt, sind die Überlieferungen mündlich und handschrift-
lich wvhlthuendsterArt, und an Ludwigs I. Vater, König
Max I. liebe Geradheit, heiteres Wesen oder aber nach
Umständen „Donnerweise" zu erinnern, hieße Wasser ins
Meer tragen. Weiß man doch vön ihm so viele wahr-
heitsgetreue Anekdoten loco München und Tegernsee,
welche seinen Verkehr mit Volk, Staatsleuten uud den
damals geringzähligen Künsttern andeuten, von welch
letzteren noch König Ludwig einige wohl achtete, so Dillis,
Wagenbaur, Dorner u. a. Von den, wesentlich
seiner „eigenen" Kunstperiode angehörigen Meistern er-
freuten sich ehrendst vertraulicher Begegnung die Kunst-
matadoren in großen Gebilden Cornelius, Kaulbach,
Heinrich Heß, Schnorr von Carolsfeld, Schorn,
Schraudolph, Schwind, B. Neher; von Landschaf-
tern in erster Linie Rottmann, Albert Zimmermann,
Heinlein, Morgenstern, dann Stange, Kaiser,
Ed. Schleich, Zwengauer; von Architekturmalern Dom.
Ouaglio, besouders auch Bayer und Mich. Neher;
von Genremalern Enhuber, eine Art Defregger da-
maliger Zeit; von Mariuemalern Tank, welcheu sämt-
lich gelegentlich wörtliche Anerkennung zu teil wurde.
Ungemein geneigt war er bekanntlich dem Porträt-
maler Stieler, in andercr Richtung Ludwig Ainmüller,
dem hoch bedeutsameu durch Kennerschaft auf dem Gebiet
der Glasmalerei, Auffindung neuer Farben und fachlicher
Vorteile, im ganzeu durch seine Thätigkeit bei Herstellung
 
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