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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Ernst Julius Hähnel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0297

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228

Ernst Julius Hähnel.

für einen so glänzend begabten jungen Mann in einer ohnehin vorwiegend idealisierenden Periode von selbst
gegeben. Aber diesem Idealismus hielt bald eine sehr scharfe Beobachtung des wirklichen Lebens umsomehr

ein wohlthätiges Gleichgewicht, als er die iin damaligen
Dresden sehr großen Widersprüche zwischen beiden
durch seinen sprudelnden Humor und den Übermut
einer reichbegabten Natur leicht auszulösen vermochte. So
entstand denn eine Kunstrichtung bei ihm, die am Ende
doch mehr mit der florentinischen Renaissance als mit
der Antike gemein hat, da sie die Formen dieser wohl
benützt, aber sie mit einem völlig neuen, selbständigen
Geiste erfüllt. Gerade in seinen frühesten und unläug-
bar genialsten Schöpfungen, dem Bacchuszug (s. die Abb.
auf S. 229), dann den köstlichen Reliefs zum Beethoven-
denkmal, wie bei der Statue des Meisters selber, oder
denen Moliercs und Shakespeares tritt diese Unab-
hängigkeit von der Antike bereits viel schärfer heraus
als bei Thorwaldsen und selbst bei Rauch. Denn dadurch
unterschied sich Hähncl bald vom crsteren, daß er der
Vaterlandslosigkeit desselben durchaus fern blieb; es ist
im Gegenteil etwas von der herben Strenge des deutschen
Bodens und von der Straffheit der Bischer undDonatello
in seinen Werken, denensiedenn auch durchaus verwandter
bleiben als der Antike. Diese Pflegt vor allem die Dar-
stellung des Nackten, das Hähne! wenigstens nicht aussucht,
da er ganz richtig der Meinung war, daß sie in unserer Zeit
selten recht gelinge, weil sie deren Sitten nicht entspreche.
Der sächsischen Heimat gehört dann, was gelegentlich
Mageres bei ihm erscheint; es wirkt aber jugendlich, nicht
dürftig. Man braucht nur seine orgelspielende Cäcilia
zu sehen in ihrer strengen Anmut, um sofort an die
Renaissance, aber gewiß nicht an die Antike erinnert
zu werden (s.dieAbb. auf S. 229). Ja, die Schalkhaftigkeit
in seinem unvergleichlichen Bacchuszug, die Art, wie die
Musen den trunkenen Herkules da necken, ist sogar durch-
aus modern und weder bei der Antike noch bei der Re-
naissance zu finden; sie gehört nur ihm, da jene beiden dem
Stoff bei weitem nicht so unbefangen gegenüberstehen.
Dasselbe gilt von dem herrlichen Relief der Symphonie,
die er in einer so geistvollen Weise verkörpert hat, wie sie
der naiveren Antike noch ganz ferne liegt, erst bei Raffael
auftaucht (s. die Vollbildreproduktion in diesem Hefte).
Den Anstoß zu jener tiefsinnigen Auffassung antiker
und biblischer Mythen dann, wie sie im Hauptwerk
des Meisters, den Museumsarbeiten, am glänzendsten
erscheint, hat er wohl am ehesten von Cornelius er-
halten, dem hier kein Künstler der alten oder Re-
naissancezeit gleichkommt. — Aber selbst im Jubel, die
Würde und den Adel der Kunst zu wahren, was die
Gegenwart so oft verlernt hat, das versteht unser
Meister allerdings vortrefflich, wie er es überall,
aber ganz besonders in jener grandiosen Allegorie
auf Michelangelo beweist, die ihn an der „Nacht"
arbeitend zeigt (s. die Vollbildreproduktion in diesem
Hefte). —

Haben Hähnels sich ganz im Reich des Ideals und der Allegorie bewegende Schöpfungen überall
Beifall und Verehrung eingeerntet, so fanden dagegen seine bestimmte historische Persönlichkeiten darstellenden
Figuren eher Widerspruch. Dennoch hat er gerade hier, wo man ihm in der Regel Rietschel vorzog, einige

Alexander der Große, von L. I. ffähnel
 
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