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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Zu Wilhelm Diez' 50. Geburtstage, den 17. Januar 1889
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0152

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Zn Wilhelm Diez''so. Geburtstage. Den 17. Januar >88h

N4

der Vertiefung des Gemüts nur selten ab, obwohl er auch hier die reizendsten, dicht an Rembrandt nnd
Dürer hinstreifenden Dinge geschaffen hat. Denn die Anlehnung an diese Alten statt an beliebige Moderne
ist auch ein charakteristischer Zug an ihm wie an Lenbach. Da nun aber einmal bei den Raubrittern und
Vagabunden, wie den wilden Söldnern des dreißigjährigen Kriegs die Gemütsseite in der Regel weniger ent-
wickelt zu sein Pflegte als der Durst, und da auch die Dachauer Bauern nicht allzuviel darin leisten, so blieb ihm
bei seiner Vorliebe für diese ungebürsteten Staatsbürger und ihre nägelbewaffneten Ehehälften kaum viel Ge-
legenheit zur Darstellung besonders zarter Gefühle. Es wäre denn bei den Edelleuten und Freifrauen des
vorigen Jahrhunderts, deren Vergnügungen, Reisen nnd Jagden er ja oft geschildert, freilich auch durch Überfülle
von Marodeuren nnd Strauchdieben häufig genug garstig unterbrochen hat, wie beides ans zwei der schönsten
unserer heutigen Bilder zu sehen. Gerade hier aber hat er ganz neue Seiten entwickelt und sich seinen
klassischen Vorbildern sogar weit überlegen erwiesen, da er die wilde Brutalität dieser Szenen, die uns bei
jenen so zurückstößt, häufig durch den köstlichen Humor mildert, mit dem er sie ihr rauhes Handwerk betreiben
läßt. Besonders seine Raubritter sind unübertrefflich durch die gemütvolle Freundlichkeit, mit der sie ihre
Opfer erleichtert von der Bürde aller irdischen Habe entlassen, wie z. B. unfern Kapuziner, den sie so be-
haglich in die Brombeerstauden gebettet. Dabei entwickelt unser Meister regelmäßig eine Lebendigkeit und Über-
zeugungskraft, wie man sie sich nicht größer denken kann, so daß man meint, er müßte notwendig mit von
der Partie gewesen sein. Nie hat man bei ihm ferner die fatale Empfindung, als wenn er alle die Dinge,
die da vereint ein Bild ausmachen, mühsam aus
Skizzenbüchern und Modellstudien zusammengeschleppt
hätte, vielmehr trägt alles den Charakter des gleich
fertig Gebornen, ja er unterscheidet sich gerade darin
von allen, selbst den größten Mitlebenden, daß er voll-
ständig frei schafft, niemals nach der Natur aufs Bild
malt, wo dann alles andre nicht, oder nur not-
dürftig zu diesem Stück unmittelbarer Naturnach-
ahmung passen will. — Da er überdies Meister in
der Benutzung des Helldunkels, der Ton seiner Bilder
immer ein reicher und voller ist, so wird denn auch
die innere nnd äußere Harmonie derselben von andern
sehr selten erreicht, nie überboten und man darf sie
darum wohl klassisch in ihrer Art nennen.

Wie bildet sich aber nun ein so ganz eigen-
artiges, in unsrer heutigen Kunst fast vereinzelt da-
stehendes Talent? Dieser Entwickelungsgang ist an
sich so charakteristisch und besonders unsrer allerneuesten

Schaffensart oder Mode so durchaus entgegengesetzt, Aus w. Dicz' Skizzcibuch
 
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