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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Raupp, Karl: Auf Frauenchiemsee
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0023

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Auf Frauenchiemsee

w

Bei euch will ich zu Hause sein,

Die Stadt ist mir zu — schuftig."

es ist uns aus der Seele gesprochen.

Zumal jetzt, da der Fremde München ganz und gar
okkupiert hat und das Ausstellungsgewühl den Aufent-
halt dort für den Einheimischen unerquicklich macht. Die
Ruhe, die friedliche Stille hier ringsum, wie wohlthuend
wirkt sie auf die geräuschvolle Stadt! Rudolf Seitz,
in diesem Jahre zum erstenmale auf Frauenchiemsee, er
empfand die vor 30 Jahren geschriebenen Worte seines
Vaters im innersten Herzen und die schmeichelnde Schön-
heit des Chiemseeidylls hat's auch ihm angethan. Es ist
ein genußreiches Bummeln und für den Maler ein be-
schäftigtes Nichtsthun, ein Arbeiten und Schwelgen im
Schauen bei der Fülle der malerischen Details und dem
reichen Wechsel der Bilder und Stimmungen wohl kanm
verführerischer als hier, auf diesem gesegneten Fleckchen
bayrischer Erde. Und nicht jeder kann sich ermannen zn
ernstlicher Arbeit, der Sirenengesang der Nixe des Sees
hat schon manchen eingelullt, die Geständnisse frohmütiger
Faulheit wenigstens, sie sind auf vielen Seiten der Künstler-
chronik in Bild und Wort niedergelegt. Dennoch gehört
der Malschirm, dieser weithin leuchtende weiße Riesenpilz,
gewissermaßen zur Physiognomie der Fraueiiinsel, der nie
fehlen sollte und trotz wechselnder Kunstanschauungen und
Bestrebungen auch zu keiner Zeit völlig gefehlt hat. Auch
dieses Jahr sieht man die Malerkolonie zahlreich vertreten,
aber, mag das sieghafte Pleinair der Münchener Aus-
stellung die Ursache sein, wie die Art und Weise des
Studiums und der künstlerischen Arbeit sich den modernen
Prinzipien anpaßt, so sind auch die Wahl der Motive
und die Mittel zur Darstellung vielfach andre geworden.
Allerdings, ich sowohl wie mit mir einige jüngere Kollegen
haben nicht auf die neueste Pleinairlosung zu warten ver-
standen, seit einer Reihe von Jahren schon spannen wir
unsre Leinwand draußen im Freien auf und malen frisch-
weg unsre Bilder direkt vor der Natur so gut als wir
es vermögen. Überhaupt, das mit so viel Aufhebens
gepredigte Evangelium der Freilichtmalerei datiert sich
recht eigentlich um viele Dezennien zurück. Franz Len-
bach in seinen ersten Bildern, noch in der Schule Pilotys
entstanden, war nichts andres als ein Freilichtmaler, nur
daß seine Anschauung auf eigenem Boden gewachsen, ori-
ginell und keine abgeschwächte Kopie französischer Vor-
bilder zu sein sich bemüht hat. Auch lange vor dem-
selben der Genremaler Waldmüller in Wien, dessen
gesunde, allerdings seiner Zeit vorauseilende realistische
Darstellung ebenfalls durchweg unmittelbar vor der Natur
entstand. Mit diesen viele andre noch. Und so ist diese
jüngste Bewegung nur ein Teil jenes Kreislaufes, den
unsre Kunstentwicklung nun einmal zu durchwandern hat und
nur denjenigen durch ihre Neuheit verblüfft, welcher sich
eben verblüffen läßt oder in gutem Glauben und mangeln-
den Verständnis sich dem dreist und laut bemerkbar
machenden Verkünder eigener Vortrefflichkeit unterwirft.

