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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Schumann, Paul: Die akademische Ausstellung zu Dresden
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Moderne Kunst auf der Hamburger Gewerbe- und Industrieausstellung
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28 Die akademische Ausstellung zu Dresden — Moderne Kunst auf der Hamburger Gewerbe- und Industrieausstellung

Gast", Joseph Brandts „Aufbruch zur Jagd", endlich
die sein beobachtete, malerisch freie Schilderung einer
„Auktion" von Robert Sterl, eiuem Schüler von
F. Pauwcls. Sonst finden wir noch gut vertreten
Breling, Harburger, Kallmorgen, Laupheimer, Marc,
Schwabe, Walther Scholtz, Webb.
Bildnisse sind neben den Meisterwerken von Lenbach
nur in geringer Anzahl vorhanden. Von Dresdnern kommen
in Betracht Paul Kießling, der das feingestimmte Miniatur-
bildnis des Herrn W. v. Seidlitz in ganzer Gestalt
bringt, Leon Pohle mit einem schönfarbigen weiblichen
Bildnisse in Lebensgröße, Franz Kops, dessen Bildnisse sich
durch gesunde Austastung und tüchtige Mache auszeichnen.
Weiter ist Walter Witting zu nennen, ein jüngerer
Dresdener Künstler aus Thedys Schule, dessen weibliches
Bildnis einen feinen Sinn für Charakteristik und Be-
handlung des Helldunkels offenbart. Von auswärts haben
namentlich Graf Kalckreuth, Koner, Mosler-Pallenberg
und Petersen die Ausstellung mit tüchtigen Bildnissen
beschickt.
Sehr zahlreich sind wie gegenwärtig meistens die
Landschaften u. a. vorhanden. Wir nennen an erster
Stelle Ludwigs Dills „Morgen auf der Giudecca
in Venedig", ein prächtiges großes Bild in breitem
kräftigen Vortrage, während doch auch die Wirkung des
Sonnenlichts nebst dem grauweißen Nebeldunst aufs
Feinste wicdcrgegeben ist: echte Lagunenluft durchweht
die Fernsicht über den Kanal und die Häuscrflucht bis
S. Giorgio Maggiore. Weiter bringt Karl Schultze
Düsseldorf eine effektvolle Ansicht des Reichenbachfalls
in der Schweiz; das Hochgebirge schildern auch mit
Erfolg Karl Ludwig (Berlin) und Joseph Jansen (Düffel-
dorf), während Dückcr die Gewalt der Meeresflnt in
einem mächtigen Bilde mit gewohnter Tüchtigkeit veran-
schaulicht. Weiter sind eine Reihe schöner deutscher
Landschaften vorhanden von Breitbach, E. v. Canal,
H. Deiters, Tarnaut, Fahrbach, Jrnier, Käppis, Kubierschky,
H. Licscgang, Munthe, Nabert, W. Petersen. E. Schleich,
Paul Weber, Wenglcin, Willroider, E. Zimmcrmann.
Von den Dresdenern zeichnen sich Wilhelm Ritter durch
hellfarbige gemütvolle Dorsschilderungcn, ferner Franz
Schreycr, Jacques Schenker, P. Jacoby und B. Paul
Förster auf diesem Gebiete ans. Schließlich erwähnen
wir noch Joseph Wopfner mit einem seiner bekannten
vorzüglichen Chiemseebilder und H. Petersen-Angeln
iffit ein paar tüchtigen Marinen, V. M. Herwegen
mit einer farbenfreudigen Ansicht des Pantheons und
Adolf Seel mit einem venezianischen Hof im Sonnen-
schein.
Auf dem Gebiete des Aquarells ragt der Römer
Gustav Simoni in seinen afrikanischen Schilderungen
durch die Leuchtkraft seiner Farben und die lebendige
Auffassung hervor, von Edgar Meyers Bildern ver-
dient die große Ansicht des Schwarzensteinsees im Hinter-
zillerthal alle Anerkennung. Ludwig Passinis reiz-
volle italienische Straßenansicht bedarf keines Lobes.
Die plastischen Arbeiten bieten kein neues Werk von
größerem Umfange, auch mancherlei schon bekanntes, wie
Tilgners charaktervolle Büsten (ganz besonders zu
nennen die Bronzebüste des Malers Professor Leopold
Müller auf Marmorsockel), Bildnisbüsten von Feld er-
hoff und Magnussen in Berlin, Zadows Fischer-
knaben u. a. Neu sind namentlich drei sehr liebens-

würdig erfundene Reliefs der Jahreszeiten von Harald
Richter, dargestellt durch Frauen und Kinder in Rokoko-
umrahmungen, eine Blumenverkäuferin und ein Hirten-
knabe von demselben, endlich ein mit ergreifender Wahr-
heit gebildeter Christus von Emmerich An diesen.
Im ganzen genommen bietet die Dresdener Aus-
stellung ein erfreuliches Bild dar; ziehen wir den Um-
stand in Betracht, daß gleichzeitig noch wohlbeschickte
Ausstellungen in Berlin und vor allem in München
stattfinden, so erhalten wir von der Leistungsfähigkeit
der deutschen Kunst einen recht befriedigenden Begriff.

