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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Hann, Pauline: Das neue Museumsgebäude von New York
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Unsere Bilder
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1Z8 Das neue Museumsgebäude in New-Hork. Von

Uniform angelegt und das Gewehr getragen, um den Be-
schauer zuletzt mit abgeschossenem Bein um ein Almosen
anzusprechen. Das Bild ist dreiteilig, voll Rührung und
Bosheit, gutmütig und satirisch zugleich, es ist mit einem
Wort amerikanisch. Das zweite Gemälde hat die An-
kunft des Patentmedizinmannes in einer kleinen Stadt,
gerade vor dem Laden des ansässigen, wütenden Apo-
thekers zum Vorwurf. Auch hier macht sich ein kerniger
Humor geltend. Dieser war es, der den jungen ameri-

j). Hann — Unsere Bilder, vom Herausgeber

konischen Litteraten so schnell zum Siege verhalf, schärfer,
beißender als der deutsche und englische, ist er es, der
uns von einer „amerikanischen Schule" unter den Schrift-
stellern sprechen läßt, denn er ist den Amerikanern ureigen,
gibt ihnen'eine Individualität, die von der anderer Völker
vollständig verschieden ist. Und wenn eine amerikanische
Kunst sich Geltung verschaffen wird, dann wird cs ohne
Zweifel unter dem Zeichen des humoristisch-satirischen
Sittenbildes sein.

Unsere Bilder

Vom Herausgeber

den sHauptreizen des adeligen Lebens in unserm

Mittelalter gehörte bekanntlich die Jagd, heute auf
Hasen, morgen auf Pfeffersäcke, wie man die Kaufleute
nannte, welche ihre Frachtfuhren gewöhnlich selber be-
waffnet begleiteten und gegen die Raubgelüste der Krippen-
reiter mit mehr oder weniger Glück verteidigten. Machten
es die letzteren nun gar zu arg, so rückten die Reichs-
städter in Nürnberg, Ulm oder Straßburg in Hellen
Haufen aus, belagerten die Raubnester und hingen die
Besitzer derselben ohne viel Rücksicht auf ihre vornehme
Geburt an den Galgen. Dann hatten sie eine Zeitlang
Ruhe, bis der Hunger andere Schnapphähne wieder dreister
machte. Daß dieser gemütliche Zustand so lange Jahr-
hunderte sich erhalten konnte in Deutschland, das gibt uns
jedenfalls den glänzendsten Begriff von den Wohlthaten
der alten Reichsverfassung, die cs schon als einen un-
geheuren Fortschritt erscheinen ließ, wenn Albrecht Dürer
auf seiner Reise nach den Niederlanden von Bamberg
bis Mainz den Territorialherren bloß siebzehnmal Zoll
bezahlen mußte, statt wie früher von ihnen gleich seines
ganzen Krams entledigt zu werden. Dieses schöne in
Germanien allgemein herrschende Verhältnis schildert
uns nun Weigand überaus anschaulich in seiner „Ein-
bringung des berüchtigten Raubritters Hans Schütten-
samen in Nürnberg", der jetzt Dank seiner Vor-
liebe für Pfefferkuchen dort samt seinen Spießgesellen
baumeln soll. Das Aufsehen, welches seine unfreiwillige
Erscheinung bei der Bevölkerung hervorbringt, deren
Schreck er so lange gewesen, ist mit einer Lebendigkeit
und Anschaulichkeit geschildert, daß man es nicht über-
zeugender verlangen könnte und wie es nur einem
Künstler möglich war, der wie Weigand in diesen engen
Gassen ausgewachsen, den Charakter ihrer Bevölkerung
so genau kannte, wie er sich ziemlich unverändert bis
heute erhalten hat. Wir glauben darum seiner Erzählung
unbedingt, da sie nicht nur in allem und jedem das Ge-
präge der Wahrheit trägt, sondern auch voll Humor ist.

Unter unfern zahlreichen Landschafterinnen nimmt
neben Tina Blau das aus Odessa zu uns gekommene
Fräulein Stephanie von Strechine einen der ersten
Plätze ein. Schülerin Willroiders hat sie doch alsbald
ihre eigene vorzugsweise aufs Sonnige und Idyllische
gehende Richtung ausgebildet, wie man sie in unserm
einen duftigen Frühlingsmorgen darstellenden Bilde be-
sonders ansprechend ausgeprägt findet. Das glänzende
Morgensonnenlicht, das die frischbelaubten Bäume über-
flutet, die bei aller seligen Heiterkeit doch so anspruchslose
Art dieser offenbar der nächsten Münchener Umgebung

entnommenen Auen, auf welchen noch der Tau zu liegen
scheint, geben dem Bilde etwas überaus Gewinnendes,
da es echtes Naturleben unverfälscht schildert.

An die ruhige Majestät des Herrn Bürgermeisters,
der sich herabgelassen hat, die Werkstatt seines Schneiders
zu besuchen, um sich einen neuen Bratenrock anmessen zu
lassen, reicht freilich kein anderer Sterblicher hin. Den
Meister Zwirn hat sie vollends bis auf die Knie nieder-
geworfen wie seinen Lehrjungen Maul und Nase auf-
sperren lassen. „Jahrhunderte und mächtige Reiche werden
vergehen, aber die Bürgermeister werden bestehen" predigt
uns dies belehrende Bild des Dresdeners Claudius
nicht weniger eindringlich als die Weltgeschichte, in der
bekanntlich die Stadthäupter mit und ohne Zopf eine so
maßgebende Rolle spielen, daß die Kunst wohl auch end-
lich davon ein der Würde des Gegenstandes entsprechendes
Zeugnis oblegen mußte.

Mit der edlen Ruhe dieser Szene kontrastiert frei-
lich seltsam genug der wilde Kampf, in dem uns Röch-
ling die Episode der Erstürmung des Gaisbergschlößchens
während der Schlacht von Weißenburg vorführt. Wie
die tapferen preußischen Füsiliere eben daran sind, die
verrammelten Thüren des Schlößchens unter dem heftigsten
Feuer der dasselbe verteidigenden Franzosen einzusprengen,
das ist mit einer Lebendigkeit und Sachkenntnis geschil-
dert, der eine gewisse die Wernersche Schule verratende
Trockenheit und Härte der Behandlung hier sehr glück-
lich zu Hülfe kommt, um das Wilde und Gewaltsame
der Szene wie den Schein der Raschheit in den Be-
wegungen der Einzelnen zu steigern. Die Harmlosigkeit
des sonnbeschienenen freundlichen Schlößchens selber aber
bildet den wirksamsten Gegensatz zu der glühenden Auf-
regung der Eindringenden, deren Sieg uns nicht zweifel-
haft bleibt bei der stolzen Todesverachtung, die sie sicht-
lich beseelt und unwiderstehlich macht.

Zu den Textbildern übergehend, finden wir dann
vom Düsseldorfer Roch oll zwei köstliche Skizzen aus dem
letzten Kriege, deutsche Reiter am Brunnen und französische
Kürassiere im Feuer, die beide jene breite, flotte Be-
handlung und die große Lebendigkeit zeigen, welche be-
sonders auch die Ölbilder dieses begabten Künstlers, so
seine „Episode aus der Schlacht von Vionville" in der
letzten Ausstellung, auszeichnet. Allerliebst von ihm er-
funden ist auch die Initiale, welche heute unser Blatt ziert.

Besonders dankbar werden dann unsre Leser für
das reizende Kinderköpfchen von Rickelt sein, das wie
aus einem antiken Bacchantenzug herausgeschnitten er-
scheint. Leider sieht man so wenig von diesem fast ganz
 
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