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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Unsre Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Architektur - Preisausschreibungen - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst
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268

Unsre Bilder, vom Herausgeber — Personal- und Ateliernachrichten

als es hier durch dies lustige Herumhüpfen der Linien
und das trunkene Durcheinandergepurzel der Farbflecke
geschieht. Man braucht darum gar nicht erst zu unter-
suchen, was denn da eigentlich vorgeht, um schon kraft
dieser Gassenhauermusik sicher zu sein, daß hier ganz
gewiß nicht Messe gelesen oder Religionsunterricht erteilt,
sondern lediglich sehr viel praktische Toleranz geübt werde.
In dieser Art von Charakteristik ist aber Diez ein Meister,
noch mehr als in jeder andern; Reiter und Dirne, Gaul
und Hund, ja sogar dem sie überschattenden Baum sieht
man die übermütig behagliche Raststimmung, die sehr
gerne Fünfe gerad sein läßt, gleich entschieden an, so
daß sie sich auch uns sofort mitteilt. Hier ist er auch
seinen Vorbildern, den Niederländern, überlegen, die weit
mehr Rezeptmalerei treiben als er. Welcher Unterschied
vollends, wenn man die Verteilung der Hellen und dunklen
Massen hier mit der auf dem oben beschriebenen Knüpfer-
schen Bild vergleicht, wo uns schon die horizontal durchs
ganze Bild wie ein breites dunkles Band laufende
Brandungswelle, die nur in der Mitte, wo sie sich an
einer Klippe bricht, hell aufzischt, die Wut des Elements
und den Ernst des Ganzen ahnen läßt, auch wenn sich dies
Dunkel nicht am öden Felsenstrande des Vordergrundes noch
einmal wiederholte. Beidemale erhalten wir so den Eindruck
der Entfesselung der Naturkräfte, hier in ihrer tragischen
Gewalt, wie bei Diez in lustigem Spiel. Nun vergleiche
man aber damit einmal die strenge Hoheit der Linien und
den erhabenen Ernst, der aus der bloßen Verteilung der
Hellen und dunklen Massen in der Sixtinischen Madonna
spricht, und man wird sofort verstehen, weshalb die großen
Künstler aller Zeiten so hohen Wert ans die richtige Ver-
teilung von Hell und Dunkel, wie die charakteristische Linien-
führung gelegt haben, da in beiden eine so zwingende
Gewalt und unmittelbare Verständlichkeit liegt, daß sich
ihr niemand zu entziehen vermag und sie auf den Un-
gebildeten ganz ebenso stark wirkt als auf den Gebildetsten.
Ja, sie macht sich dem Kind noch weit mehr fühlbar als
dem Erwachsenen, weil es eben rein sinnlichen Eindrücken
noch offener ist als der gewöhnlich viel abgestumpftere
„Gebildete". — Ebenso verstehen diese gemalte Musik alle
Nationen ganz gleichmäßig, ja wir finden diesen inter-
nationalen Bestandteil der Kunst bei den Japanern, Ma-
laien und Westindiern oft noch entwickelter als bei uns,
die durch den Schulunterricht weit öfter das unbefangene
Sehen verlernen als ausbilden.

Personal- und Melirrnachrichken
n. Budapest. Alexander Bihari, einer der tüchtigsten
ungarischen Genre-Maler, dessen Bilder in den Ausstellungen
zu München und Wien berechtigte Anerkennung gefunden, voll-
endet soeben ein Gemälde, das für die nächste Ausstellung in
München bestimmt ist. Das Bild führt den Titel „Der Dors-
lump". Ein angeheiterter Bauernjunge schreitet tänzelnd, mit
der Weinflasche in der Hand, früh morgens durch das Dorf,
als die Läden schon offen, die Marktweiber auf dem Platze
sind, die mit ironischem Blick dem Betrunkenen Nachsehen, der
sich von der zerlumpten Zigeunerbande mit Musik durch die
Gaffe begleiten läßt. Eine prachtvolle Perspektive zeigt uns das
Dorf, wie überhaupt ein ungarisches Dorf sein muß. Die ein-
zelnen Typen, Gestalten sind wahre Charakterstudien, die der
noch junge Künstler in genialer Auffassung auf die Leinwand
gezaubert hat. Alles atmet und lebt auf diesem Bilde, das
ein Stück Poesie echten Landlebens schildert, worin Bihari, als
gründlicher Kenner des ungarischen Volks- und Landlebens,
ein wahrer Künstler ist. — In Zai-llgrücz wird seitens des
Schulinjpcktors Bartholomäus Plachy die Errichtung einer