Es ist ein eigen Ding, dieser Glauben an sich selbst,
er führt konsequenterweise schnell dazu .keine andren Götter
neben sich zu dulden. Mit Staunen las denn auch die
Welt, wenigstens die Münchener Welt, schwarz aus weiß
vor einigen Wochen, die gewaltige Farbenfreudigkeit eines
Rubens wie die Meisterschaft van Dycks sei von nun
an zu den glücklich überwundenen Standpunkten zu
zahlen.

Solch phänomenale, aber vor Manier nicht geschützte
Begabung, diese langweilig gewordene ewige Vornehm-
heit, man werfe sie saus laqon in die künstlerische
Rumpelkammer!

Es ist gut, die Bäume wachsen bekanntlich nicht in
den Himmel; ruhig können einstweilen die immer noch
unerreichten Meister auf ihren Lorbeeren schlummern, auch
die fettgedrucktesten Inspirationen aus dem extremen plein-
airistischen Lager werden ihnen dieselben wohl nicht
rauben.

Der Nutzen großer Ausstellungen ans künstlerischem
Gebiet besteht vor allem wesentlich in der Klarstellung
des wirklichen Wertes zeitweilig dominierender Erschei-
nungen; unter dem Gesamteindruck internationalen
Schaffens liegt die lokale Größe unter der Lupe ge-
schärfter Beurteilung, somit wird auch die diesjährige
Ausstellung in München unter ihren Erfolgen die allzu
ungestümen Forderungen und Prätensionen auf ein rich-
tiges Maß zurückzuführcn verstehen, den brauchbaren guten
Kern von dem falschen Schein trennen, in Wahrheit ein
Markstein unsrer modernen Küustentwicklung zu sein ver-
mögen.

Doch wir sind von der Fraueninsel wieder in den
leidigen Glaspalast geraten, den verlassen zu haben und
vor wirklicher Natur aufzuatmen wir uns doch soeben
erst gerühmt und gefreut hatten.

Daß man das, was im Freien vorgeht, in der bild-
lichen Darstellung auch im Ton und Erscheinung draußen
in Sonne, Luft und Licht zu studieren und zu erreichen
sucht, daß man auch im Interieur die Stimmung des
Raumes wie die Wirkung der Figuren innerhalb desselben
wiederzugeben sich bestrebt und nicht diese letzteren in
voller Atelierbeleuchtung ohne Zusammenhang mit der
Umgebung malt, das ist der berechtigte Glaubenssatz, mit
welchem sich die modernste Richtung Geltung, Beachtung
und Anhänger verschafft hat. Und dieser eigentlich selbst-
verständliche künstlerische Grundsatz wird bestehen bleiben
und Früchte tragen, wenn längst die manieristischen Aus-
wüchse und Geschmacklosigkeiten, heute die Unfehlbarkeit
beanspruchend, der verdienten Vergessenheit anheimge-
fallen sind.

Nach den soeben genannten künstlerischen Zielen strebt
denn auch seit einigen Jahren vielfach das sommerliche
malerische Schaffen der hier in Frauenchiemsee weilenden
Künstler.

Nicht mehr wie früher allein der Brauch, werden
lediglich die Skizzenstudien zur Verarbeitung im Atelier
gesammelt. Nicht die kleine Studie, sondern die große
Leinwand ist da und dort aufgestellt, das Bild selbst ent-
steht vor der Natur. Direkt soll die Beobachtung auf
das Werden desselben wirken, die ganze Frische und Un-
mittelbarkeit malerischen Schauens den Pinsel führen. Auch
fehlt das unumgängliche Modell hier nicht, eine Ferien-
kolonie für diese Spezies von Existenzen, welchen durch
diese Wandlung künstlerischer Anschauung gleichfalls Er-
holung und zeitweise Erlösung aus dunklem Stadtleben
zu Teil wird, könnte man es nennen.

Es ist also der Figurenmaler, der Genremaler und
nicht der Landschafter, der die kleine Insel im bayrischen
Meer jetzt ausschließlich für sich in Beschlag nimmt.
Schon seit Jahren kehrt der Landschafter nicht mehr auf
Frauenchiemsee ein, sein Terrain ist das Moos in Bernau,
 
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