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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Die Ausstellung der fremden Malerschulen auf dem Marsfelde
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Voss, Georg: Die Berliner akademische Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0068

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von Dtto Brandes — Die Berliner akademische Kunstausstellung, von Georg voß

so gern Constantin Makowski für den größten russischen
Maler ansgeben. Aber was wir hier von ihm sehen,
sein „Urteil des Paris" und auch sein „Tod Iwan des
Schrecklichen" sind von akademischer Banalität und thea-
tralischem Aufputz. Auch Gersons und Swiedomskis
historische Bilder zeigen Schwere der Hand und akademi-
sche Befangenheit. Sobald sich die Maler der sie um-
gebenden Realität zuwenden, wird die Hand leichter, die
Malerei flotter. Pankiewicz' „Gemüsemarkt in War-
schau" ist sehr fleißig studiert. In Pawliszaks Ko-
sakenfantasia sind die Pferde mit großer Freiheit be-
handelt. Przepiorskis „Violinist" hat einen fein zu-
sammengearbeiteten Kopf und Pranischnikoff ist mit
seinem Aquarell Steppenstudien ein tüchtiger Illustrator.
Aber viel, sehr viel erübrigt den Russen zu lernen.
Nichtsdestoweniger müssen wir gestehen, daß sie nicht
ohne Sinn für Form und Farbe sind.
Ohne die Kunst zu kränken, können wir die griechische,
rumänische und serbische Ausstellung überschlagen und
uns am Schluß unsrer Betrachtung den hochveranlagten
Skandinaviern zuwenden. Hier atmet man wieder auf,
eine frische Kunstbrise weht in diesen Sälen, das Inter-
esse wird selbst nach langer mühsamer Wanderung wieder
geweckt und das Auge durch die Ehrlichkeit wie durch die
Kühnheit einer jungen talentvollen Kunst hoch befriedigt.
Ein nationaler Zug geht durch die skandinavischen Maler,
die sie zu einer in sich geschlossenen Schule stempeln, in
welcher jedoch jeder den Nationen, den Dänen, den
Schweden, den Norwegern, den Finnen ein bestimmtes
Cachet verblieben ist. Sie suchen ihre Sujets nicht in
den Tiefen der Geschichte oder der Mythologie und noch
weniger in der Allegorie, sondern sie greifen das aller-
wärts interessante, sie umgebende Leben aus und schildern
uns ihr Land und ihre Leute. Die Grammatik der
Kunst ist ihnen zum teil aus Frankreich gekommen, aber
als talentvolle Schüler haben sie sich bald zu eigen ge-
macht und für ihre Bedürfnisse umgestaltet. Der Realis-
mus ist ihnen keine Doktrin, er ist ihnen Bedürfnis. Sie
wenden sich ohne Spekulation direkt an die Natur und
sprechen uns ohne falsche Scham von den einfachsten
Dingen: Abendgesellschaften, Taufen, Kommunionen, Be-
gräbnissen, Feldarbeit, Fischerei, sie sprechen uns auch
besonders von der heimatlichen Natur, den felszerrissenen
Fjords, den Gebirgsseen, den Winter- und Schneeland-
schaften, den dem Norden eigentümlichen Nächten. Kurz,
die Skandinavier stehen im Begriff ihr Land zu ent-
decken. Skredsvig stellt seine Johannisnacht aus, die
wir früher schon einmal in einem Salon zu bewundern

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Gelegenheit hatten. Ein norwegischer vom Gebirge um-
schlossener See, über welchen eine Barke gleitet, deren
Insassen wohl von der Feier des Johannisfestes zurück-
kehren. Der Ruderer hat seine Riemen fallen lasten, um
sich eine Pfeife anzuzünden, zwei Frauen sitzen in der
Mitte, während an der Spitze des Kahnes ein harmonika-
spielender Bursche liegt. Das Bild hat auch dieses Mal
in seiner beispiellosen Einfachheit auf uns einen tiefen
Eindruck gemacht. Elif Petersen, Kitty Kielland,
Gerhardt Munthe schildern uns ebenfalls die reiz-
vollen Nächte ihrer Heimat. Aus den genrehaften Bildern
erwähnen wir hier Erik Werenskjolds „Begräbnis",
welches mit einer rührenden Wahrheit ohne jede Senti-
mentalität gemalt ist. Fritz Thaulow ist vorzugsweise
der Maler des Winters, die Volkstypen schildern uns
Wentzel, Swen Joergensen, Christian Krogh,
Egolf Soot mit ländlicher Frische und Kraft. Zorn,
den wir ebenfalls in dem Salon verschiedentlich rühmend
zu erwähnen Gelegenheit hatten, verliert an Originalität,
indem er sich allzusehr der französischen Mache überläßt.
Auch Hugo Salmson, Hagborg und Wahlborg
sind für uns alte Bekannte aus dem Salon.
In Dänemark ist man nicht mehr so ländlich robust.
Hier malt man auch mehr das innere Familienleben und
Viggo Johaunsens beide Gesellschaftsabende sind glän-
zende Zeugnisse einer eindringlichen und feinen Beob-
achtung. Halsted malt dergleichen mit einer kleinen
Dose Karrikatur. Im Sommer pflegen die dänischen Maler
mit Kind und Kegel nach Skageu auf Jütland aus-
zuwandern. Sie führen dort ein munteres gemeinsames
Leben wie einst die deutschen Künstler auf Capri. Auf
die fleißige Arbeit folgen lustige vom künstlerischen Geist
durchtränkte Feste. Aus einem solchen ist wohl Kroyers
„Hipp, Hipp, Hurrah", ein fein beobachtetes, geschickt
gemaltes Bild entstanden. Auch Tuxen, Jerndorff, Anker
und seine Frau, Karl Bloch, Paulsen sind als Ver-
treter dieser frei, frisch, froh malenden Schule zu erwähnen.
Die finische Schule konzentriert sich in Edelfeldt.
Es genügt den Namen zu nennen. Die Werke des hoch-
begabten fleißigen Künstlers sind allerwärts bekannt. Um
den Meister scharen sich Ahlstedt, de Becker, Bernd-
ston, Jarnefeldt, Kleinez, Lindholm, Munster-
hjelm, Westerholm.
Wenn man mich fragt, bei welchen Nationen heute
die Zukunft der Kunst steht, so kann man, glaube ich,
getrost antworten, bei den Skandinaviern, die in jugend-
frischem Können aus dem unerschöpflichen, ewig ver-
jüngenden Born der Natur schöpfen.

Die Berliner akademische AunstauDellung
Von Georg voß

ie empfindlich der Schlag war, welchen die Aus-
stellungen der Berliner Akademie der Künste durch
die Einrichtung der regelmäßigen Jahresausstellungen des
Münchener Glaspalastes erhalten hat, sollte sich gleich
das erste Mal in seiner ganzen Bedeutung zeigen. Die
Ausstellung, welche in diesem Jahre in den Räumen des
alten Akademiegebäudes Unter den Linden eröffnet ist,
kann nicht entfernt den Anspruch machen, die deutsche

Nachdruck verboten
Kunst der Gegenwart auf der Höhe ihres Könnens zu
repräsentieren. Die Münchener Maler sind so gut wie
ganz ausgeblieben, und was das in einer deutschen Kunst-
ausstellung bedeutet, weiß jeder, der mit den Leistungen
der deutschen Kunst vertraut ist, zu beurteilen. Doch
auch von den übrigen Kunststädten, ja aus Berlin selbst
ist mancher liebe Gast ausgeblieben und hat seine Bilder
nach dem Münchener Glaspalast gesendet.


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