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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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Kunstlitteratur und vervielfältigende Kunst — vom Kunstmarkt

14«

— Unsere Kunstpflege. Eine weitere der unter dem Titel
„Gegen den Strom" (Wien. Gräser. Preis pro Heft '60 Pfg.)
erschienenen Flugschriften jener Wiener Gesellschaft, die sich die
Wiederbelebung der so merkwürdig abnehmenden Kunstliebe in
der österreichischen Residenz zum Ziel gesetzt hat, und von der
die „Moderne Kunstliebhaberei" kritisierende Abhandlung an
dieser Stelle schon besprochen ward. Die vorliegende Streit-
schrift nun, behandelt vorwiegend die moderne Baukunst, die
bekanntlich in Wien mit ihre schönsten Triumphe gefeiert und
zeigt uns nun die Schattenseiten dieser Zustände, vor allem
die Verdrängung der Bau-Künstler durch die Bau-Unternehmer.
Sie empfiehlt die Rückkehr zum Shstem der öffentlichen Konkurrenzen
als Heilmittel. Leider ist dasselbe nur durch den groben Miß-
brauch den man damit getrieben, gar sehr in Mißkredit geralhen,
da die Konknrrenz nur zu häufig eine leere Vorspiegelung ist,
um das Publikum zu täuschen. Aber selbst im besten Falle
sichert sie nicht gegen die Gewinnsucht und mangelnde Gewissen-
haftigkeit oder Erfahrung der Prämiierten. — Der Versuch eine
Gesellschaft, deren sittliche Begriffe sehr elastisch geworden sind,
zu Strenge und Pflichtgefühl zuriickzusühren, ist zwar gcwöynlich
vergeblich, nichts destoweniger muß er immer wieder gemacht
werden. Insofern ist also das Streben unserer „gegen den Strom"
schwimmenden Gesellschaft mit Freude zu begrüßen.

-t A. M en n el,. Die Königsphantasien, Wanderung zn den
Schlössern König Ludwigs II. Leipzig, litterarische Gesellschaft.
Preis pro Lieferung Mk. I 50. Offenbar eine Buchhändler-Spekula-
tion aus die Neugierde dcS Publikums, aber eine immerhin anständige,
da sie wenigstens gute Nachbildungen der bekannten A lbert'schen Photo-
graphien über die Königsschlösscr bringt. Daß diese Bilder durch einen
Text verbunden werden, welcher den Mangel an Gedanken durch eine
Flnth von selbstgesälligen und forcierten Phrasen zu verdecken
jucht, das scheint nun einmal Schicksal solcher Publikationen. In
einen Damen-Salon mag ja das Geplätscher dieses Springbrunnens
ganz gut passen.

Vom Runstmarki

0.8. Paris. (Vom französischen Bildermarkt.) Die Speku-
lation in Werken französischer Meister aus der Periode der dreißiger
Jahre hat säst ihr Ende erreicht. Die Bilder eines Corot, Trotz»»,
Rousseau, Diaz befinden sich so ziemlich alle in den Sammlungen
reicher Franzosen, Engländer oder Amerikaner, aus welchen sie
wohl nur noch durch ganz besondere Verhältnisse wieder in den
Handel kommen dürften. Die Bilderhändler verlieren hierdurch
freilich eine große Einnahmequelle. Für die lebenden Künstler
ist dieses Verhältnis aber ein Gewinn, richtet sich die Aufmerk-
samkeit des Publikums doch nunmehr auf sie.

