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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Lang, Heinrich: Wörth: aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0143

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lDörth. Aus den Erinnerungen eines Schlachtenbummlers. Don Heinrich Lang — Unsere Bilder. Dom Herausgeber 107

als jenes, welches er bereits für mich bestimmt habe.
Obwohl ich meine Raschheit wieder gut machen und nur
das von ihm ausgesuchte Tier nehmen wollte, gab doch mein
freundlicher Gönner nickt nach, bis ich den Schimmel
mit dem langen Schweif und den schönen Packtaschen
beschrieben hatte, und lachte von Herzen, als er mir die
tröstliche Versicherung gab, daß unser beider Wahl auf
das gleiche Pferd gefallen sei. Ganz glückselig verab-
schiedete ich mich von Sr. Exzellenz, nachdem ich noch
die Weisung erhalten, mit dem Wachtmeister Straubinger
von der Ulanen-Stabswache meine Adjustierungs- und
Stallangelegenheiten zu ordnen.

Im Stabsquartier erfuhr ich Trauriges und Freudiges:
der Tod des Majors von Schlichtegroll bestätigte sich,
auch General von Maillinger war leicht (Streifschuß am
Hintcrkopf) verwundet worden und zwar beim Durchreiten
von Langensulzbach. Man vermutete, daß dortige Bauern
aus den Kellern auf unsre Truppen geschossen hätten —
das bezog sich offenbar auf die gefangenen Zivilisten von
vorhin. Das erste Korps sollte auch stark gelitten haben,
besonders die Division Stephan, welche Fröschweiler die
steilen Höhen hinauf erstürmte. Die zu er st'Eingedrungenen
sollen aber dem zweiten Korps angehört haben.

Einige feindliche Kürassier-Regimenter seien vollständig
aufgerieben worden, als sie zur Degagierung der ihrigen
eine Verzweiflungsattacke unternommen. Im ganzen also
ein glänzender Sieg, ein vollständiges Hinauswerfen des
Gegners aus allen Positionen und ein teilweise flucht-
ähnlicher Rückzug.

Um diese Nachrichten verlohnte sich's schon, im
Stabsquartier nachzufragen!

Unsere Vilder

von, Herausgeber

nter allen krankhaften Kunstansichten, an denen unsre
Zeit so reich ist, bleibt die verderblichste doch jene,
welche die Herrschaft der Mode auch in die Kunst ein-
führen möchte. Das widerspricht aber ihrer innersten
Natur, da das Kunstwerk es nur mit dem Ewigen, Blei-
benden in der Flucht der Erscheinungen zu thun hat.
Denn was wirklich schön ist, das bleibt schön durch alle
Jahrtausende. Die Marmore des Phidias, die Madonnen
Raffaels haben keinen Verlust ihres Zaubers zu fürchten,
weil sie das Höchste darstellen, dessen die menschliche
Natur überhaupt fähig ist. Dem Wechsel unterworfen
ist nur die Technik, weil diese fortwährend neue Stoffe
verarbeitet, nach größerer Vollendung ringt. Aber aller-
dings auch erfahrungsgemäß bald zurückgeht und erlahmt,
sobald sie es nach irgend einer Seite hin zu vollendeten,
d. h. klassischen Leistungen gebracht hat.

Der Geschmack kann wechseln und thut es auch fort-
während, er vermag aber an dem, was edel und groß,
erhaben und kraftvoll, oder klein, gemein und häßlich ist,
absolut nichts zu ändern. Die Venus von Melos wird
darum noch in weiteren Jahrtausenden ebensowenig von
ihrer Verständlichkeit verlieren, als die Sisto oder der
Christus des Titian, selbst wenn das Christentum, das
beide letztere hervorbrachte, eben so gut vergessen sein wird,
als heute die Götter Griechenlands. — Die Formen
sprechen eben eine Sprache, die so lange in Geltung bleiben
wird, als die Menschheit die Gesetze ihrer Organisation,
denen jene entnommen sind, nicht gänzlich geändert hat.

