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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Weihnachtsgaben deutscher Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0105
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vom Herausgeber

77


Eine Ausnahme davon machen nur die wenigen Vignetten nach
Skarbina, Rocholl u, a-, wo der Holzschneider glaubte, die ^eng-
lisch-amerikanische Art des Schnitts anwenden zu sollen, die
unsrem Charakter so gar nicht entspricht und daher regelmäßig
zur Manier fuhrt. Dagegen sind die größeren Blätter nach
Menzel von Käseberg oder nach A. von Werners berühmten
Bildern von Knesing oft wahre Meisterstücke und der Bedeutung
der Ereignisse so durchaus würdig, daß das Ganze die große Ver-
breitung vollkommen rechtfertigt, die es bereits gefunden, da
absolut nichts ähnliches von gleichem Werte existiert. —

Demselben Verlage entstammt auch ein neuer stattlicher Band:
„Künstler und Musiker" des Allgemeinen historischen
Porträtwerkes, herausgegeben von vr. W. v. Seidlitz. München,
Berlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft. (In Kalblederband
50 Mark.) Diese Abteilung des Seidlitzschen Werkes ist eigentlich
die interessanteste, wenigstens die der Künstlerporträts, da hier eine
Menge Meisterwerke in oft sehr guten, immer wenigstens erträg-
lichen Nachbildungen gegeben werden. Die Herrn Maler und
Bildhauer wußten fast immer dafür zu sorgen, daß ne in möglichst
vorteilhafter Gestalt aus die Nachwelt kamen. Besonders die älteren,
deren Überlegenheit in dieser Beziehung unbedingt anerkannt
werden muß, während die Inferiorität der romantischen Periode
ans dem Felde des Porträts leider nur gar zu offen am Tage
liegt. Hier entschädigen aber doch die oft vortrefflichen Arbeiten
der Franzosen und Engländer für die Pfuscherei der Deutschen.
Übrigens wären wenigstens von Cornelius und Overbeck auch
viel bessere Bildnisse aufzutreiben gewesen als die widerlich senti-
mentale Zeichnung Schuorrs, die sie überdies um 1820, also viel
zu jung, wiedergibt und allerdings sehr charakteristisch für diese
Periode der deutschen Kunst, wenn auch nicht für die Dargestellten
ist, die denn doch sehr viel bedeutender ausjaheu. Unbefangen
erscheint übrigens merkwürdigerweise fast keiner dieser modernen
Künstler, denn beinahe alle will der Darsteller interessant machen
und läßt sie geziert dadurch werden. Sehr amüsant sind endlich
die Musiker, darunter Schumann vortrefflich nach einer Zeich-
nung Bendemanns. Warum man nicht öfter Büsten benützt hat,
ivo wie bei Mozart keine guten Bildnisse vorhanden waren, sieht
man nicht ein. Immerhin aber wird man das Werk trotz seiner
unvermeidlichen Mängel, mit ungewöhnlichem Interesse durch-
blättern, da es schwer sein möchte, interessantere Variationen über
das Thema Mensch zu treffen, dessen hervorragendste Exemplare
man hier zu sehen bekömmt.

Direkt nach Wien in den Mittelpunkt des österreichischen
Kunstlebens führt uns eine jetzt vollendete und in ihrer Durch-
führung alles Lobes würdige große Publikation, deren erste Lie-
ferungen wir bereits im 1. Jahrg. (S- 310) besprechen. Wir meinen:
Hans Makarts Werke. 8.—22. Heft. Groß-Folio. Sub-
skriptions-Preis V/r fl. — Mk. 2,50., Einzelpreis fl. 2,40
— 4 Mk. für jedes Heft. Wien, Viktor Angerer. Neben dem
früher besprochenen Werk Adolf Menzels behauptet das seines
denkbar größten artistischen Gegensatzes unstreitig den ersten
Platz, wie sie beide miteinander die Pole bezeichnen, innerhalb
welcher sich das künstlerische Schaffen der Gegenwart in Deutsch-
land bewegt: das ganz einseitige Streben nach malerischer
Schönheit und eben solches nach Wahrheit. — Der Kontrast ist
hier sogar unendlich größer als z. B. der zwischen Schiller und
Goethe, und dennoch wird man im Betrachten ihrer Werke sich
sofort glücklich preisen müssen, daß.wir diese beiden Männer be-
sitzen, die uns jeder eine ganz neue Welt aufgeschlossen haben,
von der man früher absolut keine Ahnung hatte. Denn wie
verschieden auch unter sich nach allen Richtungen, darin gleichen
sie sich doch, daß sie beide weniger von anderen Kunstwerken be-
einflußt wurden, als irgend welche sonstige Zeitgenossen. Dafür
haben sie aber um so entschiedener auf alle folgenden gewirkt,
ja niemand, der zwischen Königsberg und Triest seither einen
Pinsel in die Hand genommen, ist unberührt von ihnen ge-
blieben. Ist bei Menzel die Verwandtschaft mit Rembrandt
demnngeachtet oft so groß, daß man z. B. sein Walzwerk ganz
ruhig diesem zuschreiben könnte, so lange man es nur im Licht-
bild sieht, so sind ja auch bei Makart Anklänge bald an Paul
Veronese und bald an Correggio oder Rubens vorhanden. Immer
aber .ist beider Künstler Persönlichkeit so stark, daß man den
größten Teil ihrer Produktion nirgends als bei ihnen selber
unterbringen kann, wie sie dem Reich der Kunst ganz neue Pro-
vinzen erobert haben. — Die Technik der Photogravüre eignet sich
um so besser für Makart, als sie seine malerischen Reize fast
unverkürzt wiederzugeben im stände ist, da sie ja wie bei Menzel
noch mehr in der pikanten Behandlung und dem Helldunkel als

