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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Voss, Georg: Eine Ausstellung der Hellmaler
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0248

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188

Line Ausstellung der Hellmaler, von Georg voß — Unsere Bilder, vom Herausgeber

bewußt sind. Die talentlose Masse sucht sich mit der
Flagge des Impressionismus und der Hcllmalerei zu
decken, und gerade diese talentlose Masse ist es, welche
das Ansehen der neuen Schule entwürdigt.

In der gegenwärtigen Ausstellung der Gurlitt'schen
Kunsthandlung ist der interessante Versuch gemacht, die
neue Schule den Werken der älteren Künstler in geson-
derten Räumen gegenüber zu stelle». Hier tritt es so
recht hervor, daß es keineswegs der Realismus allein ist,
welcher die Jungen von den Alten trennt. Gussoiv
und Lenbach sind in dieser Ausstellung mit Werken
eines künstlerischen Realismus vertreten, über dessen Wahr-
heit des Ausdrucks keiner von den Neuen hinausgeht.
Besonders Gussow bringt in üer stattlichen Anzahl von
14 Gemälden eine Reihe von charaktervollen Köpsen aus
dem Volksleben, welche noch immer dieselbe Frische der
Beobachtung zeigen, wie diejenigen Werke, mit denen er
sich vor zwöks Jahren als der gefeierteste Realist der Ber-
liner Akademie einsührte. Doch der leuchtende Schmelz
in den Farben eines Gussow gilt der neuen Schule schon
längst als ein erlogener Schein. Daß diese Farben viel-
fach unendlich schöner sind als das meiste von dem, was
uns die Hellmaker vorsührcn, tritt gerade bei dieser Zu-
sammenstellung deutlich hervor.

Unter den letzteren befinden sich manche rühmlich
bekannte Werke, so Fritz von Uhdes Abendmahl,
dessen Tiefe der Auffassung von Jahr zu Jahr mehr die
Feinde der neuen Richtung versöhnen wird. Doch noch
immer steht Uhde mit dem hohen Ernst seiner Auffassung
der Darstellung des menschlichen Seelenlebens isoliert da.
Ebenso scheint er der einzige zu sein, welcher in dem
Ton der Farbe zuweilen den poetischen Ausdruck für die
Stimmung des dargestellteu Vorgangs findet. Auf dem
Abendmahlsbilde ist der Ernst der Stunde schön und er-
greifend zum Ausdruck gebracht, besonders in dem melan-
cholischen Charakter der Abendlandschaft, auf die mau
durch das breite Fenster des Raumes hinausblickt. Unter
den Münchenern zeigt sich ferner Schlittgen als einer
der eifrigsten Verfechter der neuen Richtung. Sein frisches
Talent in der Darstellung der modernen Gesellschaft ist
freilich in den hier ausgestellten Bildern der Lichtnurkung
zu Liebe fast ganz verloren gegangen. Auf dem einen
seiner Gemälde sieht man wie das weiße Himmelslicht
so grell von allen Seiten herabfällt, daß jeder Schatten
und jede Farbe von diesem Licht verzehrt wird. Eine
im Vordergründe reitende Dame — nebenbei gesagt, der
Hauptinhalt des Bildes — wird dadurch zur inhaltlosen
Silhouette. Sie bietet dem Auge nichts als einen farbi-
gen Fleck in der Landschaft. Doch dieser Eindruck ist
treu und wahr wicdergegeben. Auf Schlittgens anderem
Bilde sieht man eine Dame am Meeresstrande sitzen, die,
von demselben grellen Licht geblendet, die Augen zu-
sammenkneift. Der physiognomische Ausdruck wird da-
durch zu einem blöden geistesöden Grinsen. Und weil
dieser Ausdruck wahr ist, muß er gemalt werden! Als
ein neues Talent hat sich hier Stremel mit einigen
Darstellungen malerischer Jnnenräume eingeführt. Außer
der Harmonie des Tons zeigen diese Arbeiten eine Sorg-
falt der Durchführung, welche beweist, daß ein Schaffen
im Sinne der neuen Richtung auch ohne die maniriert
klecksige Malweise der Impressionisten möglich ist.

