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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Karl Raupp
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Raupp, Karl: Tempi passati!: München und seine erste große Kunstausstellung im Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0241

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1'emxi passLti. von U. Raupp

184
zu lassen, das erleichterte ihm ohne Zweifel die Erreichung die Verbindung der Landschaft mit den Figilren eine
einer Selbständigkeit, in der er mit Defregger, Mathias so genaue und organische ist, wie sie nebcn der poetischen
Schmidt und Hugo Kauffmann, also unsereu besten „Bauern- Auffassung Raupps Hauptvorzug ausmacht.
malern", wetteifert, da bei keinem selbst dieser Künstler

l'srnyi pLSLLti!
München und seine erste große Aunstnusstellung im Glaspalast.
von K. ALaupp (München)

^r^rotz schwerer, drohender Wetterwolken am politischen
^><Horizont plant die Künstlerschaft Münchens ein glänzen-
des Friedensfest, eine internationale Jnbiläumskunstaus-
stellung im Jahre 1888.
Gerade dreißig Jahre sind es nun zu diesem Zeit-
Punkte, da öffneten sich einst die Pforten des Glaspalastes
zum erstenmale einer selbständigen Ausstellnng dentscher
bildenden Kunst.
Vieles ist seitdem anders, manches auch besser ge-
worden! Die Erinnerung daran aber im jetzigen Moment
wohl geeignet, an dieser Stelle der Vergangenheit, welche
ja die glücklicheu Keime zur jetzigen, damals kaum geahnten
folgereichen Entwicklung in sich trug, ein kurzes Gedenken
zu weihen.

Einen gar seltsamen Eindruck machte die berühmte
Kunst- und Residenzstadt des Bayernlandes auf die
ankommeuden, eben aus dem Bahnhof heraustretendcn
Reisenden im Jahre 1858.
Und war dieser Fremde zudem ein angehender junger
Künstler von kaum 21 Jahren, wie ich es damals gewesen
bin und dcssen Phantasie von den zn erwartenden künst-
lerischen Wundern Münchcns erfüllt, so konnte der erste
Anblick des lange ersehnten Reisezieles wahrlich kauni
nüchterner und niederschlagender sein, wie derselbe in der
That mir damals erschienen ist. Dazu hatte wirklich recht
uunötig der Himniel alle seine Schleusen geöffnet, und was
solch ein naßkalter Münchener Regentag besagen will, das
kann man man ja noch heute so gut wie damals empfinden.
Zwischen den dünnen Säulchen der langgestreckten
Bahnhofhalle stehend — welch trostlose Aussicht auf ein
glitzerndes Bteer von grauweißem Schlamm, in dem die
durchfahrenden Droschken kcinerlei Spuren hinterließen. Das
also ist München!
Heute maskiert der einstmals als bauliche Sehens-
würdigkeit gepriesene Bahnhof nur noch einen hinter
ihm erbauten vornehmeren Nachfolger. Längst sind alle
die hölzernen Baracken uud kleincn Häuschen ringsum
verschwuuden, sie mußten stattlichem, wenn auch gerade
uicht sehr gelungenem architektonischem Ersatz weichen. Durch
die Untiesen des weiten Platzes führen in jetziger Zeit
sogar mehrere gangbare Wege. Bei solchen Fortschritten
läßt die Zukunft sicher noch vieles erwarten!
Die Jugend nimmt jedoch eine Enttäuschnng nicht
allzu tragisch uud dies Münchener Entree aus dem Jahre 58
war vcrgessen, als die klassischen Zeugen aus König Ludwig I.
Zeit aufgesucht und bewundert waren.
Wenn in unseren Tagen dem auch nur flüchtig München
Besuchenden das überall sichtbare Gepräge der Künstler-
stadt sich geradezu aufdrängen muß, wenn das Vorwachsen

des Künstlerelementes mit dem ganzen Charakter der
Stadt in tausendfachen Anzeichen sich erkennen läßt, wenn
heute das Ringen nach künstlerischem Fortschritt und
Ausdruck unser Gewerbe in der Ausstellung des Kunstge-
werbehauses zu so glänzender Bethätigung führt und solches
in den Auslagen der Verkaufsläden in mannigfaltigster
Variation wieder sichtbar wird, so ist dies erfreuliche
und unschätzbare Resultat der Saat, die König Ludwig I.
einst gesät, doch erst neueren Datums und im älteren
München, auch nach der cornelianischen Zeit, noch uicht
so sichtbar gewesen. Seitdem der Entwickelungsgang der
Künstlerschaft dieselbe zur lebhaften Einflußnahme auf die
Erzeugnisse des Kunstgewerbes drängte, hat sich rasch
und unvermerkt auch die Aunäherung vollzogen und die
glücklichsteu Früchte gezeitigt. Nicht leicht wird das Be-
wußtseiu des hoheu Wertes der Kunst auderwärts so tief
in alle Kreise des Volkes gedrungen sein, als dies heute
sicherlich iu München der Fall ist.
Die erste Periode der künstlerischen Entwickelung zeigt
eben die Künstler nur mit sich selbst beschäftigt uud ihren
eigensten Jnteressen und Jdealen hingegeben. Das klassische
München, auf dem hohen Kothurn stilistischer Historie
stolzierend, stand in keinerlei Kontakt mit kunstgewerblichen
Bestrebungen. Kein Wunder, wenn alles im Bereiche der
Kunst geschaffene, den Schein des Ülufgepfropften, des Fremd-
artigen in der bayerischen Stadt und bei der Bevölkernng
behielt. Die griechischen Bauwerke fühlten sich noch in
der kalten Bajuwaren-Hauptstadt völlig vereinsamt und
isoliert, ihre Berechtigung auf dem Boden der Renaissance
war damals noch nicht gefunden. Und in der That, wie
verlassen erschien die Gegend um die beiden Pinakotheken,
weit drauhen vor der Stadt, auf öder Kiessläche stehend
und uur von den kleinen Häusern der Vorstadt in respekt-
voller Entfernung umgeben, wie sollte sich da italienische
Renaissance neben der Türkenkaserne und die griechischen
Fremdlinge des Königsplatzes auf der bayerischen Hoch-
ebene zu Hause fühlen? Noch fehlten auf letzterem die
Propyläen, kein grüner Rasenfleck erfreute das Auge, er-
klärlich erscheint die Klage eines Berichterstatters des
„deutschen Kunstblattes", der im Juni 1858 wörtlich
schreibt: „Jetzt ist dieZeitnahe, wo uns der oft schmerz-
lich empfundene Mangcl jeder Annehmlichkeit in der un-
mittelbaren Umgebung der Pinakothek wieder sühlbarer
werden wird. Man übersteht es schon, über den kahlen
Platz in das Jnnere zu kommen; dennoch aber begreift
man nicht, warnm auf dem großen Raum vor dem Ge-
bäude noch immer nicht die Gebüsche, Blumen, Spring-
brunnen nnd Schattengänge angelegt, die Vasen und
Statuen hingestellt sind, welche der Baumeister doch ohne
Zweifel dahin gedacht hat, und welche geeignet sind, einen
aiigcnchmen Aufenthalt zu schaffen, der zum Verweilen
 
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