Was dagegen unzweifelhaft wechselt, das sind die Ideale
und die Sitten der einzelnen Nationen und Zeiten und
demgemäß die Aufgaben, die sie dein Künstler stellen, wo
es denn für diesen allemal gilt, so viel vom Erhabenen
und ewig Schönen zu retten, als unter den gegebenen Um-
ständen eben möglich ist. Und dessen ist sehr viel, wie
uns heute die Madonna des Max lehrt, die trotz ihres
ganz modernen Kostüms, doch in Jahrhunderten noch
grade so verständlich und entzückend sein wird, wie sie
uns heute als die Verkörperung der edelsten Mutterliebe
und Frauenwürde erscheint, durch die so lebhaft an Raffael
erinnernde und doch völlig selbständige Einfachheit und
Größe der Form, wie die seelcnvolle Tiefe des Ausdrucks,
in welchem auch die letzte Spur von weiblicher Koketterie
ausgetilgt ist. Kann man nicht ganz dasselbe vom Jesus-
knaben sagen, so ist doch auch er so lebendig als geistvoll
und so stehen wir denn bei dein allen Maxschen Bildern
gemeinsamen wunderbaren Reiz der eigenartig weichen und
leuchtenden Färbung vor einem Kunstwerk, das unsrer
Zeit und Schule ebenso zur Ehre gereicht, als es nirgends
auch nur entfernt an den Streit des Tages erinnert, son-
dern sich lediglich an die ewigen Bedingungen aller Knust
hält und gerade dadurch so mild, erhebend und tröstend wirkt.

Wenn neuerdings die Profanhistorienmalerei auf-
fallend in Ungunst bei den Künstlern gefallen ist, so hat
man die Ursache davon doch hauptsächlich darin zu suchen,
daß sie zu oft in bloßes theatralisches Wesen und Kostüm-
malerei ausgeartet ist. Soll die Geschichtsdarstellung uns
aber tiefer fesseln, so muß sie vor allem Charakterschil-
derung werden. Nur so kann sie dem unausstehlichen
leeren Pathos entgehen. Daß das aber recht gut möglich
ist, zeigt uns der nach der Fällung einer heiligen Eiche, das
Kreuz auf dem Strnnck aufpflanzende „Winfried" Janssens
im Erfurter Rathaus, der den begeisterten Apostel mit
dem klugen Priester so überzeugend vereinigt. Offenbar
ist es die geistige Überlegenheit, welche ihm unter diesen
hartköpfigen thüringischen Bauern die ersten Anhänger ge-
winnt, die er aber gewiß nicht finden würde, wenn sie nicht
fühlten, daß er das selber glaubt, was er ihnen da vor-
predigt. Fast noch besser als er sind seine Jünger,
die ihm beim Fällen der Eiche geholfen; bornierter
setzen sie dem Zweifel der Heiden bereits die blinde Er-
gebenheit des Christenglaubens entgegen. Die Frauen
aber und die Hilflosen sind die ersten, welche der Prediger
der Religion der Liebe wirklich überzeugt, während die
Männer noch prüfen und schwanken. Das aber ist alles
so deutlich, groß und einfach, schlicht und energisch wieder-
gegeben, daß man es schon zum besten rechnen muß, was
unsrer Geschichtsmalerei seit Jahrzehnten gelungen.

Soll man sich verdächtige Gesellschaft gefallen lassen,
so verschone man uns doch mit sentimentalen Lumpen,
sondern zeige sie wenigstens kühn und entschlossen, in
atemlos spannenden Momenten, wie Lüben seinen köstlichen
Wildschützen, der vom Förster aufgespürt, sich hinter der
Felswand den ersten Schuß erwartend, gedeckt hat. Solcher
Kampf um Leben und Tod hebt alle Standesunterschiede
auf und läßt bloß noch den Mann gelten. Der Künstler
aber hat es trefflich verstanden, die Sache so glaubwürdig
und unheimlich als möglich zu machen und uns zugleich
mit einem gewissen Anteil für den kecken Gesellen zu er-
füllen, der so fraglos sein Leben als Einsatz ins Spiel
bringt. —
 
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