Die einzigen Vertreter der Berliner Schule sind
Skarbina und Liebermann. Der letztere hat dies-

mal das Bedürfnis gehabt, ein Bild voll Frohsinn und
Leben zu geben. Doch die Wesen, in deren Zügen er
nach dem ewigen Einerlei von Stumpfsinn und Lange-
weile endlich einmal Glück und Freude malt, sind nicht
Menschen sondern Tiere, eine Schar munterer Ferkel,
die sich um den frisch gefüllten Trog drängen. Auch in
Zolas Germinal ist ja der einzige mit poetischen Empfin-
dungen durchgeführte Charakter nicht unter den Menschen
sondern unter den Tieren zu finden: der Schimmel, wel-
cher im Dunkel des Kvhlenschachtes von dem Licht der
Sonne träumt. Die Landleute, welche diesen Schweinen
zuschauen, sind so schmutzbedeckl wie auf fast allen Bildern
Liebermanns. Die Schweine dagegen strahlen so weiß
und rein, als ob sie eben aus dem Bade kämen. Das
Bild ist übrigens in der Darstellung des Lichts eines
der besten Werke des Künstlers. Von sonstigen Hell-
malern. sind noch Kühl, Leopold v. Kalckreuth,
Klaus Meyer und H. Neuhaus sowie einige Nieder-
länder mit guten Arbeiten vertreten. Leider fehlt es in-
dessen auch nicht an recht häßlichen Spektakelstücken, die
dem Ansehen der neuen Schule empfindlich schaden.

Unsere Bilder

vom Herausgeber

on den Künstlern, welche sich der so dankbaren Schil-
derung unserer Vorzeit zugewendet, ist Gustav
Spangeuberg unstreitig einer der liebenswürdigsten.
Er hat das aber nie wvhlthuender bewiesen, als da er
uns in die enge Stube führte, in welcher Hans Sachs,
der „Schuh—macher und Poet dazu", den Nachbarn am
Feierabend seine neuesten Verse vorliest. Gut gemeint,
voll gesunden Menschenverstandes und Humors, aber
etwas holperig ohne Zweifel. Der behagliche alte Meister,
dem der Schalk so sichtbar im Nacken sitzt, skandiert da-
rum nicht vergeblich beim Lesen, er wird wohl eben ein
paar Füße zu viel gefunden haben an einem seiner Sinn-
sprüche. Nun, der Schreinermeister, der neben ihm sitzt,
wird sie schon wieder zusammeuleimen. Er ist offenbar
der Kritiker der Gesellschaft, der das schon lang verstan-
den hat, wofür sein Nachbar zur Rechten den Raum
unter der Pelzhaube noch nicht offen gefunden. Überaus
gelungen sind dann im Bilde die Frauen, bekanntlich die
eifrigsten Zuhörerinnen, wenn ihnen nicht gerade etwas
dazwischen kömmt, wie der hübschen Nachbarin, die über
ihrem kleinen Schreihals aller Reime vergißt, während
der ihr gegenüber stehende junge Geselle sich im Gegen-
teil wohl darum als der dankbarste Hörer ausweist, weil
die hübsche Meisterstochter vor ihm sitzt, die ihrerseits
umso andächtiger dem Vorgelesenen lauscht, je weniger sie
von demselben versteht. Denn der Glaube macht auch
bei der Poesie selig. Letztere liefern im Bild, wo man
die Verse nicht hören kann, zweifellos die beiden anmutigen
Frauen, da sie wie ein Sonnenstrahl das dumpfe, niedrige
Gemach erhellen und somit ihren Beruf trefflich erfüllen,
während uns das ganze Bild offenbar versinnlichen soll,
wie Poesie und Liebe, die alten Trösterinnen des Men-
schengeschlechts, auch die engsten Herzen ausweiten können.
Verstand das schon der alte Nürnberger Meister, so hat
durch dieses Verständnis uns auch Spangenberg um ein
echt deutsches, kerngesundes Kunstwerk bereichert.

Ist die von Gabriel Max „Atropa Belladonna"
getaufte Kleine vom Duft der Tollkirschen, die sie sich
 
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