Es ist nicht leicht hier in Paris hoch zu kommen. Talent
und selbst das mächtigste Wollen und Können erreichen das nicht
immer in kurzer Zeit. Und auch dann, wenn der Künstler das
erwünschte Ziel erreicht zu haben glaubt, und mitten in der
Ernte der Früchte seines Talentes zu stehen meint, schlagt noch
oft genug der Wind um. Der Geschmack des Publikums wendet
sich, das Interesse desselben wird von einer anderen Kunstrichtung
in Anspruch genommen und es tritt eine kaum für möglich gehal-
tene Baisse ein, ohne daß das Talent des Künstlers abgenommen.
Wie lange es aber dauert, bis die Werke wirklich talentvoller
Künstler sich auf dem Bildermarkte Bahn brechen, dafür liefert
den besten Beweis die Thatsache, daß die Gemälde Henners,
Bonnats, Jules Lefebvres, Baudrtzs, Bonvins, Bouguereaus,
Cabanels, Carolus Durans, Delacroix', Worms', Hccior Leroux'
im Jahre 1864 noch zu keinem Preise verkäuflich waren. Wenn
einer oder der andere zu niederem Preise ein Bild verkaufte, so galt
das als ein besonderes Glück, und doch standeil diese Künstler
damals gerade auf der Höhe ihres Talentes.

Im Jahre 1865 befand sich auf der Liller Ausstellung
eines der besten Bilder Henners, eine Italienerin, die zu 200 Fr.
nach dem Katalog zu verkaufen war. ES fand sich kein Käufer.
Heute würde man für das Bild 15 bis 20,000 Fr. erzielen.
Bor 25 Jahren zahlte man Henner für Porträts 15 bis 20 Frcs.,
die er heute sich mit 15 bis 20,000 Frcs. zahlen läßll

Im allgemeinen darf man freilich annehmen, daß die Werke
wahrer Kunst, die unbekümmert um die Gunst oder Ungunst des
Publikums in unwiderstehlichem Schaffensdrange entstanden, doch
verhältnismäßig selten unter dem Ostrazismus der Menge vom
Bildermarkt verschwinden. Sie bleiben meist gute Papiere
und steigen, je seltener sie werden, im Preise. An Ausnahmen
fehlt es, wie wir gleich sehen werden, freilich nicht. Uber diese
Fälle vermag sich niemand recht Rechenschaft zu geben und wenn

Für die Redaktion verantwortlich: Fritz Schwartz -

man die Kunsthändler nach den Ursachen des Verlassens der ehe-
maligen Lieblinge des Publikums fragt, so zucken sie die Achseln
und helfen sich mit einem -ellanes äs veute-.

Mit Recht ereilt das Schicksal, Plötzlich nicht mehr am
Bildermarkt „kotiert" zu werden, diejenigen Maler, die nur
dem Tagesgeschmack gehuldigt, sich vielleicht künstlich unter dem
Schutz der hier allmächtigen Presse, die mit Zauberschlage
Existenzen macht und vernichtet, oder mit Hülfe einer einfluß-
reichen Person lanciert und mit Frack und weißer Binde, mit
Kotillon und lebenden Bildern mehr gearbeitet haben, als mit
Pinsel und Farbe.

Das Schicksal, ihren „Kurs" ganz am Bildermarkt ver-
loren zu haben, hat Künstler wie Roqueplan, Gudtn, Couture
erreicht. Ihre Arbeiten sind aus Null gefallen, weil ihre Kunst
eine unwahre und konventionelle war, die nicht der Zeit und der
Kritik stand hält. Wie anders Künstler wie Millet und Nibot.

Unter den Malern, deren Werke seit der Geldkrise 1882
keinerlei Preisermäßigung erfahren — ich stütze mich hier auf
Angaben Paul de Katows, des Kunstkritikers des Gil Blas —
ist Bonnat zu nennen. Seine geringste» Skizzen sind gesucht und
werden dafür die kolossalsten Preise gezahlt. Propvrtionell zu der
Größe der Bilder erheben sich dieselben bis zu 60 und 80,000 Frcs.
Dasselbe gilt von den Bildern von Jules Lefebvre, Carolus
Duran, Detaille, Bonguereau, Mcissonier, Cabanel, Worms,
Charles Jacque, Beyrassat, Hector Leroux, Duez und Guillemet.
Im ganzen sind es etwa 50 Maler, die am französischen Bilder-
markt ihren Kurs haben. Bei den andern schwankt der Preis
nach den Umständen, nach den Ansprüchen des Künstlers oder
des Käufers.