in der Farbe selber liegen. Es ist ein wehmüthiges Gefühl, das
einem beim Betrachten dieser Hefte anwandelt in denen sich ein
Genius offenbart wie er vielleicht nie wieder in Deutschland so
eigenartig austritt und dabei betrachtet wie weit wir schon wieder
von den Bahnen abgewichen sind, die er uns eröffnet! Das
aber ist gewiß, daß jeder Besitzer dieses Werkes sich einen Schatz
erworben hat, dessen Werth sich jedes Jahr steigert da keine
Mode ihm etwas anhaben kann. Um so deutlicher kann man
die wahrhast verhüngnißvoll bei unserer Kunst zunehmende Macht
der Mode bei einer zweiten in ihrer Art unstreitig musterhaften
Publikation verfolgen: bei der von der bekannten Wiener
Geieüschaft seit einigen Jahren herausgegebenen Zeitschrift
„Die vervielfältigende Kunst der Gegenwart", welche
wir wiederholt im 10. Heft des 1. Jahrgangs und im 14. Heft
des 3. Jahrgangs besprochen haben und von der uns jetzt
bereits das vierzehnte Heft vorliegt, so daß man bei dem überaus
reichen Inhalt derselben zu einem Urteil wohl in Stand gesetzt
ist, obwohl einstweilen nur „der Holzschnitt" abgeschlossen vorliegt.
Dieser aber ist in einer überraschenden Vollständigkeit vorhanden,
die uns seine allmälige Entwicklung bei den verschiedenen
Nationen in sehr geschickt ausgewählten Mustern seit einem
halben Jahrhundert bis auf die allerneueste Zeit verfolgen
läßt. Der vortreffliche Druck dieser Muster durch die k. k. Hof-
und Staatsdruckerei in Wien ist ganz geeignet alle die feinen
Reize hervorzuheben, deren der Holzschnitt durch die Ein-
wirkung der Engländer und Amerikaner erst fähig gemacht worden
ist. Der begleitende Text von C. von Lützow für den allgemeinen
Teil und von W. Hecht für das spezielle Fach des Holzschnittes
ist wohl geeignet, dem Leser die nötigen Aufklärungen zu bieten.
Leider läßt er uns, wie so oft, auch hier wieder die Erfahrung
machen, daß wir Deutsche trotz den eigenartigsten Anfängen unter
Ludwig Richter, Schwind und Menzel, alsbald wieder der Nach-
ahmung fremder Muster verfielen und den selbsterrungenen Besitz
willig dahingaben, um Vorzüge, die unsrem Charakter nicht ent-
sprechen, nur halb zu erreichen. — Die mit dem 13. Heft
beginnende Geschichte des modernen Kupferstichs wird uns
voraussichtlich dasselbe Schauspiel darbieten, einstweilen ist sie
von Bouchot durch den französischen Stich eingeleitet und dieselbe
durch Proben der verschiedensten Meister so passend erläutert,
daß man der Fortsetzung mit Vergnügen entgegensehen darf.

(Ein Schlußartikel im nächsten Heft)

Probe-Illustration aus „Die österr.-ungar. Monarchie in
Mort und Bild"
 
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