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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Voss, Georg: Die Entscheidung über die Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal
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Brandes, Otto: Jules Dupré
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0087

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Die Entscheidung über die Entwürfe zum Kaiser Wilbelm-Denkmal. van Georg voß — Jules Dupre

die Standbilder dort hinzustellen, wo sie täglich von
vielen Tausenden mitten in dem großen Verkehr der
Hauptstadt gesehen werden, hat man dieselben weit vor
das Thor der Stadt hinaus unter die stillen grünen
Bäume verlegt; statt des Mittelpunktes der Hauptstadt,
dort, wo jeder Deutsche, der nach Berlin kommt, zuerst
nach den Ruhmesdenkmalen des neuen Reiches suchen
wird, hat man einen dem Deutschen Reiche völlig gleich-
gültigen Vergnügungspark der Berliner gewählt.
Bei der Verleihung des zweiten Preises wirkt am
befremdendsten die Auszeichnung, welche der schweren,
ernsten Grabeskuppel des Bildhauers Adolf H^de-
brand in Florenz zu teil geworden ist. Das Ganze ist
eine Anhäufung von antiken Bauformen und antiken
Jdealgeslalten, aber vom deutschen Kaiserreiche aus dem
Jahre 1871 sagen alle diese Formen nichts. Man höre nur
was dort alles ausgestellt ist: Neben dem Eingang sechs
paar griechische Karyatiden; über dem Thorbogen eine
griechische Nike; ferner in den beiden Reliefs an der Außen-
wand auf der einen Seite eine Nike im antiken Sieges-
wagen, der von schweren Stieren gezogen wird, auf der
andern Seite eine Nike auf dem mit vier Pferden bespannten
Siegeswagen; ferner an den Ecken des Gebäudes antike
Rosscbändiger und innen unter der treu nach dem römi-
schen Pantheon kopierten Kuppel eine uns fremde Kostüm-
figur im langen Mantel und mit der mittelalterlichen
Kaiserkrone und dem Reichsschwert auf dem Schoße als
Jdealgestalt Kaiser Wilhelm I.!
Wer solchen Entwurf mit einem Preise auszeichnet,
verleugnet die ganze Bedeutung des in der deutschen
Kunst aus langem Schlafe neuerwachten Nationalgcfühls.
Hoffentlich wird die deutsche Kunst wenigstens vor einer
solchen Niederlage bewahrt bleiben, wie sie die Aus-
führung dieses Entwurfs bedeuten würde.
Die drei prämiierten Reiterstandbilder, welche in-
dessen sämtlich nur mit zweiten Preisen ausgezeichnet
worden sind, sind in ihrer Auffassung so verschieden als
möglich. Fritz Schaper hat den Kaiser dargestellt, wie
er mit einem theatralisch um die Schultern geworfenen
Mantel, den Feldherrnstab in der Hand, pomphaft als
Sieger cinherreitet. Noch weiter in der Idealisierung
der Gestalt des Kaisers geht Karl Hilgers. Sein Reiter
trägt den lang herabwallenden Hermelinmantel, den
Lorbeerkranz auf dem entblößten Haupt und in der Hand
das Reichsschwert pathetisch um die Mitte der Scheide

gefaßt. Auch in dieser rein symbolischen Kostümierung,
die mit der historischen Erscheinung Kaiser Wilhelms
nichts zu thun hat, hat Hilgers die Gesichtszüge des
Kaisers wahr und edel zum Ausdruck gebracht. Doch
werden die feinen Linien dieser Gesichtsziige, die jetzt an
dem in nächster Nähe betrachteten weißen Gipsmodelle
so schön wirken, auch in der Höhe eines Reiterstandbildes
und in unsrer modernen Bronze, welche vom Rauche der
Fabrikschornsteine bereits in wenigen Jahren schwarz
wird, zur Geltung kommen? Liegt nicht stets im fertig
ausgeführten Reiterstandbilde das wirklich Eindrucksvolle
allein in den großen Ilmrißlinien des Ganzen? Und in
diesen Umrißlinien würde allein der lange symbolische
Mantel und das breite symbolische Rcichsschwert den
Haupteindruck bestimmen. Von der wirklich historischen
Erscheinung des Kaisers, so wie ihn sein Volk bei seinem
siegreichen Einzuge in die Hauptstadt oder bei der Heer-
schau seiner Paraden gesehen hat, würde so gut wie
nichts übrig bleiben.
Ein treues Abbild des dahingeschiedenen Monarchen
hat von den prämiierten Entwürfen allein Johannes
Schilling, der Bildhauer des Nationaldenkmals auf
dem Niederwald, gegeben. Im Gegensatz zu dem feier-
lichen Triumphator der übrigen Modelle hat Schilling
den Kaiser dargestellt, wie er auf dem ruhig stehenden
Pferde in stiller Betrachtung vor sich hinblickt, als ob
er alle die großen Ereignisse seines Lebens an seiner
Seele vorüberzieheu läßt. Das leicht vorgebcugte Haupt
deutet das hohe Greisenalter an, ohne daß dadurch in-
dessen die Kraftlosigkeit des Alters betont wäre. An der
historischen Uniform ist nichts geändert. Der Kaiser
trägt den offenen Überrock und die schlichte Pickelhaube,
selbst ohne den Lorbcerkranz des Siegers. Sehr schön
stimmt zu der edlen Ruhe dieser Erscheinung auch die
Haltung des Pferdes, in dessen Proportionen der Bild-
hauer endlich einmal mit den sonst in unfern Denkmälern
hergebrachten massigen Formen des Turnierrosses der
Renaissance gebrochen hat.
Klarheit über die wirklichen Dcnkmalswünsche der
Reichtagskommission kann erst der Erläuterungsbericht
oder die Aufstellung eines neuen und in allen seinen
Punkten ganz genau bestimmten neuen Konkurrenz-
programms bringen, und allseitig wird man der Tätig-
keit der Kommission nach dieser Richtung hin mit ge-
spanntem Interesse entgegen sehen.

JuleF Duprc 7
von Gtto Brandes

67issn der Centenar-Ausstellung der schönen Künste auf
dem Marsfelde findet man neben den ausgezeichneten
Bildern Corots, Diaz', Rousseaus eine Reihe Landschaften,
die mächtig den Beschauer ergreifen. Sie sind nicht
vergleichbar mit den eine leichte Pinselführung verratenden
Bildern Corots, nicht mit den etwas minutiösen aber
lichtfrohen Landschaften Theodore Rousseaus, es liegt eine
derbere Ausdrucksgabe, eine männlichere Kraft, eine größere
Vertiefung in die Natur in diesen Bildern, die die inten-
sivere Wärme des Kolorits noch am ersten mit den
Werken eines Diaz gemein haben. Die meisten dieser

Nachdruck verboten
Bilder schmückt eine schwarze Trauerschleife. Sie sind
die hinterlassenen Zeugen des großen Könnens eines
reichbegabten, soeben verstorbenen Künstlers, es sind die
Werke Jules Dupres.
Im Anfänge dieses Jahrhunderts stand an den Ufern
der Oise eine bescheidene Porzellanfabrik, in welcher der
Hauptkünstler der Sohn des Besitzers, der junge Jules
Dupre war. Kaum hatte der Knabe den ersten Elementar-
unterricht absolviert, schreiben und lesen gelernt, so hieß
es den Tag über Tassen und Teller bemalen, Brot ver-/
dienen. In den wenigen Feierstunden wanderte der Jüng-
 
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