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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Plauderei über japanische Malereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0312

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Plauderei über japanische Malereien

Sind nun auch dergleichen Erzählungen nur sym-
bolisch zu nehmen, so liegt darin doch das klare Bewußtsein
ausgedrückt, daß die Künstler den Formen der Natur
nachgehen, sie aufs trefflichste nachbilden, oder, um es
anders auszudrücken, daß sie mit der formalen Welt, die
sie umgibt, außerordentlich vertraut sind. Die Sache hat
ungemein viel wahres an sich.

Eine zu München arrangierte japanische eigentliche
Kunstausstellung gab hinreichend Gelegenheit, das Wesen,
die ganze Auffassung jener Künstler des fernen asiatischen
Ostens zu studieren. Es war keine von jenen Ausstellungen,
welche eine Masse von Dingen enthielt, die man in besserer
oder geringerer Qualität heutzutage fast in jeder größeren
Stadt, die ein Lager japanischer Artikel besitzt, um bei-
spiellos billigen Preis kaufen kann. Diese billigen, auf
den europäischen Markt geworfenen Maaren gehören in
Japan selbst zur gewöhnlichsten, sagen wir niedrigsten
Stufe des Kunsthandwcrkes und spielen die gleiche Rolle
dort, wie bei uns die
Vcrkaufsobjeklc der
Zwanzig-Pfennig - Ba-
zars. Daß wirklich
künstlerisch vollendete
Waare auch in Japan
ihre ganz gehörigen
Preise hat, beweisen
die köstlichen Email-
und Tauschierarbeiten,
welche sich in außer-
ordentlich großer
Menge auf der inter-
nationalen Metallaus-
stellung zu Nürnberg
vorsanden, allwo die
japanischeGoldschmiede-
knnst zum erstenmalc
durch Reichtümer im
großen Maßstabe ver-
treten war und einen
Einblick thun ließ)in die
künstlerisch ebenso wie

technisch vollendete Art und Weise, welche bei Herstellung
solcher Artikel angewendet wird, und welche durch Tradition
vom Vater auf den Enkel sich forterbend, in weitentlegene
Zeiten zurückreicht; all unsre Prozeduren auf künsttech-
nischem Gebiete verdanken wir sozusagen dem Osten, der
sie stets lebend erhielt und auss neue anregend, befruchtend
wirkte, wenn ja diese oder jene Herstellungsweise dem
„zivilisierten" Westen auf irgend eine Weise verloren ge-
gangen war.

Allerdings sprechen diese japanischen Arbeiten, sobald
sie über den Rahmen der künstlerischen Naturnachahmung
in das Gebiet der Geschichte, Religion und Poesie hinein-
ragen, eine uns scheinbar unverständliche Sprache. Wir
finden darin Erscheinungen und Formen, die einer ganz
andern Welt angehören, als alles oder wenigstens als
das meiste, was uns die künstlerische Weise des euro-
päischen Westens verstehen läßt. Wie die komplizierten
Zeichen der chinesischen und japanischen Sprache ein
scheinbar halb unentwirrbares hieroglyphisches Aussehen
tragen, das uns an rein gar nichts erinnert, was unserm
oder meinetwegen irgend einem der Alphabete nur entfernt
gleicht, die in den europäischen Sprachen der zivilisierten

Komischer Vortrag eines Liedes (Jeron)

Völker gebräuchlich sind, so weist die Kunst des Ostens
eine Menge von Erscheinungen auf, die mit unfern Jdeen-
kreisen in keinem Zusammenhänge stehen. Dazu muß man
nehmen, daß die Symbolik viel reichhaltiger ist, als unsre,
die gewiß genügend Stoff bietet, um das Studium eines
ganzen Menschenalters auszufüllen. Ich will unter den
vielen Beispielen nur das eine herausgreifcn: die Vase.
Durch sie, die als Anerkennungszeichen, als Weihegeschcnk,
als Zeichen hoher, höherer oder höchster Ungnade, oder
auch das gegenteiliger Stimmung verliehen wird, kann
eine Reihe von Vorstellungen ausgedrückt werden, deren
Mannigfaltigkeit geradezu erstaunlich ist. Das Metall
einer Vase ist bezeichnend für den Rang des Opfernden,
die äußere Form ebenso. Auf ihr werden die Zeichen
resp. Sprüche eingegraben, welche statt des bei uns ge-
bräuchlichen Ordensdiploms dem Geschenke des Monarchen
die Motivierung der Verleihung geben; statt Ordens-
dekorationen verleiht nämlich der chinesische Kaiser Vasen

von verschiedenartiger
Größe und verschieden-
artigem Werte, der stets
dem Grade des aller-
höchsten Wohlwollens
konform ist. Und solche
Vasen werden nun nicht
allein für wirkliche oder-
scheinbare Verdienste
um den Staat ver-
liehen; es kann eine
solche auch der bekom-
men, der sich z. B. aus-
zeichnet durch ein stets
pietätvolles Gedenken
seiner Vorfahren, wie
denn überhaupt auf das
Verhältnis der Kinder
zu den Eltern, auch
nach dem Tode der
letzteren ein großes Ge-
wicht gelegt wird, Be-
weis genug, auf welch
hoher Stufe moralischer Entwickelung ein Volk steht, das
solche Dinge mit in den Vordergrund seiner Lebens-
regeln zieht. Runde Vasen bergen stets den Begriff
höherer Vollkommenheit in sich als eckige, denn der Kreis
ist die vollendetste, geometrisch in sich abgeschlossenste
Figur, er ist das Zeichen der Männlichkeit, des vollendeten
Wesens, gegenüber der polygonalen Figur, welche das
Unvollendete, das Weibliche bezeichnet, ebenso wie bei
Kombination der acht Strichzeichen, welche das Prinzip
der Schrift ausmachen, das erste, bestehend aus drei
Langstrichcn Jang das männliche, starke, das

letzte dagegen, bestehend aus sechs kurzen Strichen (^ ^)
Din das Gegenteil bezeichnet. Zwischen den beiden be-
finden sich die verschiedenen Zwischenstufen (__ _ K

— n ^^). Geradezu aber ins zahl-

lose gesteigert wird nun erst die Bedeutung der Vase
durch die Darstellungen, die sich darauf finden. Wohl
behauptete Passeri, als er mit Schmerzen sehen mußte,
wie sehr die herrlichsten Fayencen von Urbino und
andern berühmten Werkstätten im Preise sanken gegenüber
den von China und Japan her eingeführte», daß all das
ans diesen Vasen dargestellte Zeug eigentlich nur fratzen-
 
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