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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst
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Kunstlitteratur und vervielfältigende Kunst

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bei Piranesi zu finden ist, wie es zu seiner Zeit mar und wie
es mit den von ihm dargestellten Gebäuden und ihrer Bauzeit
verwachsen ist, — daS Bild aus jener Zeit, als noch das ge-
samte öffentliche Leben Noms sich um die Kirche und ihre Ver-
treter, um den päpstlichen Hof und um die Gotteshäuser drehte
— das Bild, das schon lange verwischt war, bevor die Bresche-
legung bei der Porta Salara der ganzen romantischen Herrlich-
keit ein jähes Ende bereitete. Hier sehen wir die Laterans-
Basilika mit einem weiten Ausblick auf die Campagna, dort S.
Maria Maggiore mit zeitgemäßer Staffage; — hier breitet sich der
weite Platz vor der Peterskirche vor uns aus, an deren majestätischer
Kuppel vorbei man Häuserreihen gewahrt, die nur in der Phan-
tasie des Kupferstechers existiert haben, — dort begegnen wir
den Gartenanlagen und Bauwerken verschiedener Villen u. s. w.
Anßer der ebenerwähnten Ansicht von St. Peter zeigt auch z. B.
die Engelsbriicke die zügellose Phantasie des Künstlers, denn,
wenn das Tiberbett je so von Felsen durchwachsen und mit
Festungswerken verbaut gewesen wäre, wie es hier bei der An-
sicht des Castel S. Angela dargestellt ist, so möchten wir wissen,
wie der häufig stark angeschwollene Strom seinen Weg durch
dieses Labprinth gefunden hatte. Die herrlichen Gartenanlagen
der Villa Albani entlocken nns Klagen darüber, daß sie gegen-
wärtig der Banwut zum Opfer fallen, während die Gärten der
Villa d'Este in Tivoli in ihrem jetzigen, etwas verwahrlosten,
aber auch die Natur in ihrer ganzen saflstrotzenden Üppigkeit
zeigenden Zustand uns entschieden lieber sind, als die in spa-
nischen Stiefeln paradierenden Heckengänge oder die gleichfalls
in architektonische Fesseln gelegte Natur in den Anlagen der
Villa Panfili-Doria, wie sie Piranesi gesehen. Auch sonst ist
nicht alles schlechter geworden als früher, oder wer möchte sich
auf der Piazza del Popolo an Stelle des herrlichen mit Sta-
tuen und Brunnen gezierten Terrassenaufbaus am Monte Pincio
einen von Kot und Unrat starrenden Standplatz zahlreicher
Marktfuhrwerke zurückwünschen, wie ihn Piranesi darstellte ? Auch
in dieser kulturgeschichtlichen Hinsicht haben diese nun wieder neu
herausgegebenen Blätter ihre Bedeutung; vielleicht spricht doch
ein späteres Jahrhundert den heutigen Römern jenes Recht zu,
das die Gegenwart den Lebenden so gerne zu Gunsten des Ver-
gangenen vorenthält. Der Dinge innerster Kern bleibt doch: „der
Lebende hat Recht".

Zweifellos hat auch Piranesi dieses Recht des Lebenden
empfunden; denn er hat sich nicht damit begnügt, Vorhandenes
abzuzeichnen und zu ergänzen, sondern er hat sich selbst an Ent-
würfen versucht, wie sie seinem Denken und Empfinden ent-
sprangen. Ein Teil derselben bildet die vierte Gruppe des in
Rede stehenden Werkes. Sie legen in ihren, oft an die Grenzen
des Ausführbaren streifenden Mastverhältnissen so recht Zeugnis
dafür ab, welche Anregung das Studium der römischen Archi-
tektur au der Quelle gibt; der nationale Zug, der seit einer
Reihe von Jahren durch Deutschland geht nnd der in fast chau-
vinistischer Weise alles außerdeutsche Studium möglichst zu
beschränken sucht, kann in seiner Haltlosigkeit und Gefährlichkeit
wenigstens in Bezug auf das Architekturstudium nicht schärfer
verurteilt werden, als durch diese Blätter. Es gibt nicht leicht
einen schlagenderen Beweis für den eminenten Nutzen, den die
in Nom gemachten Studien für unsere heutige Groß-Architeklur
in sich tragen, als das Werk Piranesis.

Wie weit sein Einfluß auf seine Zeitgenossen reicht, wird
sich schwerlich je genau feststellen lassen; aber bei der grosten
Masse von Stichen, die er publizierte, bei der relativen Strenge
des Stils seiner Entwürfe ist ein Einfluß insofern wohl denkbar,
daß man, als das Rokoko im Absterben war, und man wieder
auf strengere Formen zurückgreifeu wollte, in den damals neu
erschienenen Piranesischen Stichen ein sehr brauchbares Material
entdeckte, um an Stelle der ausgelassenen Schnörkel des Rokoko
eine äußerlich in strengerer Zucht gehaltene, aber dafür innerlich
um so seelenlosere und langweiligere Kunst, den Zopfstil
(Louis XVI.) zu setzen — freilich ein arges Mißverstehen der
ehrlichen Absichten Piranesis. Zwar finden sich in seinen Ent-
würfen z. B. bei seinen Restaurationsversuchen der Via Appia,
des Campus Martins und bei dem Entwurf zu einer Hafen-
anlage, einem Mausoleum re., manche Keime dieses so verpönten
Stiles; aber „vom Erhabenen znm Lächerlichen ist nur ein
Schritt"! Piranesis Einfluß auf den Empirestil darf man wohl
als zweifellos ansehen.

Noch ein Wort über die Erscheinungsweise des vorliegenden
Werkes, welches die zweite Serie des vom gleichen Verlage her-
ausgegebenen „Bauschatzes" bildet. Seit Dezember 1884 er-
schein! vierteljährig eine Lieferung mit je 20 Tafeln Lichtdrucke

auf Karton (47 X 31 cm) zu dem als sehr nieder zu bezeich-
nenden Preis von 6 fl. — 12 Mark: je vier Lieferungen bilden
einen Band, der in Mappe zu dem Preis von 2b fl. — 50 M.
abgegeben wird. Zu bedauern ist, daß die Einteilung der vier
Bände nicht analog den vier Gruppen gehalten werden konnte;
es steht zu hoffen, daß diesem Übelstend durch das mit der
Schlußlieferung (Nr. 16) in Aussicht gestellte Register wirksam
begegnet wird.

Der Schmuck, von w. volz

Und so wünschen ivir dem herrlichen Werke, das ans keiner
Architektur- oder Kunstgewerbeschule fehlen darf und das zu den
wichtigsten Jnveutarstiicken eines Baubureaus gehört, eine seinem
Wert entsprechende Verbreitung. I-. 6

O. V. Berlin. Ban Dycks berühmtes Bildnis einer
lächelnden jungen Dame in der Kasseler Gemäldegalerie
ist von dem Berliner Kupferstecher Professor Eilers in einem
großen Grabstichelblatt vervielfältigt worden. Das Frauenideal
 
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