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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Voss, Georg: Ein Berliner Realist
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0224

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Ein Berliner Realist. Von Georg Voß

gehen lassen; dasselbe Treiben nur mit dem raffiniertestem
Luxus der Pariser Toiletten noch drastischer ansgestattet
— das sind die Stoffe, die Skarbina in seinen Bildern
nur zu ost behandelt hat. Mit demselben Eifer sucht er
indessen auch das werkthätigc Volk in seiner Arbeit auf.
Ländliche Arbeiter, in deren Gesichtern der
Kamps um das tägliche Brod die Falten und
Furchen der Sorge zurückgelassen hat, sind
der hauptsächliche Gegenstand seiner Genre-
bilder. Einige derselben sind wie die fran-
zösischen Bauernbilder in Lebensgroße aus-
gcführt. Ansprechender wirken seine Bilder
aus dem ländlichen Leben, in denen er den
herkömmlichen Maßstab des Genrebildes nicht
überschreitet. Tie Feinheit, mit der er Luft
und Licht in diesen Bildern, namentlich in
hellbelcuchteten Jnncuräumen, zum klaren
Silberton der Farbe zusammen stimmt, kommt
in seinen Bildern von mäßiger Größe am
glücklichsten zum Ausdruck.

Die Studien zu fast allen seinen Werken
der letzten Jahre hat er in Holland, Paris
und Nordsrankreich gemacht. Sein letzter
längerer Aufenthalt in Paris umfaßt das
ganze Jahr vom Herbst 1885—86. In
Paris, wo das Publikum bereits seit zwei
Jahrzehnten mit den Werken dieses Stils
vertraut geworden ist, hat er schnell die
Auszeichnungen des „Salon" und die Auf-
merksamkeit des Kunstmarktes erworben. Tie
»Revue Illustree« hat bereits einige Stu-
dien von ihm in ausgezeichneten Holzschnitten
gebracht. Am Boulevard Clichy, der Haupt-
straße der Pariser Künstlerateliers, hatte er,
mitten unter den französischen Kollegen und
trotz seiner deutschen Nationalität in herz-
lichem Verkehr mit ihnen, seine Werkstatt
aufgeschlagen. Von dort aus, hoch über die
Häuser der Stadt hinwegblickend, hat er
Paris mit seinen Türmen und Kuppeln, die
aus dem blauen Meer von Häusern und
Kaminen als mächtige Marksteine anfragen,
in mehreren vollendet durchgesührte» Gemäl-
den dargestellt. Hinter den Koulissen der
Pariser Theater, namentlich in der großen
Oper und dem Tkeatre brnnxnis ist er ein
gern gesehener Gast gewesen und die Pariser
Bühnengrößen, namentlich die Frauen, haben
dem jungen Prnssien, der den koketten Reiz
ihrer Erscheinung so sicher zu treffen wußte,
gern zum Modell gesessen.

An der Berliner Akademie wirkt Skar-
bina seit 1878 als Lehrer der Anatomie-
klasse. Dem Studium der Anatomie hat
der Künstler in früheren Jahren besonderen Fleiß zu-
gewendet. Wie sehr er am Seziertisch der Berliner
Universität zu Hause ist, hat er in einem Gemälde, das
seiner Zeit mit allgemeinem Entsetzen betrachtet wurde,
bewiesen. Das Bild stellt einen Präpariersaal dar. "Auf
den Seziertischen liegen die unbekleideten Leichen in gleich-
förmiger Reihe nebeneinander. Mitten unter diesen Leichen
ist plötzlich eine der Gestalten vom Scheintode erwacht
und blickt um sich auf die Kadaver zu ihrer Seite. Der

Schreck und der Ekel chi den Zügen dieses Mannes ist
mit furchtbarer Wahrheit dargestellt. Mau glaubt zu
sehen, wie ihm der Aasgeruch in die Nase steigt und wie
er entsetzt vor diesem Eindruck zurückprallt.

Merkwürdiger Weise hat der Künstler, dem es in so

Pariserin. Studie von Franz Skarbina

seltener Weise gegeben ist, das Leben in allen seinen
Äußerungen zu belauschen, das Berlinertuin nur ganz
vorübergehend zum Gegenstände seiner Bilder gemacht.
Wie fesselnd er auch hier den lebendigen Ton der Schil-
derung zu treffen weiß, hat sein großes "Aquarell „Ter
Blick aus dem Fenster des Kaisers" bewiesen. Skarbina
hat dasselbe im Austrage der Berliner Hofgesellschaft als
Geschenk zum 90jährigeu Geburtstag des Kaisers gemalt.
Ju den Morgenstunden von 9 Uhr an. bevor der Kaiser
 
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