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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Ebe, Gustav: Historisches Porträt und Allegorie in der modernen Monument-Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0233

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Historisches Porträt und Allegorie in der modernen Nonument-Lkulptur




für Berlin ein Verbot gegen die Anwendung symbolischer und allegorischer Darstellungen erfolgte. Man kann
auch an den Entwürfen zum Lessing-Denkmal bemerken, wie unbequem vorläufig noch den Berlinern das neue
Gewand der Renaissance sitzt und wie die verwendeten Allegorien meist der rechten Schneide ermangeln; sie lassen
meist den genauen Bezug auf Lessing vermissen, oder werden erst nach umständlicher Erklärung verständlich.
Allegorien als Versinnlichungen geistiger Begriffe sind nicht so leicht' zn finden nnd noch weniger leicht in
formvollendeter Schönheit zu gestalten; es ist aber selbstverständlich das letztere immer als notwendig voraus-
zusetzen. Um einen Maßstab des Erwünschten nach dieser Richtung hin zu gewinnen, braucht man sich nur
_—__ etwa die Schilling'schen Gruppen auf der Brühl'schen
Terrasse in Dresden ins Gedächtnis zurückzurufen.
Man muß aber zugeben, daß das Schaffen ähnlicher
Werke der Jdealbildnerei, welche an die Michelangeleske
Art der modernen Jdeenverkörperung ankuüpft, in
Berlin ziemlich stark in den Hintergrund getreten ist.
Stilistisch genommen gehören die meisten der
eingelieferten Arbeiten nicht dem Neugriechentnm, sondern
dem Barock und sogar dem Rokoko an, aber mehr
äußerlich in den architektonisch-dekorativen Lösungen
des Aufbaus, als in der inneren Auffassung des Figür-
lichen. Eine Anzahl der Entwürfe haben sogar des
Dekorativen entschieden zu viel gcthan und an Würde
eingebüßt, wenn sie das Monument so nebenbei als
Brunnen gestaltet haben — doch das nur beiläufig.
Der allgemeiue Punkt der Denkmalsfrage, der
bei dieser Gelegeuheit etwas nüher ins Auge gefaßt
werden soll, betrisit die Möglichkeit einer volkstümlich
wirksamen Gestaltung uud der hierzu dem Bildhauer
zu Gebote stehendcn Mittel. Die Wiedergabe der
historischen Persönlichkeit bleibt die nächste Voraus-
setzung jedes modernen Denkmals und mag bci Dar-
stellnngen von Fürsten, Heerführern und andcrcn init
dem ganzen Gcwicht ihrer Persönlichkeit in die Ösient-
lichkeit tretenden Münnern vollstäudig geuügen. Auders
aber liegt die Sache bei Dichtern und Denkern, und
man hat in ganz richtiger Erkenntuis des hierfür Erfor-
derlichen bereits die Kolossalbüste als geeignetste Dar-
stellnngsform in Vorschlaggebracht. Die ganze Figur bietet
unter anderem allcrdings den Vorteil, das Zeitkostüm zur
Charakteristik benutzcn zn könuen, auf dessen Wieder-
anwendnng die Neucren so stolz sind; — denn cine
moderne Erfindung ist es doch nicht, wie Bernini und
seine Schule beweist. Aber ist dcnn damit soviel ge-
wonnen, ist die Genanigkeit bis auf dcn Gamaschen-
knopf von so entscheidender Wichtigkeit, müßte man es
znm Beispiel ernsthaft bedauern, daß uns Schlüter die
Heldcnfigur des Großcn Knrfürsten in einem freieren,
der Antike angenühertcn Kostüme überliefert hat?
Die Antike ging bekanntlich cincn anderen Weg:
^ie erhob die Gcstalt des Dichters oder Philosophen zu
typischcr Allgemeiuheit, wobei sie zugleich schr genau
prüfend in der Wahl der Attribute verfuhr. So tadelte man an einem Bilde Hesiods die Beigabe dcr Kytsara
uud wollte ihn nnr mit einem Lorbeerzweige in dcr Hand dargestellt wisscn. Jm Aufsuchcn der speziellen Bezüge
ging man sogar so weit, den Anakreon auf der Burg zu Athen in der Stellnng eines Mannes darzustellen, der in
der Trunkenheit singt. Nach Pliuius hatten dic Athener dem Astronomen Berosus wegen sciner glücklichcn
Voraussagungen von Hiinmelsereignissen eine Statue mit goldener Zunge errichtet. Mag auch der letztangeführte
Fall zu den bekannten Schriftstellermärchen über bildende Kunst gchören/ wie es so vicle gibt, von den Vögeln
nnd Trauben des Apelles und Zeuxis an, aber immerhin gibt derselbe einen Beweis von dem eiftigen Auf-
suchen des individuell Charakteristischen, das nicht gcrade in dcn Zufülligkeiten der Körperbildung steckte.

prämiirrtrr ZvnlrurrriijrntwursVrrliurr rLlstM-DrulunLl
von R. Sieinering
 
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