Die fremde» Maler, namentlich die Belgier, Spanier und
Italiener haben dadurch, daß die französische Malerschule seit
einigen Jahren sich mehr der wahre», lebensvollen Kunst zu-
wendet und ihre brillante Technik auf das moderne Leben ap-
pliziert, sehr verloren. Die Bilder des Belgier Willems finden
beispielsweise heule kaum noch Abnahme für 1500 Frcs., während
sie vor 20 Jahren nicht für 15,000 zu haben waren. Das-
selbe gilt von Gallait, der von 2000 auf 500 gefallen ist. Arbeiten
eines Portaels, Kolbas, G. de Jonghes, VerlatS, Nvttas, Wauters
sind ebenfalls um 75 bis 80"/^ im Preise zurückgegangen.

Die Bilder von Alfred Stevens haben verhältnismäßig
weniger am Preise eingebüßt. In der Auktion Defoer brachte
ein Bild von ihm, welches mit 30,000 Fr. ursprünglich verkauft
war, noch 7000 und in der Auktion Stewart ein anderes,
welches aus dem Atelier gegen 40,000 Fr. herausgegangen, noch
12,000 Frcs.

Das schließt, wie gesagt, nun nicht notwendig eine Abnahme
des Talentes ein. Alle diese Maler haben ihre brillante Karriere
gehabt, sondern einfach eine Wandlung des Geschmacks im Pu-
blikum.

Die Bilder des spanischen Malers Madrazo verlieren etwa
50"/„. Ein Bild, das früher 10,000 Frcs. brachte, wird jetzt zu
5000 verkauft. Die Matejkos sind um 60"/„ gesallen.

Was unmöglich schien: Die F-ortuntzs geben um 50°/„
weniger, wie noch vor einigen Jahren. Mit der Zeit hat diese
seine schimmernde Malerei an Farbe verloren und ist schwarz ge-
worden, infolgedessen fehlt ihnen jene Lebensfülle, die heute als
erste Bedingung von einem Kunstwerk verlangt wird. Die Bilder
Gastiglionis, die sich vor 15 Jahren noch mit 8000 Frcs. verkauften,
gehen heute nur schwierig zu 200 ab.

Die Cabats verlieren 60°/„, und doch ist der Künstler, dessen
„See bei Ville d'Avratz" im Luxembourg hängt, einer der größten
Landschafter Frankreichs. Die Bilder Jacquets, Heberts, Jala-
berts, LazergeS', Leleux', Bidas, Plassans, Saintins, Ciceris,
Armand-Dumaresqs, Voillemots, Toulmouches verlieren 60"/„.

Andere, wie G. Dore, Anastasi, Brillouin, der Militär-
Maler Henrtz Dupratz, Protais erhalten nur noch 20 bis 40°/„
ihrer früheren Preise.

Dagegen haben jüngere wie Danvoye, Chaplin, Bernier,
Harpignier, Lesrel keinerlei Preiseinbuße zu beklagen.

Kein einziger deutscher Maler hat auf dem französischen
Bildermarkt einen festen Preis. Kuehl und Liebermann werden wohl
gekauft, ohne jedoch, wie man hier zu sagen Pflegt, „kotiert" zu sein.

Äedaktionsschkuk: 14. Zanuar — Äusgaöe: 28. 2an»ar

Anhalt des neunten bestes: tzert: Wolfgal,g Kirchbach. überdas
Sehen der Mater.— Nufere Bilder. Karl von Vinccnti. Das Wiener
Mozartdenktnal. — ktniiftiiotizcn x. - Uilderbeitagen: Wilhelm Diez.
Auf der Flucht nach Ägypten — Otto Seih. Neptuns Mccrfahrt. — Wil-
helm Gentz. Gedächtnisfeier des Rabbi Barchifchat. — HeinrichPetcr-
len - Ailgcln. AusfahrcudeS Lootjenboot.

Druck der Bruckmann'schen Buchdruckerei in München
 
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