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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Heilbut, Emil: Ferdinand Heilbuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0217

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Ferdinand Heilbuth

Drei Uhr; die Kirche füllt sich etwas mehr. Mein Gott! denke ich, wie traurig das Sterben im
Auslande ist. Das ist nun Ferdinand Heilbnth, der es zu einer Position im Auslande gebracht hat, und so
— stirbt er, wird so — begraben und die Versenkung schließt sich über ihm, den man trotz allen Talents so
rasch vergißt wie jeden andern. Was ist das Leben, was der Tod. Bleibe in Deutschland, wo man dich
wirklich achtet. Solchen Kurs nahmen meine Gedanken, und ich teile sie mit, denn ich will nicht zurück-
halten, was ich in dieser Stunde dachte.
Es kam aber einige Minuten darauf der Sterbezug. Zwei Reihen betraten ziemlich rasch die Kirche
und verteilten sich auf die Bänke. Der Sarg, mit Schwarz und Weiß ausgeschlagen und mit einem großen
lck, wurde im Vorderraume aufgestellt, gewaltige Blumenkränze brachte man, Kirchendiener gingen und kamen,
Thüren zur Sakristei öffneten sich, wurden geschlossen, es kam diese geängstete und aufgeregte Stimmung,
welche selbst den Fernerstehenden bei den Manipulationen der Leichenfeiern ergreift, als wäre ein Verwandter
in dem Toten dahingegangen, endlich trat der Prediger auf seine Kanzel und begann zu reden.
Im Auditorium die ersten Künstler und Köpfe Frankreichs; Meissonier war mir sofort ausgefallen,
mit seinem weißen, wallenden Bart, dem schon etwas pergamentnen, gelblichen Gesichte, den noch immer jugend-
lichen Augen, dem noch immer energischen Körper, dann Dumas, Albert Wolfs, viele Maler, — Gesichter von
Malern gleichen sich merkwürdig, in München und in Paris sind es dieselben Köpfe — interessanter geschnitten
als die der Durchschnittsmenschen, dann ein wenig noch interessanter gemacht durch den eigentümlicheren
Haar- und Bartschnitt... Ich saß hinter Claretie, von der französischen Komödie, der einfach im Habitus war,
doch immerfort plauderte und schwatzte mit zwei älteren Herren, die ich nicht kannte. Er plauderte auch während
der Predigt fast ohne Pause und schien an alles mehr, als an den Tod von Ferdinand Heilbnth zu denken.
Und wieder wurden meine Gedanken, welche durch das Erscheinen so vieler Celebritäten aus ihrem traurigen
Gange gebracht waren, zu ihrem Ausgangspunkt zurückgelenkt: es blieb — schien mir — doch ein trauriges
Sterben! Und mir wird niemand sagen, daß einen dieser Erschienenen mit Ausnahme der nächsten Freunde
— und er hatte deren — eine wirkliche Anteilnahme geleitet hatte. Man kam nur, weil »tont ?aris«
kommen mußte; man geleitete einen Mitkämpfer vieler Jahre, so wie man selbst dereinst begleitet werden wird;
— und ich glaube, die Pariser Maler sind von ihrem Berufe und ihrem eigenen Talente so in Anspruch
genommen, daß sie keine Zeit für wirkliche Freundschaften übrig behalten. Doch wird es Zeit, daß ich meine
Reflektionen aufgebe und zu dem zu behandelnden Thema komme. Es lautet: was war Ferdinand Heilbuth?
Und ihm, der, wie der erste Blick glaubte, zu Paris wie ein Heine starb, ich meine so unglücklich, so einsam,
— der jedoch, wie die Folge zeigte, als ein bei den Franzosen eingedrungener, geschätzter und „beliebter"
Künstler starb, ihm, den ich ganz jung in meiner Eltern Hause kennen lernte, und den ich später, als er
schon leicht ergraut, in seiner Wohnung in Paris wieder begrüßte, und bei dem ich immer die herzlichste
Aufnahme fand — ich will ihm jene Beurteilung zu teil werden lassen, die ich, bei aller Zuneigung für ihn,
als die Folge einer genaueren Kenntnis seiner Art und seiner Fähigkeiten geben muß.
Ferdinand Heilbuth war, nach dürftigen Erfolgen der Jugendjahre, ein Romantiker geworden, in der
Nachfolge Robert-Fleurys, mit andern französischen Neuromantikern zusammen; im Gegensätze zu Deveria und
Robert-Fleury, zog er das Weiche dem Männlichen vor, und war mehr das Poetische als das Packende, die
Eleganz mehr als die Kraft und den Ausdruck hervorzuheben veranlagt. Solche Bilder aus seiner früheren
Zeit befinden sich bei Herrn Wesselhoest in Hamburg. Schon hat er in ihnen sich von den Düsseldorfern
befreit; man sieht ihn Themen aus der „italienischen" Renaissance mit Vorliebe behandeln und er gibt ihnen
eine neufranzösische Eleganz. Dagegen ist es in der That keine italienische Renaissance, denn die Mädchen, die
er schildert, sind französische Blondinen, — zwar so allgemein, daß sie nicht stärker mit dem gallischen Typus
harmonieren, als die Allgemeinheit ihres Stils zuließ, aber die Regelmäßigkeit der Züge, die Reinheit des
Teints, die Rosigkeit und namentlich die sichere Klarheit ihrer Farbe stellten diese Bilder an die Seite von
Cabanelschen Genreszenen. Es war „Salon"genre; vornehmstes akademisches Wissen ließ sich in Paris herbei,
florentinische Szenen zu schildern und gab ihnen als Folie Pariserinnen einer idealen Art. Diese waren schöne,
liebenswürdige, blonde Wesen. Aber trotz des besseren Wollens und trotz der nicht zu verkennenden Be-
mühungen gestalteten sich die Bilder Ferdinand Heilbuths dieser Art nur zu „verkäuflichen" Bildern im Sinne
des Wortes... und was ihnen allein einen höheren Stand sichert, ist die schon erwähnte, vielleicht nicht
mehr genügend gepriesene Sauberkeit der Technik und Frische der Farbe, welche mit der altmeisterlich sein
sollenden Düffeldorfischen Farbe nichts Gemeinsames mehr hatte.
Bei Herrn Wesselhoeft in Hamburg, dem langjährigen Freund des Malers, befinden sich einige der
Bilder dieser Gattung, die ich analysierte und deren Unterschied von Werken ähnlicher Art aus der deutschen
Schule (wobei an Karl Sohn namentlich zu denken ist) in der größeren Reinheit aller Töne, des Fleisches im
Licht und des Fleisches im Schatten bestand. Zugleich war das Format ein glückliches, — unter Lebensgröße,
doch von jeder Kleinlichkeit entfernt; dieses Format war gleich sehr geeignet, einen imposanten Schmuck an der
Wand zu ermöglichen, wie es das Können des Malers aufwies. Diese Bilder verdienen vor den Werken
 
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