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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Die erste Münchener Jahres-Ausstellung 1889, [2]
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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1889, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0395

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Die erste Münchener Jahres-Ausstellung 1889. von Friedrich Pecht — Der pariser Salon 1889. von Gtto Brandes zog

auch am barocksten repräsentiert. So ist denn die erste Empfindung, die man vor seinen Tafeln hat, allemal die
eines gründlichen Ärgers, daß er gewisse handgreifliche Geschmacklosigkeiten nicht vermieden habe. Dann freut man
sich aber, daß einem da doch einmal ein ganzer Mensch mit allen Ecken und Kanten eines Schweizers, aber
auch mit der trotzig ausgeprägten Persönlichkeit eines echten Künstlers entgegentritt. Endlich entdeckt man
dann so große Schönheiten, daß man sich wiederum wie schon so oft entschließt ihn zu bewundern wie er ist,
da sich Genie und Geschmack nun doch einmal schlecht vertragen auf dieser wunderlichen Welt.

Merkwürdig ist einem auch wie sich der Nationalcharakter immer schärfer ausprägt bei Böcklin, seit
er in der Schweiz wohnt. Da dies eine fast regelmäßig wiederkehrende Erscheinung in unsrer Ausstellung
ist, die einem anfänglich vorkommt, als ob der Kosmopolitismus sie ganz und gar beherrschte und als ob
die Maler ganz ihre Herkunft verlängneten, so will ich hier noch besonders darauf aufmerksam machen. So gibt
Böcklin einer Tritonenfamilie, die auf einer Klippe im Meer gelagert, inmitten einer wundervoll flackerig ge-
malten Wolken- und Wellenschlacht, trotz ihrer Schuppen und ihres brünetten Teints so echt schweizerisch aus-
sieht, daß die Frau Mama samt ihren dickbackigen Sprößlingen direkt am Brienzersee eingepfarrt und der
Papa vom Käsmachen auf der Alp gekommen scheint. — Es ist dabei ein köstlicher Zug im ganzen, ein
Stilgefühl, das uns immer wieder aufs neue packt, obwohl die Figuren für die Landschaft viel zu braun geraten sind.
Noch reizender ist eine duftige und sonnige Frühliugslandschaft, wo an einem blumeuüberdeckten grünen Rain
eine Quellnymphe klares Wasser ansschenkt, von dem zwei bocksfüßige Berner Faune durstig trinken, während
oben in der Luft eine wie goldene Wölkchen glänzende Schar Amoretten einen Ringeltanz aufführen. Ich
wüßte nicht, daß ich Naturerscheinungen und Kräfte je origineller personifiziert gesehen hätte.

Sonst ist von Personifikationen noch eine „Jnnocentia" von Stuck als ein wirklich unschuldig aussehender,
und darum sehr ansprechender Backfisch zu erwähnen, während der „Engel des Paradieses", von demselben Künstler,
seinen Beruf, jeden vom Eintritte zurückzuscheuchen, etwas zu getreu erfüllt. Unstreitig hat dieser hochbegabte,
aber außerordentlich ungleiche Künstler etwas vom Böcklinschen barocken Geiste in sich: einen Überfluß von Phantasie
und Kraft, daß bisweilen die Anmut gar zu sehr abhanden kommt.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Der Pariser

Von Gtto

II.

TTNia die Franzosen, Gott sei Dank! keinen Anlaß haben
durch das Bild und den Marmor die Siege ihrer
Armeen bleibend zu fixieren, so beschränken sie sich darauf,
den Heldenmut einzelner zu feiern. Moreau von Tours
prächtiges Gemälde »Tn avant« gehört in diese Kategorie.
Es wird uns darin eine, jedes, selbst des „Erzfeindes"
Soldatenherz bewegende Szene aus der Schlacht von
Froschweiler geschildert, in welcher der Oberst des
96. Regiments, obwohl bereits verwundet, den Truppen
sein „Vorwärts, vorwärts, Kinder!" zürnst, um darauf
von zwei Kugeln der unfern getroffen, sterbend von einem
Unteroffizier aufgefangen, den Arm noch gegen den Feind
ausstreckend, zusammenzubrechen. Das begeisterungsvolle
Vorwärtsstürmen der durch den schon hinsinkendcn Chef
zu neuem Mute entflammten Truppen,' ist mit markiger
Kraft geschildert. Wenn man nach den größten Militär-
malern Frankreichs fragt, so wird man Moreau de Tours
für das Schlachtgewühl, Loustanrau für die vorbereitende
Arbeit der Soldaten zum Kriege neben Detaillc zu nennen
haben.

Wenn auch nicht ganz auf der Höhe der geschil-
derten Bilder stehend, so verdienen doch Tattegrains
„Ludwig XIV. an den Dünen" und Rochegrosses
»Lai ckes ^.rckents« als sehr beachtenswerte und jedenfalls
die Behauptung unterstützende Werke, daß es mit der

ch I. S. Heft 19.

Salon 1889

Brandes

französischen Kunst nicht abwärts gehe, hier genannt zu
werden. Vielleicht würde Tattegrains Riesenbild, trotzdem
es der Geschichte entnommen ist, noch größere Anerkennung
gefunden haben, wenn der Künstler sich von gewissen Ge-
schmacklosigkeiten. wie der Schilderung der von Sounenglut
aufgetriebencn Pferdekadavern und von den Raben zer-
fleischten Menschenleichen ferngehalten oder diese wenigstens
nur angedeutet hätte. Die beabsichtigte Stimmung wäre
durch den jungen, eleganten König, der, um sich gegen
den Pestilenzialischen Geruch der Leichname zu schützen,
ein Boukett unter die Nase hält, durch sein Entsetzen
schnaubendes Pferd, durch die unglückselige Bevölkerung,
die den König und sein glänzendes Gefolge jammernd
und wehklagend umgibt, doch herausgekommen Noch besser
wäre es gewesen, wenn er uns diese Schreckensszene in
kleinerem Rahmen erzählt hätte, wie dies Rochegrosses
hinsichtlich seines »Lai ckes ^rckents« gethan. Dieses
verhältnismäßig kleine, figurenreiche Bild behandelt in
flotter Weise jene schreckliche Katastrophe auf einem von
der Königin Jsabeau gegebenen Balle, auf welchem als
Satyre gekleidete Kavaliere in ihren durch Werg herge-
stelltcn Masken Feuer fingen und verbrannten. Der junge
König, der in einer ähnlichen Maske steckte, wurde nur
dadurch gerettet, daß die Herzogin von Berry ihren Mantel
um ihn breitete.

Die Zahl der guten Bilder, welche Gegenstände des
täglichen Lebens behandeln, ist außerordentlich groß. Ich
 
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