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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Voß, Georg: Die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm
DOI Artikel:
Proelß, Johannes: Modelle, [5.2]: Novellenkranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0044

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Die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Aaiser Wilhelm, von Georg l)oß — DtodeÜe

Nationaldenkmal in Berlin zu errichten, hat er aber doch
unzweifelhaft bekundet, daß er das Denkmal an der hi-
storischen Stätte des Wirkens und Schaffens des Kaisers,
aber nicht in dem Vergnügungspark der Berliner errichtet
wissen will.
Die andern Entwürfe, welche ein Denkmal des
Kaisers innerhalb der Stadt selbst Vorschlägen, halten
sich zumeist an den Pariser Platz. Doch für die Anlage
eines Forums, wo die Architekten nach Herzenslust Säu-
len und Triumphbögen aufbauen können, ist vielen auch
dieser Platz nicht groß genug. Als ob man mit Denk-
mälern Schach spielen dürfe, rücken sie das Branden-
burger Thor um so und soviel hundert Meter hinaus in
den Tiergarten. Mehreren andren erscheint das Branden-
burger Thor als Hintergrund für ihr Reiterstandbild
nicht imponierend und groß genug. Ter eine hat das
Brandenburger Thor deshalb mit einem kolossalen steiner-
nen Triumphbogen überwölbt. Andre, z. B. Ende und
Böckmann, planen neben dem Brandenburger Thor ko-
lossale Eckbauten, die das Thor um das doppelte überragen.
Das Thor, das jetzt in seiner schlichten Einfachheit nächst
dem Konstantinsbogen das schönste Triumphalthor der
Welt ist, würde dadurch zu einer unbedeutenden Neben-
sache in der ganzen Anlage werden. Eine wichtige hi-
storische Stätte würde dadurch in dem an Monumental-
bauten von geschichtlicher Bedeutung so armen Berlin so
gut wie vernichtet werden. Und wie unhistorisch und un-
sachlich ist cs gedacht, ein altes preußisches Siegesthor
mit einem neu zu errichtenden Nationaldenkmal des deut-
schen Reiches verquicken zu wollen!
Unter den übrigen Plätzen auf dem Straßenzuge
der Linden bis zum alten Schloß ist der bevorzugteste
die Stelle, welche jetzt die unansehnlichen Häuser der
Schloßfreihcit einnehmen. Der Wunsch, die Umgebung
des Schlosses würdiger zu gestalten, als dieselbe sich jetzt
dem Auge darbietet, ist gewiß ein künstlerisch außerordent-
lich berechtigter. Doch wird der Reichstag geneigt sein,
diesem wesentlich lokalen Schönheitsbedürfnis des Berliners
solche Opfer zu bringen, wie sie der Ankauf einer ganzen
Häuserreihe in einer der teuersten Geschäftsgegenden der

ganzen Stadt erfordert? Der Platz dort vor dem Triumph-
bogen des alten Schlosses, das auf dieser Seite allerdings
recht kahl und nüchtern aussieht, ist sicher vortrefflich ge-
wählt, um das Standbild des Kaisers mitten im Herzen der
Reichshauptstadt an einem der belebtesten Punkte vor aller
Augen hinzustellen. Doch an den Opfern, die dazu nötig sind,
um diesen Platz freizulegen, müßte der Säckel der Stadt
Berlin, der ja doch in erster Linie der Genuß der ganzen
Anlage zu teil wird, in ganz beträchtlicher Weise partizi-
pieren, wenn dieser Gedanke vor dem deutschen Reichstage
gerechtfertigt werden soll. Der Entwurf, auf den die
öffentliche Aufmerksamkeit am meisten gespannt war, der
iEntwurf von Reinhold Begas, setzt das Denkmal an
diese Stelle. Das Modell des Künstlers zeigt ein Reiter-
standbild auf einem mit Viktorien und andern allegorischen
Figuren geschmückten Sockel. In besonderen weit ent-
fernt davon auf den Ecken einer quadratischen Plattform
aufgestellten Gruppen sind zwölf von den Helden des
französischen Krieges dargestellt. Auf den Treppen, welche
von allen Seiten zu dieser Plattform hinaufführen, liegen
acht kolossale Löwen. Der Entwurf hat durch seinen
zersplitterten Aufbau und durch seinen Mangel an jedem
in den Schöpfungen Begas' sonst so schön zum Ausdruck
kommenden Schwung in der Darstellung des Kaisers
und seiner Paladine sowie aller der vielen allegorischen
Figuren unter den Verehrern des Künstlers eine allgemeine
Enttäuschung bereitet. Von ganz andrer künstlerischer
Macht des Ausdrucks ist der für denselben Platz gedachte
eine Entwurf Eberleins, und zwar derjenige, welcher
außer dem Standbilde des Kaisers lediglich frei erfundene
ideale Gewandfiguren enthält. Doch wie sehr dieser Entwurf
auch an Schönheit und Harmonie des Gesamteindrucks
alle übrigen Entwürfe überragt, so wird dennoch das neu
erwachte Nationalgefühl der deutschen Kunst sich dagegen
sträuben, in einer solchen Versammlung von idealen Ge-
wandfiguren die rechte Umgebung für ein Reiterstandbild
Kaiser Wilhelms I. zu sehen.
Daß diese erste Konkurrenz bereits die rechte Lösung
für eine Aufgabe von dieser Bedeutung hervorgerufen
hätte, wird niemand ernstlich glauben.

Modelle
Novellenkranz, von Johannes proelß

V. Hermione
(Schluß aus dem vorigen Heft)

n der nächsten Zeit blieb der Verkehr zwischen den
Brüdern wie abgebrochen. Cäsar hatte einen Schritt
der Versöhnung von seiten Karls erwartet, aber vergeblich.
Als dieser nach der ersten Sitzung, welche ihm Fräulein
Hedwig Schwarz gegönnt hatte, im Begriff sie zur
Hausthür zu geleiten, dem Bruder begegnet war, hatte
derselbe das Fräulein ohne zu grüßen mit höhnischem
Lächeln angestarrt. Da war es in ihm ausgemacht ge-
wesen, daß Cäsar unwürdig sei der Bekanntschaft mit
diesem Wesen voll Seelenadel, dessen Schönheit ihn ebenso
entzückte, wie sein Geist ihn hinriß zu aufrichtiger Be-
wunderung. Nun arbeiteten die feindlichen Brüder Wand
an Wand, ängstlich beflissen, daß der andre ihn bei der
Arbeit nicht störe. Aber während Karl einzig und allein
von dem Triebe erfüllt war, so weit es nötig und mit

ihrer Zeit es vereinbar, nach dem Vorbild der Künstlerin
ein Idealbild der Hermione des Wintermärchens zu formen,
wurde für Cäsar die Gestaltung seiner Eva allmählich
zur Nebensache über dem Interesse, mit welchem er den
Bruder bei dessen Arbeit belauschte. Dann kicherte er oft
boshaft in sich hinein: „O, diese Schauspielerei!" Er
hatte sich sogar durch dies Interesse veranlaßt gefühlt,
Shakespeares Wintcrmärcheu zu lesen und nach Beendi-
gung der Lektüre war dasselbe boshafte Lächeln über
ihn gekommen: „Sehr märchenhaft, in der That. Wenn
nun der Verdacht des Leontes dennoch begründet war?
Was beweist all der Aufwand, das delphische Orakel,
der Betrug der tugendsamen Matrone Paulina und die
schauspielerischen Künste der koketten Hermione am Schluß?
Doch nur, daß Weiberlist uns Männer stets betrügt.
 
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