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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Unsere Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur- und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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Unsere Bilder. Dom Herausgeber — Personal- und Ateliernachrichten

Unsere Vilder

vom Herausgeber

n den nächsten Tagen jährt es sich, daß wir den
großen Monarchen verloren, welchem wir die Wieder-
anfrichtung des deutschen Reiches, ja die Auferstehung
unserer Nation selber zn neuem würdigerem Leben ver-
danken. Was könnten wir unsren Freunden Edleres
bieten, als das Bild des Mannes, dessen unvergleichliche
Tugenden allein so Ungeheures zu ermöglichen vermochten?
Vor allem auch dadurch, daß es echt deutsche Vorzüge
waren, die jedem von uns, bis zu einem gewissen Grade,
zn erreichen möglich sind. So die unvergleichliche
Pflichttreue, dann die schlichte Festigkeit und Tapferkeit,
besonders aber jene neidlose Anerkennung fremden Ver-
dienstes, die es jedem zur Freude machte unter ihm zu
dienen. Endlich das, was freilich nur wenigen gegeben
ist, jene Seeleugröße, die erst den rechten Helden macht.
Lenbach hat nun dies alles wiederzugeben und mit
einem Zuge stiller Wehmut, wie mit einem letzten Abend-
sonnenstrahl wunderbar zu verklären gewußt, der dem von
solch unendlich fruchtbarem Leben Abschiednehmenden so
natürlich ist, und ihn in seiner stillen Würde uns doppelt
teuer macht. Sein Bild ist darum eines der größten Meister-
stücke ja vielleicht das höchste von Seelen Malerei, was
Lenbach je gelungen, da es die Majestät des halb der
Erde schon entrückten Greises mit einer schlichten und
tiefen Empfindung, mit einer Wahrhaftigkeit wiedergibt,
wie ihrer schwerlich irgend ein zweiter moderner Künstler
fähig wäre. Wir kommen damit zugleich auf das, was diese
spezifisch deutsche Kunst von der andrer Nationen sowohl,
als selbst von der alten unterscheidet. Die Bildnisse der
letzteren scheinen wunderbar sprechend, aber sie verraten
dennoch viel weniger vom Dargestellten als man gewöhnlich
glaubt. Denn sie halten uns immer in gemessener Ent-
fernung, lassen uns den Abstand, den drei Jahrhunderte
von Kulturentwickelung sowohl als die höchste künstlerische
Formvollendung allemal Hervorbringen, bald sehr deutlich
fühlen. Lenbachs Kaiser aber ist von einer fast erschreckenden
Unmittelbarkeit,' er dringt mit seinen Augen tief in unsre
Seele wie jene, er läßt uns aber auch in der seinigen
lesen, was sie selten erlauben. — Dabei erfüllt er uns
mit Verehrung, well hier in dieser wunderbar fesselnden
Mischung von Hoheit und Demut auch keine Spur von
jener Selbstgefälligkeit oder dem herausfordernden Selbst-
bewußtsein mehr zu finden ist, welche stehender Charakterzug
aller französischen, wie selbst der meisten englischen Bild-
nisse ist. So unbefangen zu sehen und so geistvoll
wiederzugeben wie hier, ist eben nur dem Genie Lenbachs
möglich und selbst diesem bei weitem nicht immer.

Hat uns der alte Kaiser eine neue bessere Zeit hernufge-
führt. so zeigt uns Jochmus eine ihrer schönsten Wirkungen
in seinem sehr glücklich angeordneten Bilde einer „Ferien-
kolonie". So müßte man nämlich die Frühstücksscene
von Kindern in der Sommerfrische offenbar am passendsten
taufen, welche sich die prächtige Milch der Bäuerin, bei
der sie wohnen, mit einem Eifer schmecken lasten, der uns
das beste für die Wirkungen ihrer Luftveränderung hoffen
läßt, wenn es auch ihre alte Wirtin mit bangen Ahnungen
über das Schicksal ihrer Milchtöpfe erfüllt. Das Bild
ist so gesund gedacht und malerisch angeordnet, daß es
die besten Erwartungen für den jungen Künstler erweckt,

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der hier einen ganz modernen Stoff so glücklich künstlerisch
zu bewältigen verstand.

