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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Über Maltechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0227

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Uber INaltechnik. vom Herausgeber

NI


Schwere Arbeit, von Franz Skarbina

der Zeichnung und Disposition der Farben vollkommen
klar ist, daß er alles so sicher studiert und vorbereitet
hat, um auf wesentliche Änderungen beim Malen selbst
verzichten zu können."

„Holbein bereitete seine Gemälde sehr sorgfältig durch
Vorstudien auf Papier mit Silberstift, Kreide oder Rötel rc.
auch mit getuschten Tönen vor, Köpfe und Hände meist
in der Größe, die sie auf den Gemälden selbst bekommen
sollten. (Mit Vorliebe ging er etwas unter Lebensgröße.)
Auf solchen Skizzen und Studien finden sich häufig
schriftliche Vermerke über die Farbe» der Kleider und
Stoffe, was ich dahin deuten möchte, daß der Meister
Rezepte für seine Untermalungen brauchte. Davon, daß
er seine Gemälde bloß nach den Studien förmlich voll-
endete, kann wohl keine Rede sein. Die Genauigkeit
seiner Vorstudien und ein merkwürdiges Formengedächtnis
erlaubten ihm wohl, das Bild in seiner Werkstatt auch
ohne Modell bis zu einem hohen Grade der Ähnlichkeit
zu bringen; aber es erscheint als zweifellos, daß die
feine Durchführung schließlich doch nach der Natur ge-
schehen ist — auch hierfür läßt sich der Nachweis aus
manchen jetzt sichtbar gewordenen Abweichungen der Über-
von der Untermalung im Meyer'schen Madonnenbilde bei-
bringen. Man darf wohl annehmen, daß z. B. für
dieses Bild die ersten Studien und die letzte Malerei
nach den Gesichtern und Händen der Familienmitglieder
im Hause des Baseler Stadtschultheißen entstanden sind,
während die ganze Untermalung, die ganze übrige Aus-
arbeitung (auch die beiden nackten Kinder) in die Werk-
statt des Künstlers zu verlegen sein dürften."

Damit können sich wohl die meisten einverstanden
erklären und werden nur die Einwendung haben, daß

Die Aunst für Alle III

das viel leichter zu sagen als nachzumachen sei. Daß
aber Holbeins Studien fast durchgänig noch individueller
und lebendiger sind als die ausgeführten Köpfe, das spricht
doch sehr für die Tradition, nach der er die letzteren nach
den ersteren vollendet habe. 1 ^Einzelne Ausnahmen'mögen
deshalb ja immer gemacht und auf den Wunsch der Besteller
solche Retouchen vorgeuommen worden sein, wie man sie
z. B. am Kopf des knieenden Töchterchens wahrnimmt.
Dennoch ist es vollkommen richtig, wenn Hirth sagt:

„Holbein war vor allem ein Zeichner von Gottes
Gnaden; Freiheit der-Hand, Treffsicherheit und Formen-
gedächtnis waren ihm im höchsten Grade eigen. Während
seine zahlreichen Handzeichnungen, seine Skizzen zu kunst-
gewerblichen und architektonischen Dingen, seine Holz-
schnitte rc. uns einen Begriff sowohl von seiner schier
unerschöpflichen Phantasie und seinem edlen Geschmack,
wie von der sicheren Raschheit und grandiosen Einfachheit
seiner künstlerischen Handschrift geben, ersehen wir anderer-
seits aus den fertigen Gemälden, daß der Meister bis
ins Kleinste der Natur nachzugehen beflissen war. Dabei
liebte er das volle Licht, absichtlich^ Verdunkelungen liebte
er nicht, selbst in den unumgänglichen Schattenpartien
herrscht wunderbare Klarheit."

Diese Meisterschaft ist eben die Grundbedingung
jeder gesunden Malerei, obwohl die meisten ihre Erwerbung
leichtsinnig überspringen und dann jener Pfuscherei ver-
fallen, welche man heute so oft sieht.

Titian und Correggio, welche ebenso vortreffliche
Zeichner waren als Holbein, verfuhren ganz anders bei
ihren Bildern als dieser; letzterer benützte z. B. graue
Tempera-Untermalungen, die er direkt auf die ungrundierte
Leinwand auftrug, wie man an dem berühmten ange-

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