Moderne lunist auf der Hamburger Gewerbe- und
Industrieausstellung
s^u einer Zeit, da Paris, London, München, Berlin Kunst-
ausstellungeu veranstaltet, wird sich schwerlich das allgemeine
Kunstinteresfe der in Hamburg inszenierten Sonderausstellung
znwenden, es sei denn, daß die genannten Plätze „Tvrpedosucher"
aufstellen, deren Lichtfülle die Aufmerksamkeit auf Hamburg lenkt.
Im Anschluß an die mit großem Eifer und anerkennenswerter
Energie veranstaltete Gewerbe- und Industrieausstellung ist in
Hamburg auch den hier domizilierten und aus Hamburg gebürtigen
Künstlern ein Kunsttempel erbaut, in dem sie ihre Werke ver-
sammeln und sich in geschlossener Einheit dem kunstliebenden
Publikum zeigen konnten. Gleichzeitig sind einige Säle zur
Aufnahme von Privatgalerien reserviert, um einem größerem
Kreise die im Verborgenen ruhenden Kunstschätze zugänglich zu
machen. Dieser Gedanke konnte sich in einer Stadt von der
Größe Hamburgs realisieren, weil das engsügige Gemeinwesen
den wertvollen Kunstbesitz einzelner in idealem Sinn als ihm
mitgehörig betrachtet, zumal da die Liebenswürdigkeit der glück-
lichen Besitzer ihm durch die leichte Zugänglichkeit ihrer Häuser
den Begriff der Alleingehörigkeit weniger empfinden läßt. Wir
wollen zunächst einen Blick auf die Bilder Hamburger Künstler
werfen und mehr in resümierender als raisonnierender Weise
das Vorhandene prüfen Wenden wir uns zunächst zu den neuen
Erscheinungen. Unter „neu" verstehen wir die Hamburger Künst-
ler, die hier entweder noch gar nicht oder Werke ausgestellt haben,
die besonderes Interesse weder durch die Mache noch durch die
Kühnheit der Konzeption hervorriefen. Wir nennen C. Grethe,
Karlsruhe, Dettmann, Berlin, Küchel, Hamburg. Carlos
Grethe trat mit seinem großem Bilde „Lustige Matrosen auf
einem Wallfischfänger" auf der Münchener Ausstellung vorteil-
haft hervor. Der Gedanke wendet sich dem intimen Leben der
Matrosen während ihrer Erholungsstunden zu, die nächst dem
Essen dem Vergnügen soweit es der Humor bereitet, gewidmet
sind. Das Motiv ist malerisch sehr kühn behandelt, denn die
entworfene durch die Schiffsbewegung hervorgerufene schiefe
Ebene bedingt eine totale Beherrschung der perspekttvischen Linien
und zugleich eine weit größere Beobachtungsgabe der Tonskalen
als eine stäche Basis erfordert, um erfundene oder erschaute
Gruppen glaubwürdig in ihrer Bewegung zur Erscheinung zu
bringen. Was der junge Künstler geleistet hat, ist höchst beachtens-
und anerkennenswert, was er nicht geleistet hat, ist teils nur
von einem erfahrenen Meister zu verlangen, teils dem blinden
Eifer — der sprichwörtlich immer schadet— nach der Gesamt-
wirkung zuzuschreiben. Die unterlaufenen Verzeichnungen
schädigen den Eindruck ohne die Empfindung für das Erstrebte
zu unterdrücken: sie sind so augensällig, daß wir uns wunderten,
ihnen aus der Fläche zu begegnen, wo jo viel Kunst und Können
ausgebreitet ist. Sehr wirkungsvoll in der Farbe sowie in der
Zeichnung und besonders in der Charakteristik erscheinen uns
die Köpfe: lauter echte wcttcrgebräunte Seemannstypen. Tettman
führt sich mit seinen Arbeiten als tüchtiger „flotter" Aquarellist
ein. Seine Bilder sind beachtenswert weniger durch ihre Kon-
zeption als durch die Behandlung und Wertung der Farbe. Den
Tadel der Konzeption wollen wir vor allem von dem Bilde
„Abfahrt des Kaisers von der Brooksbrücke" aussprechen. Das
Gemälde schmiegt sich zu sehr dem Rahmen an, in der Mitte
das Wasser erscheint wie ein See von Buschwerk umgeben in
Herbststimmung. Vorzüglich in Farbe und Komposition ist
 
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