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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle, [7,2]: Novellenkranz ; der Zitherspieler von Zell
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0286

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Modelle. Novellenkranz, von Johan nes Proelß — Unsre Bilder, vom Herausgeber

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genossen so viel anregende Eindrücke und Anläße heiterer
Fröhlichkeit, daß den andern Morgen keiner mehr an die
Erzählung des Zeller Wirtes dachte und des Eindrucks
derselben, der den Vater Cillis sogar hatte Vorschlägen
lassen, die für den folgenden Tag geplante Partie in den
Zemmgrund bis zur Schwarzenbergalpe ganz aufzugcben.
Vom Thalschluß bei Mairhofen nehmen bekannt-
lich die vier „Gründe" ihren Anfang, welche sich
hinauf in die Glctschcrwildnis der Zillerthalcr Alpen
verästeln. Von allen der schönste und berühmteste ist
aber der Zemmgrund. Die Romantik der Dornauberg-
klamm, durch welche er führt, haben Kenner mit der
granscnerregenden Poesie der Via mala, verglichen und
der Anblick des eisumpanzerten, gewaltigen Großingents,
der dem Wanderer nach dem Gang durch diese wildbach-
durchbrauste Felscnwirrnis plötzlich wird, gehört zu den
bezauberndsten Eindrücken, welche die Alpenwelt über-
haupt bietet.

Lothar Schulz und seine Begleiter fanden denselben
so hinreißend schön, daß sie beschlossen, auf dem Rastort
vor dem Karlsteg, von welchem aus man den ersten
Gruß des schlank aussteigendcn Gletscherbergs im dunklen
Thale empfängt, länger zu verweilen, um dem Skizzenbuch
die Linien der erhaben-schönen Szenerie cinzuverleiben, in
deren Vordergrund über wildzerklüftete Felsenriffe und
Tobel der gischtende Zemmbach brausend thalwärts
stürmt. Seine Tochter, die sich beim Pflücken von Alpen-
blumen etwas verspätet hatte, kam erst zur Stelle, als
der enge Raum von den andern bereits in Anspruch
genommen war. Die Herren wollten ihr Platz machen.
„Ei — ich gehe über" die Brücke; dort drüben muß
man von den herrlichen Gletschergipfeln doch noch viel
mehr sehen können." Thauffig erhob sich, um sie zu
begleiten. Doch sie bat ihn, ihretwegen doch ja nicht
die angefangcne Zeichnung aufzugeben.
(Der Schluß folgt)

Unsre Vilder
vom Herausgeber

i^'ür eine Trennung von dem geliebten Tannhäuser muß
man gestehen, daß sich Prinzessin Elisabeth, so wie
sie uns Gabriel Max hier vorführt, fast etwas zu
zurückhaltend zeigt. Man fürchtet sehr, daß sie ihm nicht
einmal ein Abschiedsküßchen auf die ein wenig trotzig auf-
geworfenen Lippen zu drücken erlauben wird. Freilich
sieht dieser berühmte Sänger in seinem Pilgermantel nicht
gerade verführerisch aus, was ihr offenbar seinen Verlust
sehr erleichtert. Da ist es denn kein Wunder, wenn der
wie alle Poeten leicht verletzbare Herr sich sehr bald bei
der weniger spröden Frau Venus Entschädigung für diese
kühle Gemütsstimmmig seiner Angebeteten sucht. — Wie
dem auch sei — denn wir sind ja nicht einmal sicher,
daß Max hier wirklich jenes vielbesungene und noch mehr
selber singende Liebespaar schildern wollte — so hat er
doch die keusche Prinzessin mit einem solchen Reiz dar-
gestellt, daß sie uns trotz ihres ein wenig tantenhasten
Ausdruckes augenblicklich gewinnt. Man verzeiht eben
den Damen selbst die zu große Sprödigkeit, wenn sie
schön sind! Und wenn sie zugleich so viel Seele und tiefe
Empfindung zeigen bei aller Zurückhaltung. — Der Ernst
und die Bangigkeit der Szene sind dabei wunderbar
durch die bloße Verteilung der Massen von Licht nnd
Dunkel, wie das Vorherrschen des letztem ausgesprochen,
so daß die anscheinende Ruhe des ganzen die tiefe innere
Bewegung der beiden nur um so ergreifender macht. —
Hier zeigt sich eben überall ein Meister, der mit den ein-
fachsten Mitteln die größte Wirkung hervorzubringen ver-
steht und der zugleich ein Maler des weiblichen Gemütes
ist, wie wir keinen zweiten in unsrer ganzen modernen
Kunst besitzen.
Ist es das gemeinsame Los aller verliebten Männer,
leicht ein wenig einfältig anszusehen, so macht der mit
dem „Boschen" in der Hand hinter seinem für ihn als
Brautwerber anstretenden Vater stehende südtirolische
Freier, den uns Defregger vorführt, einen fast zu
ausgedehnten Gebrauch von diesem Vorrecht. Vielleicht
weil die Liebe seine Verdauung noch keineswegs beein-
trächtigt zu haben scheint. Diese fast zu üppig geratene
Die Kunst für Alle V

Pflanze des sonnigen Etschlandes bildet aber einen un-
vergleichlichen Gegensatz zu den Frauen vor ihm, deren
schönster seine Bewerbung gilt nnd die sich gerade so
hinter ihrer majestätisch aufgerichteten Mutter versteckt,
wie er hinter dem Vater. Da dieser aber jedenfalls
Gemeinderat oder gar Bürgermeister nnd überdies ein
wohlhabender Mann scheint, so dürfte die allzublühende
Gesundheit seines Sprößlings kaum ein genügendes Hin-
dernis für seine Bewerbung bei den sehr realistischen An-
schauungen der bäurischen Grazien bilden. So wird er
denn wohl trotzalledem keinen Korb heimtragen und seinen
„Boschen" schon anbringen, wie sehr die Auserwählte
jetzt auch über ihn kichere. Wie aber diese Frauengruppe
geschildert wird von der Großmutter bis zur jüngsten
Schwester der Angebeteten, die noch gar nicht recht ver-
steht was vorgeht, das zeugt von einer bezaubernden
Frische, die Charaktere find sämtlich von einer schlagenden
Wahrheit, daß man das Bild immer eines der größten
Meisterstücke unsrer daran so reichen Bauernmalerei nennen
muß und den großen Erfolg wohl begreift, den sein köst-
licher Humor beim ersten Erscheinen wie bei der unsre
letzte Kunstausstellung zierenden Wiederholung fand. In
dieser Überzeugungskraft, die uns alle diese Menschen
sofort als längst gekannt, aber auch nirgends anders
als im Etschland möglich erscheinen läßt, liegt denn auch
die Gewähr für den unvergänglichen Wert dieser Kunst-
werke, der sie trotz, oder gerade wegen ihres ausgesprochen
lokalen Charakters in der ganzen Welt verstehen und
lieben läßt.
Diesen für die Glaubwürdigkeit der Bilder so un-
erläßlichen lokalen Charakter hat auch Ludwig Dill
in seiner „Abfahrt eines Fischerbootes von der Giudecca"
nicht nur durch die Glut des sonnigen Tages, sondern
auch bei den das Ufer und die Boote bevölkernden
Menschen vortrefflich getroffen. Wer je dort bei der
Königin der Adria köstliche Tage hinträumte, würde hier
auch ohne die in der Ferne stolz schimmernde Kuppel der
Salute oder das hinter ihr majestätisch aus den Fluten
aufsteigende St. Giorgio, die Lagune mit ihrem köstlichen
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