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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Unsre Bilder
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tZ8

Unsre Bilder
vom Herausgeber

h selige Jugend, warum bist du so bald vorbei"
sagt man sich unwillkürlich, wenn man das Liebes-
paar sieht, das Karl Hoff so anmutig in die blühenden
Gärten hineingestellt hat, die zwei Nachbarhäuser mit
einander verbinden. Wie es nun kommt, daß der Junker
aus dem artigen Renaissanceschlößchen von drüben auf
einmal herüber geraten ist und dem gnädigen Fräulein
offenbar eine solenne Liebeserklärung macht, während sie
sich doch durch die Lektüre des Gesangbuches nur auf
den Kirchgang vorbereitet hatte, dieses Wunder mögen
andre erklären. Allem Anschein nach werden sie nächstens
selbander zur Kirche gehen, denn sie sieht durchaus nicht
aus als ob sie dem hübschen Jungen einen Korb geben
wollte, obwohl sie sich noch sehr nachdenklich gebärdet.
Wahrscheinlich sind sie schon als Nachbarskinder neben-
einander ausgewachsen und haben immer unbefangen zu-
sammen gespielt bis sie in diesem schönen Mai urplötzlich
die Entdeckung machten, daß ihr Herz heftiger zu klopfen
anfing, wenn sie einander näher kamen. Falls sie sich
jetzt über diese sonderbare Naturerscheinung besprechen,
so wollen wir das schöne Paar nicht länger daran hindern,
ihr auf den Grund zu kommen. Hoff hat uns dasselbe
so lebenswahr und glaubwürdig dargestellt, daß man
die beiden schon längst gekannt zu haben meint wie das
reizende Dörfchen an der Bergstraße, das sie ausblühen
sah. — So wenig letzteres von einem spanischen Räuber-
nest hat, so wenig besitzt er von einem Don Juan
oder sie von einer Donna Anna und eben deßhalb passen
sie so gut unter die blühenden Äpfelbäume dieses echt
deutschen Paradieses, aus dem sie hoffentlich nie Vertrieben
werden.
Die gefährlichsten Hexen sind bekanntlich die, denen
man es nicht ansieht und so werden wir denn auch
die des Gabriel Max als eine derjenigen betrachten
dürfen, deren Zauber wir immer noch am liebsten unter-
liegen würden. Die Ärmste ist wohl dieses unbewußten
Zaubers halber, den ihre Jugend und Unschuld ausübte,
in den Geruch der Hexerei gekommen und hat jetzt zu
fürchten, ein Opfer desselben zu werden, denn offenbar
ist das liebliche Köpfchen die Studie zu irgend einer
Hexenverbrennung. Als solche ist es aber so reizend als
Max nur je eine der unzähligen Unglücklichen dargestellt
hat, die dem Fanatismus oder der Roheit geschlachtet
wurden. Immer ein Vertheidiger der Menschlichkeit,
der Unschuld und der Unterdrückten gewesen zu sein, ist
ja der schönste Ruhm dieses geist- und mutvollen Künstlers.
Daß Gregor von Bochmann zu den feinsten
und gediegensten Meistern der Düsseldorfer Schule
gehöre, das ist nachgerade weltbekannt. Nie hat er
aber sein Talent, über die Darstellungen seiner baltischen
Heimat einen wunderbar poetischen Zauber zu breiten,
glänzender bewiesen, als in dieser einfachen Szene „Am
alten Fischmarkt bei Reval". Dabei ist ihm auch nicht
im entferntesten eingefallen diese Fischer, Fuhrleute und
Hökerweiber, die da mühsam ums tägliche Brot ringen,
zu idealisieren, er gibt jeden Einzelnen vielmehr mit
einer Wahrheit und Glaubwürdigkeit wieder, wie sie
nur je ein Wouvermann erreicht hat. Dafür ist über
das Ganze dieser zerfallenen Hütten und ihren in schwerer
Arbeit ausgehenden Menschen ein geheimnisvoller Reiz

