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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Der Salon im Industrie-Palast, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0422

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Der Salon im Indnstrie-Palast. Don Gtto Brandes

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freundlichen Einfachheit vortrefflich zuin Ausdruck. Die
Figur ist in der pastosen kräftigen leuchtenden Weise
des Künstlers gemalt, die sich für männliche Porträts
besser eignet als für weibliche. Ich kann seinem Bilde
der Vikomtcssc de C. daher auch viel weniger Geschmack
abgewinncn. Dem Bonnatschen Bilde ist nur das männ-
liche Porträt von Alma Tadema an die Seite zu
stellen, welches allerdings subtiler gemalt, aber auch von
großer Leuchtkraft in der Farbe ist. Treffliche Porträts
sind von Wcncker, Bnland, Cormon, Jules Le-
febvre, an dem man sich hier von seiner Lady Godiva
erholt, von Aime Morot, das Bild eines jungen

begleitet. Char trau stellt ein gutes Bild von dem
Journalisten Blavet, dem „Parisis" des Figaro aus.
Gilbert gruppiert eine Anzahl Porträts als Tanz-
gesellschaft; Stewarts Rotfrackbilder haben ihn nicht
schlafen lassen, doch erfaßt Gilbert die geselligen Formen
nicht mit derselben Finesse. Auch Gneldrys recht be-
deutende Kanotier »racesr bilden nur den Vorwand, um
eine Anzahl Männerporträts mit muskulösen Armen und
tüchtigem Rücken zu malen. Eine freundliche Note bringt
in diese sportslustige Jugend die Helle Toilette der nicht
minder eifrigen Kanotierinnen. Auch die Damen haben wie-
derum ausgezeichnetes im Porträt geleistet. Vor allem


Kirchrnchor in Tirol, von Adolf Schladitz

Mädchens zu Pferde, ausgestellt. Auch um die Bilder
der beiden Elektriker Edison und Ja blök off, die
alle Ausstellungen unsicher machen, kommt man nicht
herum. Wir hätten es Herrn Anderson schon geglaubt,
daß sein Bild den Erfinder des Phonographen vorstcllen
soll, wenn er ihm auch nicht die beiden Drähte des In-
strumentes in die Ohren gesteckt hätte. Die Prise, die
Jablokoff in der Hand wirbelt, ist z. B. viel charakteri-
stischer für diesen unmäßigen Schnupfer. Die Schweden
haben den Franzosen den Geschmack an Porträtgruppen
im Lampenlicht des Interieurs beigebracht. Par Hs
Bild „Im Atelier" ist eine fein abgestimmte Szene
häuslich künstlerischen Behagens, in welcher die Hausfrau
von der großen Schirmlampe beleuchtet am Klavier sitzt,
während der Gatte in roter Joppe sie auf dem Cello

Frln. Hildebrandt und Bilinska, Frl. Carpcntier,
Mad. Debat Ponson, Mad. Mackey u. a.
Die Landschafter sind mindestens ebenso zahlreich
wie die Porträtmaler. Wir finden sie hier alle, die alten
und die jungen, und zwar mit jener gewissenhaften, liebe-
vollen Beobachtung der Natur, mit jener direkten Über-
tragung der unmittelbaren Stimmung, mit jenem feinen
Verständnis für Luft und Licht. Tie Kunst eines Corrot,
eines Diaz, eines Rousseau, eines Jules Duprss ist nicht
an ihnen spurlos vorübergegangen und darum ist die
Note in der französischen Landschaftsmalerei sehr hoch.
Es war durchaus gerechtfertigt, daß die große goldene
Medaille diesmal in dem Salon der Champs Elysees
einem Landschafter zufiel. Eine besondere Freude haben
seit einiger Zeit die Landschafter an jener frühen Morgen-
 
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