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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle, [5.2]: Novellenkranz
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Schumann, Paul: Die akademische Ausstellung zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0047

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Modelle. Novellenkranz. Don Johannes j)roelß — Die akademische Ausstellung zu Dresden

mit dem Bemerken: wir sind jetzt quitt! Doch nein. Ich
brauche das Geld." Plötzlich lachte er in seinem Bett
grell auf. Er hatte das Mittel gefunden: ihren Kopf
ab und den Kopf meiner Paradiesschlange drauf! Das
gibt ein Aufsehen, wenn dann die staunende Mitwelt in
der Ausstellung seine ganz neue Auffassung der Hermione
bewundert. Wie man den Künstler feiern wird, der
seine — Braut — so darstellt!" Jetzt fand er vor
freudiger Aufregung keinen Schlaf mehr. Und früh am
Morgen schon ging er daran, genau die Größenverhält-
nisse der Statue zu berechnen, ihrem Material auf die
Spur zu kommen, und mit fieberhaftem Fleiß begann er
dann nach der Vorlage des kleineren von Karl zerschlagenen
Schlangen-Weiberkopfes eine entsprechende Vergrößerung
zu modellieren. Die Jda half ihm dabei, wo sie konnte.
Ihre Liebkosungen gaben seiner manchmal erlahmenden
Kraft immer neuen Aufschwung. Der Termin war
so kurz. Er hatte soviel zu berechnen, um das Anheften
des neuen Hermionehauptes im voraus gut vorzubereiten.
Die Geschicklichkeit traute er sich zu. Er war nicht um-
sonst gelernter Kunstschlosser. Er wollte eine Spange
um die Spur legen und diese übermalen. Endlich war
alles bereit. Doch zum Vollzug des Racheakts mußte
er die Nacht vor dem äußersten Zurücklieferungstermin
zu Hilfe nehmen. In seinem Zimmer hatte er ein
Kohlenbecken in Glut versetzt und alles bereit gestellt,
um die Spange anzulöten. Die Statue des Bruders
hatte er wieder in dessen Atelier aufgestellt. Er ließ die Jda,
die ihn bei diesem festlichen Ereignis nicht hatte verlassen
wollen, zur Bewachung des Feuers zurück und schritt mit
seiner fertigen Arbeit in den Saal.
Es stand gerade Vollmond am Himmel, und seine
Strahlen umflossen leuchtend die Statue, als er mit bloßen
Füßen auf sie zuschritt. Nun er sich ihr näherte, war es
ihm einen Moment, als ob sich der ernste Mund des
hoheitvollen Gesichts warnend rege. Dummes Zeug, be-
schwichtigte er sich, es ist das Mondlicht, das blendet!
Um so besser, so habe ich nicht nötig, Licht zu machen.
Er mußte sich eine Treppenleiter an die Statue rücken,
um den Kopf mit der bereit liegenden Stahlsäge zu ent-
fernen. Schon längst hatte er einen feinen Strich gerade
über der Halskrause geritzt, der genau der Rundlinie