tief melancholischer Stimmung gebreitet, der uns nicht
losläßt, wenn wir uns erst in denselben vertieft haben.
Der graue neblichte Himmel über diesen Gehöften bildet
mit dem Blick auf das in der Ferne brandende Meer
einen so feinen Gegensatz zu dem tiefen Goldbraun,
in dem Häuser und Menschen, Pferde und Fuhrwerke
schwimmen, daß in diesem dämmernden Helldunkel alles
einzelne, wie köstlich es auch an sich gemacht sei, völlig
verschwindet. Die Versöhnung mit diesem dürftigen
und freudlosen Dasein liegt hier in der tiefen Gemütlich-
keit und warmen Liebe, die der Künstler über diese
Schilderung seiner Heimat breitet und die unwillkürlich
auch uns erwärmt, während uns die herrlichste Natur
kühl läßt, wenn sie mit roher Bravour dargestellt wird,
wie jetzt so oft von solchen geschieht, die sich auch noch
Impressionisten nennen, wohl weil sie uns gar keinen
Eindruck machen. Daß sich die Liebe, die der Künstler
an sein Werk wendet, auch sofort auf uns überträgt, das
kann man nirgends besser sehen als hier, wo sie selbst
die Armut einer rauhen Natur adelt.
Wie es vor allem diese Liebe ist, mit welcher der
Künstler seinen Stoff behandelt, die auch uns erwärmt,
das sieht man nicht weniger überzeugend als bei Bochmann
an Ritters Enkelinnen „Bei der Großmutter". Da
kommt uns vor dem kühlen, weißgetünchten Gemach das
bei aller Ärmlichkeit so wohlthuend rein und heiter aus-
sieht, gleich die Idee, daß die den beiden Mädchen aus
irgend einem Märchenbuch vorlesende Alte auch zu den
Frauen gehört, bei denen die äußere Sauberkeit nur der
Ausdruck der innern ist. Und welcher Zauber der Kinder-
unschuld ist vollends über die beiden Enkelinnen gebreitet,
die so ganz bei der wunderbaren Geschichte sind, die
ihnen die Alte vorträgt! Man kann nicht leicht etwas
Erquicklicheres sehen, als diese tief gemütvolle Szene innigen
Familienlebens, wo sich der Charakter der Dargestellten schon
in ihrer Häuslichkeit so deutlich ausspricht. In solchen
Erfindungen bleibt die heutige deutsche Kunst denn auch
unerreicht von jeder andern, da ihre alles beseelende Auf-
fassung dem Nationalcharakter so durchaus entspricht. —
Ritter aber nimmt unter den vielen Künstlern dieser
Art durch die hohe Vollendung, mit der er seine Dar-
stellungen ausstattet, bereits einen hervorragenden Platz
ein, wie denn besonders die beiden Mädchen Meisterstücke
feiner Charakteristik sind.
Schließlich möchten wir unsre Leser noch auf G. von
Bochmanns reizende Skizzen aufmerksam machen, an
denen man so genau sieht, wie er jedem Geschöpf und
jeder Sache augenblicklich ihre malerische Seite abzuge-
winnen versteht und den feinsten Blick für das Eigen-
tümliche in der Bewegung des Menschen bekundet, so
daß jeder Strich bei ihm das stärkste Lebensgefühl atmet.
Nicht weniger soll hier aber auch auf die prächtige
Winterlandschaft des Holländers Apol hingewiescn wer-
den, deren vom Reif ganz verzuckerte Bäume so lustig
in der Sonne blitzen. Das eigentümlich reizvolle solcher
Szenen, wo selbst der von Eis und Schnee starrende
Wald wieder ein geheimes Leben gewinnt, zu funkeln
und zu flimmern, ja leise zu knistern und zu rauschen
beginnt, ist wohl kaum besser wiedergegeben worden, als
auf diesem Bild.
 
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