ungarischen Bildschnitzerschule geplant, die mit den gleichen
Schulen Mährens und Tirols auf dieselbe Stufe gebracht werden
soll. Die Zöglinge werden in der Anstalt verpflegt, und zu
diesem Zweck wird bei den Reicheren des Comitates gesammelt,
die Geistlichkeit hingegen ausgefordert, Stiftungen zu machen. —
Ein interessantes und schönes Bild von Kaulbach hat das
Unterrichtsministerium für das Nationalmuseum angekauft. Das
Bild stellt den Freiherrn Gabriel von Prünay dar, der sich in
einem romantischen Kostüm an einen von wilden Weinreben
nmrankten Baum lehnt, unter dem Arm ein Buch. Aus
einem Fenster rückwärts reicht ihm ein junges Mädchen einen
kühlenden Trunk. — Der bedeutende ungarische Maler Ludwig
Bruck, der gegenwärtig in London lebt, dessen Gemälde
»blomelessl in der Royal Academy (dem Londoner Salon)
im verflossenen Jahre große Anerkennung gefunden, hat der
Akademie in diesem Jahre vier vortreffliche Gemälde zur Aus-
stellung übersandt. Das erste >1be dlemor^ ok rbe kssr« stellt
eine Szene aus dem ungarischen Volksleben dar. In einer
Schenke sitzen drei Soldaten an einem Tisch, von denen der eine
eine halbvolle Flasche Wein empor hält, um seinen Kollegen
zuzutrinken, — während der zweite sein Glas füllt, der dritte
aber, ernst und sorgenvoll drein schauend, keinen Sinn für ihre
Fröhlichkeit hat. Neben ihm steht ein Fiedler, der die Violine
spielt, und der Ausdruck seines Gesichtes zeigt, daß er die Sorgen
von der Stirn dem neben ihm Sitzenden zu verscheuchen sucht.
Rechts im Hintergründe erblickt man eine Gruppe tanzender
Mädchen und Burschen. Das Bild ist ganz vortrefflich ausge-
sührt. Nicht minder sind die Bilder in der Auffassung und der
Durchführung der kleinsten Einzelheiten vorzüglich behandelt.
„Sunday" stellt zwei Mädchen, Schwestern, dar, die in der Kirche
ihre Andachts verrichten und beide in das Gebetbuch vertieft
sind. »Oittle ätiscbiek« ist der Name des dritten Bildes
und zeigt ein Kind in weißem Spitzenkleide, das im Atelier
eines Malers sich das Vergnügen gemacht hat, die Hand
auf die Palette zu drücken und mit dieser von den Farben
beklecksten Hand sein Kleid und alles, was sich im Bereiche der
Hand befand, zu besudeln. Das vierte Bild endlich, /crt-
katron«, zeigt uns einen alten Kunstkenner, der mit Kenner-
blick eine Sammlung von Radierungen sorgfältig prüft. — Der
Kunsthistoriker Alexander Nyäri, aus dessen Feder voriges
Jahr das Buch: „Johann Kupetzky, sein Leben und seine Werke"
bei Hartleben deutsch erschienen ist, hat von der ungarischen
Regierung den ehrenden Auftrag erhalten, anläßlich der vier-
hundertjährigen Jahreswende des Todes von Mathias Cor-
vinus, die Geschichte der italienischen Renaissance in Ungarn
zu schreiben, da dieser Kunstzweig von dem König nach Ungarn
verpflanzt, unter seiner Regierung in Blüte stand, weil er viele
italienische Künstler ins Land berief. Nyäri hat seine Forschungs-
reise in Ober-Ungarn bis nach Polen, dann in Croatien, Süd-
Ungarn und Siebenbürgen soeben vollendet, und die Arbeit
wird deutsch und ungarisch noch dieses Jahr erscheinen.
Berlin. Der Verein Berliner Künstler feiert am
10. Mai in seinen Vcreinsräumen den 60. Geburtstag von
Professor Knaus. Die schon auf vorigen Herbst geplant
gewesene Feier mußte Umstände halber leider bis jetzt verschoben
werden. Sie soll nunmehr in Form eines Maienfestes im ober-
hessischen Dorfe Willingshausen, dem bekannten Studienplätze des
Meisters, stattfinden. Eine Anzahl Vereinsmitglicder arbeiten
bereits fleißig an der Umgestaltung der Vereinsräume in eine
Dorsstraße, Errichtung von Ehren-Pforten rc.; die Festteil-
nehmer werden in der oberhessischen Volkstracht oder ähnlichen
Kostümen erscheinen, während eine Anzahl Mitglieder Charakter-
figuren Knausscher Bilder wiederzugeben übernommen haben,
tr. Düsseldorf. Prof. Benjamin Vautier ist
egenwärtig mit der Vollendung eines größeren neuen Genre-
ildes mit vielen Figuren beschäftigt, welches die Vorstellung
eines Kreis-Schulinspektors auf dem Lande mit dem dem Künst-
ler eigenen liebenswürdigen, feinen und geistreichen Humor
darstellt. — Emil Schwabe hat ein vorzügliches neues Genre-
bild eben vollendet, welches sich „Der Alten Weihnachtsglück"
betitelt, und in der feinen, treffenden Charakteristik eines alten
Ehepaares, welches am Weihnachtsmorgen eine Kiste mit Fest-
geschenken von den Kindern aus der Ferne empfängt, und beim
Auspacken derselben und Lesen des Begleitbriefes lebensvoll
und fein empfunden dargestellt ist, zu den glücklichsten Schöpfungen
des ausgezeichneten jungen Meisters zählt. — Der von München
hierher übergesiedelte Porträtmaler Paul Nauen hat bei
Schulte einige Bildnisse ausgestellt, welche die allgemeine An-
erkennung finden; besonderen Beifall findet ein sehr glücklich
 
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