Dramatischer zugespitzt ist schon die Szene, welche
uns die Abfahrt eines Rettungsbootes an der normännischen
Küste zeigt, in welches die Mannschaft eben einsteigen
will, um, wenn nicht das in der Ferne mit den Wellen
kämpfende Schiff, doch wenigstens dessen Mannschaft zn
retten, ehe das Fahrzeug an den Felsen der Küste zer-
schellt. Die Spannung, mit welcher die zurückbleibenden
Weiber und Kinder der Retter die Abfahrt derselben
verfolgen, ist mit großer Lebendigkeit gegeben, das Ganze
so geschickt und malerisch angeordnet, daß Wohl kein
Mensch auf die Vermutung käme, das ergreifende Bild
sei das letzte Werk eines achtzigjährigen Künstlers, jenes
Rudolf Jordan, dessen Strandszenen uns Älteren schon
vor einem halben Jahrhundert das Herz klopfen machten.
Wie er damals der Düsseldorfer Schule als der erste
den Weg zu einer lebendigeren und unmittelbareren Kunst
zeigte, so beweist er uns hier, daß er ihn nicht nur
gewiesen hat, sondern auch selber mit einer so unver-
wüstlichen Frische gegangen ist, daß sich selbst hier noch
keine Spur von greisenhafter Ermattung ahnen läßt. —
Dabei versteht er seine Menschen ihr rauhes Handwerk
mit einer Art treiben zu lassen, die sie uns menschlich
näher bringt, während man neuerdings das Volk nur zu
oft so häßlich und abschreckend als möglich schildert.

Scheint nichts schwieriger als große Vorbilder zu
benützen, ohne einer die eigene schöpferische Kraft ertötenden
Nachahmung zu verfallen, sohat Eduard vonLichtenfels
dies Geheimnis jedenfalls verstanden bei seiner „Brettsäge"
im Gebirge. Er erinnert uns da an Ruysdael oder
Everdingen und bleibt dabei vollkommen selbständig, ja
sogar ungewöhnlich eigenartig. Sowohl durch die gesunde
Naturempfindung, die ihn das oft gar zu komponierte
und arrangierte jener Meister vermeiden, als auch durch
die Feinheit seiner Färbung, die uns einen sanfteren
Himmel als den düsteren norwegischen des Everdingen
ahnen läßt, uns nach Tirol statt nach dem Norden weist.
Lichtenfels spricht überdies trotz allen Studiums der
Klassiker seine eigene, durch einen leichten Zug von
Schwermut besonders interessante Persönlichkeit so bestimmt
in jedem seiner Kunstwerke aus, daß er ihnen schon da-
durch einen seltenen Reiz verleiht, der hier besonders
fesselnd hervortritt.

Personal- und Meliernachrichken

- Bremen. Der Saal des Rutenstistes in Bremen ist
von Arthur Fitger mit einer Reihe von Wandgemälden, die
sieben Werke der Barmherzigkeit darstellend, im Aufträge des
Herrn L. Rutenberg, nach dem die Stiftung ihren Namen trägt,
geschmückt worden. Die Gemälde sind von reichen Flachorna-
menten eingefaßt, die Heinrich Fette entworfen und dessen
Bruder ausgeführt hat.

— Berlin. Reinhold Begas arbeitet gegenwärtig
an zwei Büsten Kaiser Wilhelms, welche in Marmor ausgeführt
werden und zu Geschenken für den russischen Kaiser und den
König von Italien bestimmt sind. Unter den Händen des Meisters
befindet sich außerdem ein Thonmodell zu einer Büste der Erb-
Prinzessiu Charlotte von Meiningen und ein Grabdenkmal der
Gräfin Arnim für das neuerbaute Mausoleum im Park zu
Muskau. Die herrliche Gruppe „Der elektrische Funke", welche
eine Zierde der vorjährigen Münchener Jubiläumsausstellung
war, wird 'gleichfalls in Marmor zur Ausführung gelangen.

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