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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1889, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0373

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2Y2

Die Reise um dir Lrdr. von K. Dery

Erste Münchener )ahres-Ausstellung l889
Photographieverlag der photographischen Union in München

Der Pariser Salon 1889

von Gtto Brandes

ie Weltausstellung niit ihren der Kunst gewidmeten
mächtigen Galerien ist eröffnet, und man sollte
meinen, alles Interesse dränge dorthin, wo das mensch-
liche Genie einen seiner schönsten Triumphe feiert; die
alljährliche Salonausstellung wäre verlassen, das alte
Jndustriepalais in den Champs Elysee verödet, und doch
ist dem nicht so. Als ich gestern glaubte, dort noch
einmal in aller Ruhe mich der Betrachtung der Bilder
und Statuen widmen zu können, fand ich die Räume
vollständig gefüllt, so daß selbst an einzelnen Stellen die
Cirkulation schwierig wurde. Die Kunstgenossenschast
hatte daher Recht, ihren Salon nicht der Weltausstellung
zu opfern und war sich einesteils des Interesses wohl
bewußt, welches die Pariser Bevölkerung an der Ent-
wickelung ihrer Lieblinge nimmt, wie sie anderseits die
Verpflichtung fühlte, ihren alljährlichen Rechenschafts-
bericht über ihr künstlerisches Thun und Treiben dieser
Bevölkerung abzulegen, die nie in ihrer Aufmunterung
ermüdet, nie mit verdientem Lobe kargt, es aber auch
nicht an wohlmeinendem Tadel da fehlen läßt, wo sie
sich in ihren Hoffnungen getäuscht, in ihren berechtigten
Erwartungen beeinträchtigt steht.

Die künstlerische Note des diesjährigen Salons ist
darum auch in keiner Weise tiefer gestimmt als die frü-

herer Jahre. Einzelnes ist ausgezeichnet, andres, wie
das Porträt, scheint der Vervollkommnung überhaupt nicht
mehr fähig, vieles ist gut, ohne daß es den Beschauer
überwältigt, vieles nur mittelgut, aber alles verrät ein
ernstes Streben und gewissenhafte Arbeit.

Was die Behandlung der Stoffe anlangt, so tritt
die religiöse Malerei und das Geschichtsbild immer mehr
zurück, die mythologischen und allegorischen Bilder werden
immer seltener, dagegen wird die Beobachtung der Natur
eine immer eingehendere, der Griff ins moderne Menschen-
leben in allen seinen Manifestationen ein immer kühnerer.
Ein einziges Gesetz beherrscht das heutige französische
Künstlertum, das: Wahr zu sein aus eigener Er-
kenntnis.

Die Technik, das zeigt uns auch der gegenwärtige
Salon wieder, verläßt immer mehr die Bahnen der
akademischen Malerei und des Atelierlichtcs, sie wendet
sich der Wirkung durch die Massen und der pleiu uir-
Modellierung, der Modellierung bei vollem Lichte und
in voller Luft zu.

Wie vollendet auch die akademischen Bilder eines
Bouguereau in Zeichnung und Modellierung sein
mögen, sie muten uns schon fremd an und sind nicht
mehr nach unserm Geschmack. Sein „Amor und Psyche"
 
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