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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Obermüller, Adolf: Aus den Wanderungen eines Hochalpenmalers
DOI Artikel:
Presber, Rudolf: "Poberetto", [6]: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0119

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Aus den lvanderunge» eines ljochalpciimalcrs. von A. (?) b erm ü lln er — „Poocrctto". Uovcllctte. von R. presbcr 85

getrieben, die geringen Einrichtungsstücke einem Saum-
tiere aufgepackt und die kleine Hütte geschlossen. Jockl,
von dem ich herzlichen Abschied nahm, war glücklich,
als ich ihm die beiden warmen Decken schenkte, die er
Winters über, wenn er wochenweise bei einem andern
Bauern im Stalle schlafe, wie er meinte, gar wohl brauchen
könne. „Am nächstkommenden Neujahrstage", fügte er
hinzu, „erhalte ich als Jahreslohn ein paar neue Schuhe,
zwei starke Leinenhemden, mehrere Pfunde Rolltabak
und 30 Gulden an barem Gelde, da kann ich mir dies-
mal viel davon absparen für die alten Tage, denn das",
und dabei klimperte er mit den Guldenslücken, welche
ich ihm geschenkt hatte, „reicht lange aus." Als dann
Jockl die kleine Hütte versperrt hatte, schüttelten wir uns
die Hände zum Abschiede und unter Hellen „Juche's"

der Burschen, dem Geblöke der Herde und dem Klange
der Leitglocke des Saumtieres setzte sich der malerische
Zug in Bewegung.

Ich nahm die entgegengesetzte Richtung, um drüben
nach Salden abzusteigen.

Als ich an der Schneide des Taborettakammes bei
den Suldner Steinmandln angelangt war, tönten von der
Trafoier Seite drei langgezogene, deutlich hörbare Pfiffe
herauf, es war des Schäfers Jockl bekannter Abendruf
und galt diesmal wohl mir als letzter Scheidegruß.

Ich antwortete in gleicher Weise meinem Stuben-
genoffen, der, seines hohen Alters ungeachtet, rüstig seines
harten Amtes waltete, der ein zufriedener Mensch war
und nur eine Sehnsucht kannte, vor seinem Tode etwas
mehr als der Heimat steile Berge zu schauen.

Vrller von der Slilfser Jochstraße bei Wondbelenchkung
von A. Dbermüllner

„Woveretto

Novellette. von Rudolf presber

(Schluß aus dem vorigen Hefte) Nachdruck °°rb°.°n

nd nun erzählte sie mir eine Geschichte, die so ein-
fach und natürlich vorgetragen war, daß ich keine
Bürgschaft für ihre Wahrheit brauchte. Mia war das
Kind eines armen verführten Mädchens; ihre Mutter
starb als das Kind zwei Jahre alt war und der Bruder
ihrer Mutter war nun ihr nächster und einziger Ver-
wandter; so lange dessen Frau lebte, die selbst keine
Kinder hatte, hatte es Mia gut; im vorigen Jahre war
diese aber gestorben und ihr Oheim, der von der Arbeit
seiner Frau gelebt hatte, ward nun erst recht ein mürrischer
Tagedieb. Er behandelte das Mädchen schlecht, warf ihr
ihre Geburt vor, schlug sie, sperrte sie ein, ja, drohte
sie zuletzt ins Wasser zu werfen, „die unnütze Katze",
wie er sie nannte. Da plötzlich ward er freundlicher
und eines Tages, es war drei Tage vor dem verhäng-
nisvollen Abend, eröffnete er ihr, daß er einen schönen
und netten Liebhaber gefunden habe. Das Mädchen
schwieg; am nächsten Tag kam ein nicht mehr junger,
häßlicher Engländer und der Alte ließ ihn mit seinem
Mündel allein. Jetzt erst begriff Mia, daß es sich hier

um einen schmählichen Verkauf ihrer Mädchenehre handle;
sie wies dem Eindringling die Thür, und als der Alte
am Abend nach Hause kam, sprachen sie beide kein Wort
mit einander; am nächsten Abend aber kam der Engländer
wieder und verlangte von dem alten Tagedieb sein Geld
zurück. Der Alte wurde wütend, er wollte das Mädchen
zwingen; sie stieß ihn vor die Brust und nun ergriff er-
ste bei den Haaren und warf sie mit tierischer Rohheit
dem Fremden vor die Füße, der schon halb mitleidig,
halb lüstern die Arme nach ihr ausstrecktc. Da hatte
sie die letzte Kraft zusammcngenommen, sie schlug dem
Zudringlichen mit der Faust in das Gesicht und entkam
auf die Straße, entkam zu mir.

Als sie mir die einfache Geschichte erzählt hatte,
ehrlich und ohne falsche Scham, sah sie fragend zu mir
herüber.

„Und was willst du jetzt thun, Mia?" fragte ich.

„Bei dir bleiben!"

„Bei mir?"

„Ja, wenn du's zugibst. Ich will dir alles sauber
 
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