des Halsansatzes seines neuen Kopfes entsprach. Ent-
schlossen setzte er an. Das röchelnde Rasseln der Säge
ging ihm durch Mark und Bein, aber die Vorfreude
der vollführten Rache stählte seine Nerven und Muskeln.
Da — ein letztes Röcheln — und mit lauten Krachen
stürzte der schöne Hermionekopf zu Boden.
Unwillkürlich beugte sich sein Räuber vor, um zu
sehen, wohin der Kopf gefallen. Er lag in der Nähe
des Fensters, halb im Schatten, — Augen und Stirn
aber in einem Hellen Lichtstreifen, der vom Fenster auf
die Diele fiel. Hölle, was war das? Die Augen schienen
zu leben, ihn mit wehklagenden, anklagendcn Blicken zu durch-
bohren! Wie im Zustand der Hypnose— blieben seine Blicke
von denen des Kopfes gebannt. Ein Schauer rieselte ihm
durch die Adern, als habe er einen Mord begangen und
der Gemordete werde wieder lebendig. Es wehte ihm
von dem abgeschlagenen edlen Frauengesichte an wie
Athem — Hauch; ein lauter Angstschrei entrang sich
seiner Kehle, er fuhr mit den Händen wie abwehrend —
gegen das Bild.
Da ging ihm das Gleichgewicht verloren. Die
Leiter schwankte, stürzte mit ihm. Furchtbar schmetterte
er kopfüber zu Boden. Sein Kopf schlug auf das von
ihm geformte Zcrrbilo der Hermione auf und kam dann
blutüberströmt neben das wehmütig ernste Haupt der
echten Hermione zu liegen.
Die leichtsinnige Dirne draußen hatte den Schrei
vernommen und kam von Schreck gelähmt herzu. Als
sie den Unglücklichen aber wie leblos daliegen fand in
seinem Blute, neben den bleichen Steinköpfen, unheimlich
vom Mondlicht bestrahlt, nahm sie Reißaus.
Am andern Morgen fand der heimkehrende Meister
der verstümmelten Hermione seinen verunglückten Stief-
bruder noch in derselben Lage. Vergeblich blieben seine
Versuche, ihn ins Leben zurückzurufen. Das lebenswarme
Urbild der Statue stand an seiner Seite, ein freundlicher
Genius des Trostes. Und wie in dieser Stunde hat sie
ihrem nachherigen Gatten noch oft bewiesen, daß sie sich
selbst in treuer, geduldiger, reiner Liebe jene Gestalt
der Shakespeareschen Dichtung zum Muster nimmt, für
deren Verkörperung sie in zweien Künsten ein Muster
gewesen.

Die akademische Au^ftellung zu Dresden

ie Dresdener Ausstellungen der letzten Jahre konnten,
wenn wir von der höchst gelungenen Aquarell-Aus-
stellung absehen, immer nur als solche zweiten Ranges
gelten. Man wird das auch von der diesjährigen sagen
müssen, wenngleich sie manche ihrer Vorgängerinnen an
Zahl der Kunstwerke übertrifft. Es sind im ganzen bis
jetzt 580 Werke eingegangen, darunter 413 Ölgemälde,
125 Aquarelle, Pastelle und Handzeichnungen und 42
plastische Werke. Von den verschiedenen Kunststädten
ist Dresden durch 70 Künstler mit 125 Werken, dann
München durch 94 Künstler mit 116 Werken, Düsseldorf
durch 67 Künstler mit 88 Werken, Berlin durch 51 Künst-
ler mit 75 Werken vertreten, weiter folgen Wien (13),
Weimar (9) Karlsruhe (8); die übrigen Künstler verteilen
sich auf etwa 40 andre Städte. Eine ganze Reihe der

ausgestellten Werke sind älteren Datums und waren schon
anderwärts ausgestellt, so Hlldebrands „Tullia", Linden-
schmitts „Alarich", Bantzers „Wallfahrer", Baurs „Tochter
des Märtyrers", Friedländers „Vier Temperamente",
Hans Herrmanns „Ansicht von Vtissingen", Die Panzer-
korvette Oldenburg" von Hochhaus, fünf Bildnisse aus
Lenbachs Sammlung, Rochols „Germanenwanderung",
F. v. Uhdes „Näherinnen" (1882), „die heil. Elisabeth"
von Volz, „Auferweckung der Tochter des Jairus" und
„Christi Emzug in Jerusalem" von Gebhardt (1863),
Skarbinas „Lebensgroßer Arbeiter" u. a. Es genügt
diese zu erwähnen.
Zu grundsätzlichen Erörterungen bietet die Ausstellung
wenig Anlaß. Die neueren Bewegungen in der Kunst
kennzeichnen sie nur in geringem Maße. Wir führen
 
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