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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [5]
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Künstler und Käufer
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0484

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Die zweite Münchener Iabres-Ausstellung. Von Fr. pecht — Künstler und Käufer

als Gilardis „Züchtigung" oder Mertens „gichtbrüchiger Antiquar" und seine „Damenmalschule", Munschs
„Gelehrter" oder reizend gemütliche „Nähterin". Sie, wie Tyrahns rührendes „altes Lied" kennen unsre
Leser ja schon aus der „Kunst für Alle", wie Ritzbergers gemütvollen „Sonntagnachmittag" oder Fechners
erschütterndes „Maria Hilf", während Melidas „Wahlagitation" sehr lustig spanisches Politisches Treiben
schildert und der Düsseldorfer Vezin gar eine frische Hamburger Ruderregatta. Des Jimenez „Geständnis"
ist dann, neben Cazins „Flucht nach Ägypten" und Al. Struys rührendem „Trost der Betrübten", eines
der Bilder, die am meisten wahre und tiefe Empfindung zeigen, welche das letztere noch durch seinen klassischen
Ton verstärkt. Schild kn echts Fingerhackler gefallen durch ihre Wahrheit, wie Hirth du Frenes „Kte
cknmpstrs" durch die idyllische Empfindung. Diese schlichte Wahrheit der Empfindung adelt auch Nenhuhs
köstliches „zur Schule" und seine „Zärtlichkeit", womit wir denn am Ende mit unsren Versäumnissen wären,
soweit sie die Figurenbilder betreffen. Es bleiben also nur noch einige landschaftliche Darstellungen
nachzuholen, so A. Achenbachs Strand bei Gröningen, v. Bechtolsheims Gebirgsbach bei Gewitter,
mit dem der Charlemonts wetteifert und Max Romans „Straße bei Tivoli", welche die Glut
der Mittagssonne trefflich wiedergibt. Hochpoetisch und köstlich gestimmt ist dann Neuberts „Schneeland-
schaft in der Abenddämmerung", und prächtig gezeichnet Darnauts „Eichwaldrand", während des Norwegers
Thaulow „Schneelandschaft" im hellsten Sonnenschein durch ihre frische Energie packt. Das thut auch Al.
Wagners „Casa del Carbon", eines seiner besten spanischen Bilder, mit welchem Tnsquets Szene nach dem
Hochamt in S. Giovanni e Paolo in Venedig und Ruß prächtiger „Marktplatz in Friesach" wetteifern.
Weichbergers köstliche Szene aus dem Weimarer Park gehört auch zu den besten dieser Art und Roux
„VäterlicherUnterricht am Pfluge" ist jedenfalls den besseren Tierbildern anzureihen, wie Kuhnerts „Löwe
iin Kampf mit einem Nashorn", mit dem wir unser nachträgliches Sündenbekenntuis schließen und nur noch
der Reklamation Herrn Siemiradskys gedenken wollen, der uns mitteilt, daß er niemals Pilotys Schüler
gewesen, wie wir irrtümlich behauptet.

Künstler und Käufer

nsre langjährige Erfahrung im Kunsthandcl, speziell im
Bilderhandel, erbittet sich das Recht einer freien un-
parteiischen Meinungsäußerung über das Verhältnis der
Künstler zum Käufer, die um so mehr geboten erscheint, als
die Fülle der Erzeugnisse alter und neuer Richtungen,
Originelles und Nachahmungen im wirren Durcheinander
bietet und der Markt der Fremden oft mehr als der
heimischen Kunst im Geschäftsinteresse der Unterhändler
mit Rücksicht auf die jeweilige Geschmacksrichtung (manch-
mal könnte man von Geschmacksverirrung reden) Rech-
nung trägt. Es ist eine bedauerliche Thatsache, daß keine
Nation so wie die deutsche, wenn sie mit einer andren in
Verbindung tritt, ihre Stammeseigentümlichkeit ver-
leugnet und ihre Kräfte unter fremdem Stempel wirken
läßt. Teils das Bewußtsein mangelnder unzulänglicher
Originalität, teils der Mangel an Selbstgefühl und Ver-
trauen auf selbständige Leistung, teils aber auch die
Kenntnis der Urteilslosigkeit des Gros der Landsleute,
das in jeder fremden Muschel Perlen sucht und darüber
vergißt, den heimischen Strand nach Muscheln zu durch-
forschen, drängt den Deutschen auf die Pfade auslän-
discher Genies. Das stolz erhobene Vaterlandsgefühl und
die gestählte deutsche Wehrkraft haben noch nicht ver-
mocht, den deutschen Künstler zu bewegen, mit Konsequenz
und Energie seiner immanenten Kraft passende Wege zu
bahnen, um allmählig ein Territorium deutscher Originalität
zu erringen. Jede Originalität wird in ihrer Äußerung
Beachtung finden, ihr muß nur nicht fremde Kraft ein-
geimpft werden. Die Bahnbrecher, von denen in Zeit-
schriften und Werken über moderne Kunst geredet wird,
sind größtenteils nicht originell, sondern meistens Impor-
teure auswärts beliebter Kunstrichtungen. Wenn wir z. B.

lesen: Liebermann, v. Uhde rc. stehen an der Spitze
der Impressionisten, so lesen wir einfach etwas Unrich-
tiges. Sie sind allenfalls Führer der Nachahmer fran-
zösischer Meister, denn in allem, zumal bei Liebermann,
verleugnet sich der Einfluß französischer Kunst so wenig,
daß man beim Anblick ihrer Werke ohne Kenntnis des
Urhebers versucht wird zu sagen: Das ist ein französisches
oder ein holländisches Bild, von einem Deutschen ist es
gewiß nicht! Mag sein, daß die deutsche Eigenart (in
der Kunst) im 19. Jahrhundert sich nicht im entferntesten
hinsichtlich der Bedeutung für die Kunst mit der fran-
zösischen messen kann. Das ist gewiß traurig, immerhin
aber nicht so traurig, wenn sie auf sich selbst vertraut,
sich selber eine Basis schafft, anstatt den erkannten Minder-
wert vom Nachbarn borgt. Menzel, Knaus, Ban-
kier, Bokelmann, das sind unsres Erachtens ori-
ginelle deutsche Meister. Auch sie haben die französischen
Künstler studiert, auch sie haben sich vorurteilsfrei über
ihre Erzeugnisse gefreut, aber sie haben die Energie ge-
habt, jeden Nachahmungstrieb zu unterdrücken. Wir hörten
oft Beschauer eines Aquarells ausrufen: Das sieht ja
wie ein Ölgemälde aus! Sie wollten dem Aquarell ein
Lob spenden, haben aber eigentlich keinen größeren Tadel
anssprechcn können. Jüngst hörten wir von einem Kunst-
freund, der ini Anschauen eines Ölbildes versunken, zur
Meinungsäußerung genötigt wurde: Wie ein Franzose!
Er war von dem Bilde so begeistert, daß er es kaufte,
weil es wie ein französisches Bild aussah! Der fran-
zösische Schein war für ihn der Stempel des Wertes!
Dabei urteilen derartige Richter durchaus nicht immer
richtig. Sie glauben bei den berühmten Franzosen sei
die Hauptsache die Verwertung der Farben, Zeichnung
 
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