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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle, [6.2]: Novellenkranz
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0210

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Modelle. Novellenkranz, von Johannes proelß — Unsre Bilder, vom Herausgeber

mal doch mir Seele und Leib durchglüht hatte! So kam ich
nach Florenz, so trat ich vor mein Bild, die Magdalena.
Sie sahen es doch auch schon im Original? — Nein? —
Freilich die Zahl der Säle ist groß, die zu durchwandern
sind, bis man zu ihm gelangt. Dafür ist sein Gemach
auch ein Allerheiligstes. Ich weiß nicht, ob Sie morgen,
wenn Sie davortreten, ähnliches empfinden werden wie
damals ich. Dieser Eindruck ist eben nicht zu trennen
von jenem Erlebnis. Darum war, was mich so ergriff,
auch nicht allein der bezaubernde Reiz dieses schönen
bleichen Weibes, dessen Leib von lichtem Sonnengold über-
rieselt erscheint, wie er überflutet ist von der leuchtenden
Pracht des rotgoldnen Haares. Es war auch nicht allein
der Ausdruck in ihrem Gesicht voll reuiger Demut und
hoffender Vertrauensseligkeit, in welchen ganz aufgegangen
sich zeigt der Schönheitsstolz eines Weibes, dem da
von klein auf Tausende gesagt, daß sie schön sei, und
dem, seit es herangeblüht, Hunderte schon sicher geschworen,
daß sie vor Liebe zu ihr vergehen müssen, wenn es sie
nicht erhöre. Die schwellenden Lippen, die mit ihren
Küssen unsägliche Wonne gespendet, sind halb geöffnet,
aber, wie den thränenvollen Blick der großen dunklen
Augen, beseelt sie heute nur der Ausdruck tiefer Sehnsucht
nach Entsündigung durch den Heiland, dessen Füße sie
mit ihren Thränen gewaschen, mit ihren Haaren getrocknet,
dunklem Triebe folgend — sie wußte selber nicht
warum — und grenzenlosen Vertrauens zu dem Retter
und Tröster, der nun mild zu ihr das gnadenreiche Wort
spricht: „Weib, deine Sünden sind dir vergeben, denn
du hast viel geliebt." Das war es, was mich so im
tiefsten ergriff: die Hoheit der Gesinnung, welche die
reuige Sünderin zum Schrecken der Pharisäer, die sie
verdammen, segnet, weil ihre Sünden der Liebe ent-
sprungen sind.

Am Abende jenes Tages schrieb ich dem Mädchen,
das mich aus Liebe betrogen, einen Brief. Ich habe
aber nie eine Antwort darauf erhalten; er kam als un-
bestellbar zurück. Und der andre Tag fand mich wieder vor
dem Bilde nnd noch viele folgende Tage. Denn während
ich, dem Wunsche meines Gönners gemäß, die Flora zuerst
kopierte, zog es mich immer wieder vor das andre Bild,
das für mich ein geheimnisvolles überirdisches Leben
hatte und das zu kopieren es mich doch graute. Ich wäre
auch in meiner krankhaften Stimmung der Aufgabe damals
noch nicht gewachsen gewesen. Vor einem verfehlten Ver-
suche behütete mich dann, als die Flora eben beendet war,
eine neue Wendung in meinem Geschicke.
Mein Vater war plötzlich gestorben und die Nach-
richt teilte mir mit zitternder Hand eine Mutter mit, die
von Todesahnungen beseelt mich zu sich rief. Die
Ahnungen waren nur zu berechtigt. Kurz vor ihrem
Tode traf ich ein. An ihrem Sterbebette traf ich als
Pflegerin ein einfaches schlichtes Mädchen aus unsrer Ver-
wandtschaft. Eine brave Seele. Sie hatte sich am
Krankenbett meiner Eltern so bewährt, daß ich ihr großen
Dank schuldig geworden war. Als meiner Mutter letzte
Stunde nahte, legte sie des Mädchens Hände in die meinen.
Es war ein letzter Wille, den ich ehrte, und der Segen
der Mutter hat auf dem Bunde, den ich später mit der
Gefährtin jener heiligen Stunde einging, sichtlich geruht.
Denn als brav und treu hat sich auch mir die Mutter
meiner Kinder stets bewährt. Meine Kunst freilich ist ihr
stets ein Rätsel geblieben."
Damit schloß damals — ernsten Angesichts, aber
ruhig — mein Lehrer sein Bekenntnis.
Auch die Nachtigallen im Myrtenhain am Arnoufer
hatten aufgehört zu schlagen."
(Fortsetzung folgt)

Unsre Bilder
vom Herausgeber

S>Lekanntlich ist die Profangeschichtsmalerei augenblick-
lich noch weit mehr in Mißkredit als die religiöse,
weil sie ja oft zu einer bloßen Meiningerei herabgesunken
war. Aber selbst wenn sie hauptsächlich zu Entfaltung
malerischen Reizes benutzt wird, wie das Karl Becker
allerdings thut, so ist sie ja erst recht am Platze. Was
würde man von einer Kritik sagen, welche behauptete,
die Verse des Herrn bl. seien zu wohllautend und müßten
eigentlich holperiger sein? Dazu sind ja Malerei und
Dichtkunst doch recht eigentlich da, unser Auge und Ohr
zu erquicken! Das aber versteht Becker meisterlich, seine
Bilder erfreuen immer unser Auge, selbst wenn wir bei
seinen Kaisern und Königen zugeben müssen, daß es
ihnen nicht immer so ganz bitterer Ernst ist mit dem
was sie thun. Dafür repräsentieren sie vortrefflich,
wie sich das nun einmal für Potentaten aller Gattung
durchaus ziemt. So besonders für diesen Kaiser Max,
den letzten Ritter, der sich auf stattliche Darstellung so
viel besser verstand als auf gutes Regiment. Bei Becker
aber bildet seine ernste selbstbewußte Art, wie die kriegerisch
trotzige der ihn umgebenden deutschen Herren, den glück-
lichsten Gegensatz zu der ein wenig hinterhältigen Feinheit
der um Schonung bittenden venezianischen Edelleute.

Nachdruck verboten
Die Besiegten sind bekanntlich immer höflicher als die
Sieger und nur die Franzosen machen davon eine Aus-
nahme. Dagegen wollen wir uns aber besonders ver-
wahren, als ob Poesie und Schönheit nur in Lumpen
einhergingen und nicht auch im Brokat, wie man jetzt
zur Abwechselung wieder einmal behauptet. Das ist
gerade so wahr als wenn man sie zu Anfang der Ro-
mantik nur in den Ruinen suchte, oder wenn eine gewisse
andre Art von Malerei die alten Weiber den hübschen
jungen Mädchen vorzieht. In solchen Fällen kann man
immer mit Sicherheit annehmen, daß hier wieder einmal
der Fuchs die Trauben zu sauer fand.
Wenn uns also der „Kollekteur" des Knaus sehr
wohl gefällt, ohne daß wir uns oder andre einer be-
sonderen Vorliebe für alte schmierige Juden schuldig
wüßten, so hat das zunächst seinen Grund darin, daß
dessen Freundlichkeit und Höflichkeit nicht bloßer Geschäfts-
kunstgriff sondern offenbar echt sind wie sein bescheiden
genügsames Wesen. Das sind aber überall gewinnende
Tugenden, nicht nur bei alten Juden!
Um so gewisser ist, daß die tiefe gegenseitige Sym-
pathie zwischen den Husarenleutnants und den gnädigen
Fräuleins sich kaum viel verändert haben dürste seit den
 
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